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aa) Von Geburt (§ 3 Nr 1 StAG) erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 S. 1 StAG). Das gilt seit 1.7.1993[42] auch, wenn die Eltern bei Geburt nicht verheiratet sind und nur der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt; in diesem Fall muss aber die Vaterschaft nach deutschem Recht wirksam anerkannt oder festgestellt sein, wobei vor Vollendung des 23. Lebensjahres des Kindes die Anerkennungserklärung abgegeben oder das Feststellungsverfahren eingeleitet worden sein muss (§ 4 Abs. 1 S. 2 StAG). Entgegen dem zu engen Wortlaut besteht nach ganz hM Wirksamkeit der Vaterschaftsfeststellung nach deutschem Recht auch dann, wenn die Vaterschaft nach einer gemäß dem deutschen IPR für maßgeblich erklärten Rechtsordnung wirksam besteht. Der Zweck der Begünstigung der Abstammungsfeststellung durch eine alternative Anknüpfung (Art. 19 Abs. 1) wird nur erreicht, wenn diese Feststellung gleichwertig ist, also alle Rechtsfolgen der Kindschaft – auch die Staatsangehörigkeit – vermittelt.
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bb) Zum 1.1.2000 wurden zwei Elemente des ius soli in das StAG eingefügt. Erwerbsbegrenzend wirkt § 4 Abs. 4 StAG:[43] Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit iure sanguinis findet nicht mehr von selbst statt, wenn das Kind im Ausland geboren wird und bereits der deutsche Elternteil nach dem 31.12.1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die zweite im Ausland geborene Auswanderergeneration nicht mehr typischerweise mit Deutschland verbunden ist. Dennoch iure sanguinis Deutscher wird das Kind auch in diesem Fall, wenn es sonst staatenlos würde oder wenn innerhalb eines Jahres Antrag auf Beurkundung der Geburt nach § 36 PStG im Geburtenregister gestellt wird was ein Minimum an Verbundenheit zu Deutschland dokumentiert. Sind beide Elternteile Deutsche, so müssen die ausschließenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 S. 1 StAG für beide vorliegen (§ 4 Abs. 4 S. 2 StAG), was sich von selbst versteht, weil jeder Elternteil allein dem Kind die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelt.
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Mehr praktische Bedeutung hat der neue Erwerbstatbestand in § 4 Abs. 3 StAG. Ein in Deutschland geborenes Kind (zweier Ausländer) erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit iure soli, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. Besitzt der Betreffende daneben eine andere Staatsangehörigkeit (außer der eines EU-Mitgliedstaats oder der Schweiz), so besteht nach § 29 StAG eine Optionspflicht nach Erreichen der Volljährigkeit: Die deutsche Staatsangehörigkeit geht verloren, wenn er erklärt, die ausländische Staatsangehörigkeit behalten zu wollen (§ 29 Abs. 2 StAG) oder wenn er auf Hinweis nicht innerhalb von zwei Jahren den Verlust der anderen Staatsangehörigkeit nachweist (§ 29 Abs. 3 StAG). Für Fälle der Unzumutbarkeit ist eine Beibehaltungsgenehmigung (deutsche StA neben einer ausländischen) vorgesehen (§ 4 Abs. 3, 4 StAG). Nach der Neufassung zum 21.12.2014[44] besteht diese Optionspflicht jedoch nur noch, wenn das Kind nicht in Deutschland aufgewachsen ist (§ 29 Abs. 1 Nr 2 StAG; Legaldefinition § 29 Abs. 1a StAG)
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Die Regelung ist nicht nur im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip problematisch, weil im Fall der Optionspflicht § 29 Abs. 3 S. 2 StAG den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes ohne Willen des Staatsangehörigen anordnet.
