Werner Seim

Ingenieurholzbau


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die man bisher nicht zu den klassischen Holzbaunationen zählt.

      Bei einer solchen Innovationsgeschwindigkeit können normative Regeln zur Bemessung von Tragelementen und Verbindungen nicht immer Schritt halten. Sie müssen es auch nicht, wenn Ingenieurinnen und Ingenieure mit den allgemeinen Berechnungsmethoden gut vertraut sind und mit den Grundlagen, auf denen diese Methoden aufbauen. Auf dieser Basis können auch neue, auf den ersten Blick ungewohnte Regelungen zu einzelnen Produkten eingeordnet und sicher interpretiert werden. Und bereits beim Tragwerksentwurf können innovative Produkte für neuartige Lösungen vorgeschlagen werden.

      In diesem Sinn bilden im vorliegenden zweiten Band ,,Ingenieurholzbau – Vertiefung“ das erste Kapitel zu den theoretischen Grundlagen und das fünfte Kapitel zum Tragwerksentwurf eine Klammer für das zweite und dritte Kapitel, in denen Berechnungsmethoden für Tragelemente und Verbindungen vorgestellt und erläutert werden, welche im ersten Band ,,Ingenieur-Holzbau – Basiswissen“ keinen Platz mehr fanden. Wichtige Schwerpunktthemen sind Verbundbauteile sowie geklebte und formschlüssige Verbindungen. Ein eigenes Kapitel ist der Schwingungsberechnung und der Erdbebenbemessung gewidmet. Die einzelnen Kapitel sind inhaltlich eigenständig strukturiert. Man muss das Buch nicht von vorne nach hinten durcharbeiten, sondern kann, wenn man möchte, mit demjenigen Thema einsteigen, welches einen am meisten interessiert.

      Mein besonderer Dank gilt Johannes Hummel, der die Herausgabe der gedruckten Vorlesungsmanuskripte, auf denen dieser Band beruht, betreut und das vierte Kapitel mit verfasst hat.

      Kassel, im September 2021

       Werner Seim

      1

      Theoretische Grundlagen

      Es ist immer wieder erstaunlich, wie elegant und ökonomisch Holztragwerke konzipiert und umgesetzt werden können. Und das bei einem Werkstoff, der den Wachstumsbedingungen in der Natur unterliegt und dadurch erhebliche Unregelmäßigkeiten und ausgeprägte anisotrope Festigkeitseigenschaften aufweist. Die ingenieurtechnische Beherrschung dieser Besonderheiten erfolgt auf der Grundlage von ganz unterschiedlichen theoretischen Ansätzen. Diese stammen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und wurden für die Fragestellungen des Holzbaus adaptiert. Bei manchen Bemessungsregeln – so z. B. bei den sogenannten ,,Johansen- Formeln“ – sind diese Grundlagen gut nachvollziehbar. Andere normative Regelungen verwenden Formulierungen mit dimensionsgebundenen Beiwerten, deren Herleitung ohne aufwendige Recherche nicht mehr nachvollziehbar ist. In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten theoretischen Grundlagen, welche bei gewöhnlichen Bemessungsaufgaben im Holzbau eine Rolle spielen, erläutert und es wird die Anwendung mit Bezug zum jeweiligen Ingenieurmodell erklärt.

      (1.1)

      dann ist die Überlebenswahrscheinlichkeit:

      (1.2)

      Die Überlebenswahrscheinlichkeit des Stabes mit n Teilabschnitten ist das Produkt der Überlebenswahrscheinlichkeiten der einzelnen Abschnitte:

      (1.3)

      (1.4)

      Somit ergibt sich die Versagenswahrscheinlichkeit des Stabes zu

      (1.5)

      Da die Werte F(σ) sehr klein sind, kann der Ausdruck vereinfacht werden zu

      (1.6)