O. Adrian Pfiffner

Geologie der Alpen


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Jahre datiert ist (vgl. Schmid 1993 und Referenzen dort), und die gleichzeitige Intrusion von Graniten vor 466 Millionen Jahren in die nun metamorphen Sedimente andeuten. Möglicherweise fanden in der unteren Kruste zu dieser Zeit auch mafische Intrusionen statt (Gabbros vom Typ von Anzola).

      Im späten Devon bis frühen Karbon verursachte dann die variszische Gebirgsbildung eine intensive Zerscherung der Krustengesteine. Die ordovizischen Granite wurden dabei in Orthogneise umgewandelt, die heute in der Strona-Ceneri-Zone als Bänder mit riesigen engen Falten, den sogenannten Schlingen, zu beobachten sind. Das Ende der variszischen Gebirgsbildung, angedeutet durch Abkühlung der Gesteine infolge Exhumation, dürfte nach Schmid (1993) in das Zeitintervall von 325 bis 310 Millionen Jahren vor heute fallen (frühes Karbon). Durch diese Exhumation wurde eine bis zu 30 Kilometer mächtige Gesteinssäule abgetragen und die tieferen Krustenteile, die Strona-Ceneri-Zone, an der Erdoberfläche entblößt. Interessanterweise weist die metamorphe Entwicklung der Ivrea- und der Strona-Ceneri-Zone markante Unterschiede auf. Während in den Gesteinen der Strona-Ceneri-Zone infolge der raschen Exhumierung die druckbetonten Paragenesen der variszischen Orogenese erhalten blieben, erfuhren die Gesteine der Ivrea-Zone durch die andauernd hohen Temperaturen eine Umwandlung, sodass die neuen Paragenesen mäßig hohe Drücke anzeigen. Offenbar waren während der variszischen Orogenese die beiden Krustenblöcke bereits entkoppelt. Eine Zone von Hochtemperatur-Myloniten, die heute längs der Pogallo-Störung zu erkennen sind, trennte die Strona-Ceneri-Zone von der Ivrea-Zone. Erstere bewegte sich aufwärts Richtung Erdoberfläche (Exhumation) und kühlte sich ab, letztere verblieb in größerer Tiefe und wurde aufgewärmt.

      Eine weitere Phase von Magmatismus erfasste sowohl die Ivrea- als auch die Strona-Ceneri-Zone im späten Karbon und frühen Perm (Abb. 2-12). Die Intrusion von mafischen Schmelzen in die Unterkruste, heute als mafischer Hauptzug in der Ivrea-Zone zu finden, verursachte dort die Aufschmelzung von Metasedimenten (eine zweite Anatexis). Diese Schmelzen stiegen auf und intrudierten in die Oberkruste, die Strona-Ceneri-Zone, oder erreichten gar die Erdoberfläche. Beispiele dieser magmatischen Gesteine sind die bereits erwähnten frühpermischen Baveno- und Mont-Orfano-Granite sowie der permische Luganeser Quarzporphyr. Die magmatische Aktivität, die die gesamte Kruste erfasste, muss durch tief greifende tektonische Prozesse erklärt werden, die ebenfalls vom Erdmantel bis an die Oberfläche reichen. Transtensive Seitenverschiebungen („wrench tectonics“ von Schmid 1993 und Referenzen dort) wären eine gute Erklärung hierfür und reihen sich lückenlos in das Konzept der post-variszischen kontinentalen Dehnungstektonik, die bereits im Zusammenhang mit dem Schwarzwald, den Externmassiven, dem Penninikum und Ostalpin erwähnt wurde.

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      2-13 Die geologische Entwicklungsgeschichte des kristallinen Grundgebirges der südalpinen Ivrea- und Strona-Ceneri-Zone. Umgezeichnet nach Schmid (1993).

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      In den Ostalpen und Südalpen sind an mehreren Stellen paläozoische Sedimente und Vulkanite aufgeschlossen, die von der variszischen (und früheren) Orogenese nicht oder nur schwach überprägt wurden. Die Mächtigkeiten dieser Abfolgen betragen zum Teil mehrere Kilometer, sind aber, wie auch die einzelnen Schichtabfolgen, großen örtlichen Schwankungen unterworfen. Als typische Beispiele sind das Paläozoikum der Karnischen Alpen, die Grauwackenzone und die Innsbrucker Quarzphyllite ausgewählt.

