Legitimation der Profession verbessern helfen. Das Methodische und die damit erzielten Ergebnisse werden nicht mehr lediglich behauptet, sondern ihr genauer Nachweis soll helfen, das Profil der Profession nach außen besser darstellen zu können.
Die gesellschaftlich-politischen Hintergründe und die aus der Profession entstehenden Motive, die zur „Konjunktur“ von Evaluation beitragen, stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern verweisen aufeinander. Das Streben nach verbesserter Legitimation und das Bemühen um eine stärkere Strukturierung oder Steuerung des Handelns überlagern beide Motivbereiche. Dies schließt nicht aus, dass dabei verschiedenartige Akzente gesetzt werden, z. B. die Hoffnung auf eine Rationalisierung in Form einer eher technokratischen Steuerung einerseits und ein Verständnis von Rationalitätserweiterung durch verbesserte Selbstreflexion andererseits. Solche Akzentverschiebungen sind wichtig zu beachten, aber es sollten gleichermaßen die Überschneidungen und Ähnlichkeiten in den elementaren Motiven zur Kenntnis genommen werden.
2.2 Funktionen von Evaluation
Die Faktoren, die Evaluation zu einem immer bedeutsameren Thema in der Sozialen Arbeit haben werden lassen, verweisen auf Funktionen, für die Evaluation eingesetzt wird. Im Anschluss an Stockmann / Meyer (2010, 73 ff) können vier zentrale Funktionen von Evaluation unterschieden werden:
• Erkenntnisgewinn für Steuerungsentscheidungen: Evaluation soll Daten liefern, die Entscheidungen ermöglichen, mit denen Strukturen und Prozesse zielgerichteter gestaltet werden können.
• Kontrolle: Erkenntnisse aus Evaluationen werden nicht nur zur Planung und zur Entscheidungsfindung eingesetzt, sondern auch zur Kontrolle. Kontrollevaluationen können sich auf den Grad der Zielerreichung, auf das Aufwand-Nutzen-Verhältnis, auf die Aufgabenerfüllung der an einem Programm Beteiligten, auf die Kompetenz der Akteure etc. richten. In der Evaluation ist immer auch ein Kontrollaspekt vorhanden, auch dann, wenn die Akteure bemüht sind, durch breite Mitarbeiterpartizipation, durch demonstrative Hervorhebung der sachbezogenen Ausrichtung o.ä. diesen Kontrollaspekt in den Hintergrund zu drängen. Ganz ausschalten lässt sich der Kontrollaspekt bei Evaluationen nicht.
• Förderung von Entwicklungen: Die entwicklungsfördernde, tendenziell innovative Funktion resultiert daraus, dass Evaluation Transparenz erweitert und dadurch Dialogmöglichkeiten zwischen verschiedenen Beteiligten und Interessenträgern eröffnet. Evaluation wird eingesetzt, wenn Akteure sich für Lernvorgänge öffnen wollen, ist also Bestandteil von Lernprozessen. Gleichzeitig evoziert sie selbige, weil Evaluation Prozesse der Reflexion und des Bewertens beinhaltet, die im logischen Verlauf die Erörterung von Konsequenzen nach sich ziehen bzw. mit solchen Erörterungen verbunden sind.
• Legitimation durchgeführter Maßnahmen: Mithilfe von Evaluation lassen sich Ergebnisse und Wirkungen von Programmen darstellen, wodurch ein Programm mit seinem Ressourceneinsatz und seinen Resultaten nach außen präsentiert werden kann – Heiner (2001b, 42) spricht hier von einer „demonstrativen Funktion“ – und Perspektiven der weiteren Realisierung begründet werden können.