Kollisionsrechtlich ist die Regelung, die durch die Reform in 2014 sogar zu dauernder Doppelstaatigkeit bei Fehlen einer Optionspflicht führt, bedenklich: Sie führt vermehrt zu hinkenden Rechtsverhältnissen: Der Doppelstaater wird bis zu einem evtl. Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit kollisionsrechtlich als Deutscher behandelt (Art. 5 Abs. 1 S. 2). Der andere Heimatstaat wird ihn kollisionsrechtlich meist nach seinem Recht behandeln, soweit er das Personalstatut an die Staatsangehörigkeit anknüpft. So verhält es sich insbesondere mit den deutsch-türkischen Doppelstaatern, die unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG in Deutschland geboren sind. Gerade bei den hier Aufgewachsenen, die nach der Neuregelung keiner Optionspflicht unterliegen, wird diese hinkende Behandlung familienrechtlicher Verhältnisse perpetuiert. Hier rächt sich auf kollisionsrechtlicher Ebene der Irrglaube, Staatsangehörigkeit bewirke Integration. Staatsangehörigkeit kann und sollte Ausdruck erfolgter Integration sein; nur dann ist sie auch kollisionsrechtlich ein Maßstab der Interessenlage.
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cc) Seit 1.7.1998 (KindRG) kennt das deutsche Recht keine Legitimation und daher auch keinen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Legitimation mehr. An dessen Stelle ist der Erwerb durch Erklärung nach § 3 Nr 2, § 5 StAG getreten. Kinder eines deutschen Vaters, die vor dem 1.7.1993 nichtehelich geboren wurden und daher die deutsche Staatsangehörigkeit vom Vater nicht erwerben konnten, erwerben die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Erklärung, Deutscher werden zu wollen, wenn eine Vaterschaftsanerkennung oder -feststellung nach deutschem Recht vorliegt, das Kind seit drei Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und die Erklärung vor Vollendung des 23. Lebensjahres abgegeben wird.
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dd) Aufgrund einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Adoption durch einen Deutschen erwirbt das im Zeitpunkt des Annahmeantrages noch nicht 18-jährige Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr 3, § 6 StAG). § 6 StAG geht bei dem Begriff „Adoption“ von dem Adoptionsbegriff des deutschen Familienrechts aus. Problematisch ist die Anwendbarkeit von § 6 StAG auf eine wirksame Adoption nach ausländischem Recht:
Bei einer Adoption durch einen Deutschen vor einem deutschen Gericht ist nach Art. 22 meist ohnehin deutsches Adoptionsrecht anzuwenden.
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Adoptieren jedoch zB Ehegatten, von denen einer deutscher Staatsangehöriger ist und beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat haben, ein in Deutschland befindliches staatenloses oder Flüchtlingskind, so ist auf die Adoption nach Art. 22 Abs. 1 S. 2, Art. 14 Abs. 1 Nr 2 das gemeinsame Aufenthaltsrecht der Ehegatten anzuwenden, sofern keine Rück- oder Weiterverweisung erfolgt.
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Wirksam nach deutschen Gesetzen ist eine Adoption jedoch auch, wenn ein ausländisches Gericht sie ausgesprochen hat und sie nach deutschem Recht anzuerkennen ist (§§ 2 ff AdWirkG iVm § 108 FamFG). Ob diese Wirksamkeit für § 6 StAG genügt, ist fraglich. Da eine „Adoption“ in rechtsvergleichender Sicht ein Begriff mit unterschiedlichen rechtlichen Inhalten ist und eine Adoption im Ausland nicht notwendig eine Volladoption sein muss, wie sie das deutsche Familienrecht vorsieht, handelt es sich um ein Problem der Substitution (dazu Rn 548): Es ist zu prüfen, ob die wirksame ausländische Adoption die Stelle des Tatbestandsmerkmals „Adoption“ in § 6 StAG einnehmen kann. Das ist nur dann möglich, wenn diese Adoption familien- und erbrechtlich weitestgehend die gleichen Wirkungen erzeugt wie eine Adoption nach deutschem Recht. Wenn eine ausländische Adoption anerkannt wird, aber diese Wirkung zweifelhaft ist, wird daher in der Praxis empfohlen, die Adoption nach deutschem Recht in Deutschland nachzuholen, um den Erwerb der Staatsangehörigkeit (und andere Rechtsfolgen) sicherzustellen.
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ee) Die Einbürgerung eines Ausländers, der sich im Inland niedergelassen hat, bestimmt sich nach §§ 8 ff StAG. Grundsätzlich handelt es sich um eine Ermessenseinbürgerung, die grundsätzlich Handlungsfähigkeit, Fehlen von Vorstrafen, eigene Wohnung und die Fähigkeit, sich