      In den Karnischen Alpen, die südlich des periadriatischen Lineaments liegen, findet sich die vollständigste fossil belegte Abfolge. Das stratigrafische Kolonnenprofil in Abb. 2-14 basiert auf der Kompilation von Schönlaub & Heinisch (1993). Über mächtigen Grauwacken und Tonschiefern folgen Vulkanite, Sandsteine und Tone, die sich seitlich verzahnen und dann von Kalken überlagert sind. Die weltweite Regression Ende Ordovizium verursachte Erosion und einen Sedimentationsunterbruch, sodass die silurischen Sedimente den ordovizischen diskordant aufliegen. Im Silur können mehrere Fazieszonen unterschieden werden, die unterschiedlichen Ablagerungsbedingungen entsprechen. Unter seichtmarinen bis pelagischen Bedingungen wurden Kalke abgelagert, während in tiefen, stagnierenden Beckenteilen schwarze Tone zum Absatz gelangten. Im Devon etablierte sich dann eine Karbonatplattform; die Subsidenzgeschwindigkeit nahm zu, war lokal aber unterschiedlich. Verbreitet bildeten sich Riffe, die sich aber zeitlich und örtlich verlagerten. Diese Sedimentationsbedingungen setzten sich bis ins frühe Karbon fort. Ein wichtiger Wechsel erfolgte dann beim Übergang in die Hochwipfel-Formation. Über (paläo) verkarsteten Karbonaten folgen noch im frühen Karbon plötzlich flyschartige Klastika, die mit der variszischen Gebirgsbildung zusammenhängen (vgl. Schönlaub & Heinisch 1993 und Referenzen dort). Sandige und pelitische Turbidite wurden an einem aktiven Kontinentalrand vom entstehenden Gebirge in einen Flyschtrog geschüttet. Die Sedimentation in diesem Flyschtrog reichte bis in das Serpukhovian (326 bis 318 Millionen Jahre).

      Diskordant über den ordovizischen bis frühkarbonen Sedimenten folgt eine post-variszische Serie mit einem Transgressionskonglomerat, der Waidegg-Formation, an der Basis. Das Alter dieses Konglomerats ist Moscovian (310 bis 307 Millionen Jahre). Damit kann die variszische Gebirgsbildung in dieser Region auf das Zeitintervall zwischen 318 und 310 Millionen Jahren eingegabelt werden.

      Die Sedimente über dem Transgressionskonglomerat (Auernig-Formation) enthalten Küstenkonglomerate, kreuzgeschichtete Sandsteine, bioturbierte Schluffe und Tone sowie Kalke. Die ganze Abfolge wird auch als Molasse (im Sinne von „post-orogenen“ klastischen Sedimenten) gedeutet. Nach Krainer (1993) sind sie als klastisch-karbonatische transgressive und regressive Zyklen bzw. Zyklotheme zu deuten. Die einzelnen Zyklen dauerten jeweils etwa 100 000 Jahre und sind wahrscheinlich durch eustatische Meeresspiegelschwankungen im Gefolge von Vereisungen von Gondwana verursacht. Als Umfeld der Sedimentation kann ein intramontanes Becken angenommen werden, das mit Sedimenten und Vulkaniten unterschiedlicher Herkunft gefüllt wurde.

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      2-14 Die paläozoische Gesteinsabfolge der Karnischen Alpen (Ostalpin). Die vereinfachte Schichtreihe ist eine Kompilation basierend auf Schönlaub & Heinisch (1993).

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      Die nachfolgenden Klastika des Perms (Pseudoschwagerina-Formation) bestehen zum Teil aus aufgearbeiteten Sedimenten aus dem stratigrafisch Liegenden (der Auernig-Formation). Offenbar verursachten tektonische Bewegungen (die sogenannte saalische Phase) signifikante Hebungen und Erosion an den Beckenrändern (vgl. Krainer 1993). Die permischen Sedimente wurden ebenfalls in intramontanen Becken bzw. Gräben abgelagert, werden aber im Zusammenhang mit den Permokarbon-Trögen im Abschnitt 2.7 besprochen.

      Nach ihrem geografischen Vorkommen unterscheidet man eine östliche (Steiern) und eine westliche Grauwacken-Zone (Salzburg-Tirol). Abb. 2-15 zeigt die Abfolge der östlichen Grauwacken-Zone, zusammengefasst nach Schönlaub & Heinisch (1993).

      Eine fossilfreie Abfolge von Schiefern, Phylliten und Metapyroklastika folgt über einem dem kristallinen Grundgebirge aufliegenden Konglomerat. Lokal enthält dieses Konglomerat Gerölle von Orthogneisen, deren Kristallisationsalter auf 500 Millionen Jahre bestimmt wurde (spätestes Kambrium), was den darüberfolgenden Metasedimenten möglicherweise ein ordovizisches Alter zuordnet. Es folgt eine Serie mit Vulkaniten (Ignimbriten, Tuffen, Pyroklastika), der sogenannte Blasseneck-„Porphyroid“. Dieser ist lokal mit Kalken verknüpft, deren spätordovizisches Alter gesichert ist. Eine mächtige Tonschieferabfolge (heute als Metapelite vorliegend) schließt das Ordovizium ab und reicht bis ins Silur. Die durchgehende Abfolge des Ordoviziums zeigt nach Schönlaub und Heinisch (1993) keine Einflüsse bzw. Anzeichen