Überlagerung von Funktionen
Bei der Planung und Durchführung von Evaluationen können verschiedene Funktionen einbezogen sein. Insbesondere wenn mehrere Interessenträger in die Evaluation hineinwirken, besteht die Versuchung, die Evaluation so anzulegen, dass den unterschiedlichen Erwartungen Rechnung getragen werden kann. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass die Evaluation zu überladen und zu komplex konzipiert wird, was sich in Problemen bei der Durchführung und bei der Aussagekraft der Ergebnisse niederschlagen kann. In der Regel benötigen Evaluationen Entscheidungen darüber, zu welcher prioritären Funktion sie eingesetzt werden sollen. Denn das hat Konsequenzen für das Evaluationsdesign und die Durchführung der Evaluation. Eine Evaluation, die die entwicklungsfördernde Lernfunktion in den Mittelpunkt stellt (z. B. „wir wollen wissen, ob wir die einzelnen Arbeitsschritte unseres Sprachförderungsprogramms in der Kindertageseinrichtung in den unterschiedlichen Gruppen relativ einheitlich praktizieren und worin Unterschiede begründet sein können“), wird nicht gleichzeitig und in gleicher Intensität eine nach außen gerichtete Legitimationsfunktion (z. B. „wir wollen darstellen, welchen Nutzen der Ressourceneinsatz zur Sprachförderung erzeugt und an welchen Stellen sich durch einen veränderten oder ausgeweiteten Ressourceneinsatz wahrscheinlich Effektverbesserungen erzielen ließen“) realisieren können. Und ob Evaluation primär unter dem Vorzeichen seiner Kontrollfunktion oder in der Hoffnung eingesetzt wird, einen Entwicklungsimpuls zu erhalten, wird sich in verschiedenartigen Evaluationskonzepten niederschlagen. Vor allem zwischen der Kontrollfunktion und der Entwicklungsfunktion bestehen elementare Spannungen, sodass beide Funktionen nicht gleichgewichtig in einem Evaluationsdesign Platz haben können (Kromrey 2000, 26 f). Zwar ist in jeder Evaluation auch der Kontrollaspekt enthalten und kann daher nicht ausgeschaltet werden, jedoch macht es einen Unterschied, ob diese Funktion in das Zentrum der Evaluation gestellt wird oder ob die Entwicklungsfunktion den Funktionskern ausmachen soll und die im Hintergrund vorhandenen Kontrollaspekte bei den einzelnen Evaluationsphasen mitreflektiert werden müssen. Statt einer relativ unstrukturierten Funktionsmischung sollte Evaluation mit der Entscheidung zu einer prioritären Funktion versehen werden, und es sollte gut überlegt werden, welche Funktionsaspekte neben dieser Funktion an nachrangiger Stelle hinzugenommen werden, ohne dass die Evaluation dadurch an Profil verliert, zu komplex wird und ohne dass dadurch die gewählte prioritäre Funktion gestört wird.
Informationen für Entscheidungen
Die vier genannten Funktionen laufen zusammen in der zentralen Anforderung an Evaluation: Informationen bereitstellen für praktisch folgenreiche Entscheidungen. Evaluation markiert einen methodischen Schritt im Rahmen der Entscheidungsfindung. Die Verkoppelung von Evaluation und Entscheidung macht den verwendungsbezogenen Charakter von Evaluation aus. In einer Organisation werden immer wieder Entscheidungen getroffen; man kann Organisationen definieren als Systeme, die aus Entscheidungen bestehen und die sich durch Entscheidungen konstituieren (Luhmann 2000). Der größte Teil von Entscheidungen in Organisationen verläuft „undramatisch“: Es sind in den Alltag eingebundene Entscheidungen, die ein Kontinuum von als quasi „natürlich“ empfundenen Entwicklungsverläufen gewährleisten. Wenn Organisationsmitglieder den Eindruck gewinnen, dass eine besondere „Entscheidung“ gefordert wird oder ansteht, dann handelt es sich meistens um die Frage, ob man aus dem bisherigen kontinuierlichen Entwicklungsverlauf mehr oder weniger intensiv ausbrechen soll, der Entwicklung also einen „anderen“ Verlauf geben will. Das macht solche Entscheidungen legitimationsanfällig: Es bedarf der Begründung, warum und mit welcher Intention (Erfolgserwartung, Erfolgswahrscheinlichkeit) entschieden werden soll oder – im Nachhinein – entschieden wurde. Evaluation ist ein Modus, um die zur Begründung erforderlichen Informationen zu erzeugen, entweder in prospektiver Absicht (zur Entscheidungsvorbereitung) oder mit einer retrospektiven Intention (zur Legitimation). Entscheidungen haben, wenn sie nicht willkürlich erfolgen, grundsätzlich einen rekursiven Charakter: Sie setzen voraus, dass die Entscheidungspersonen vorhergehende Erfahrungen und Wahrnehmungen verarbeiten und Position zu ihnen beziehen. Somit sind Entscheidungen implizit mit bewertenden Vorgängen verknüpft. Evaluation macht diesen impliziten Bewertungsvorgang explizit und reichert ihn mit Daten an, um mehr Rationalität bei Entscheidungen zu ermöglichen und diese nicht allein der sozialen Dynamik von Konflikten, Interessen, Zufällen etc. zu überlassen (zur Konstituierung von Entscheidungen in Organisationen Berger / Bernhard-Mehlich 2014). Der Evaluation kann somit die elementare Funktion zugesprochen werden, Rationalitätslücken und -grenzen bei der Entscheidungsfindung zu reduzieren.
„Organisationen und Evaluation stehen also in einem symbiotischen Verhältnis zueinander – die in Organisationen zu treffenden Entscheidungen erhalten durch Evaluation legitimatorischen Rückhalt, und Evaluation findet in Organisationen Adressaten, die an der praktischen Verwendung ihrer Ergebnisse interessiert sind.“ (Kuper 2005, 73)
2.3 Evaluation und Professionalität in der Sozialen Arbeit
Evaluation als Teil methodischen Handelns
Der Grundgedanke von Evaluation findet sich bruchlos in den Grundprinzipien professionellen Handelns wieder: Professionelles Handeln ist methodisch angeleitetes Handeln; dazu zählt die systematische Überprüfung der dem Handeln zugrunde liegenden Annahmen, der einzelnen Handlungsschritte