Mike Wienbracke

Allgemeines Verwaltungsrecht


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1 S. 1 VwGO) geprüft, so kann hierauf nachfolgend (z.B. im Rahmen der Prüfung von § 35 S. 1 VwVfG) verwiesen werden.

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      Die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergehende Maßnahme muss nach § 35 S. 1 VwVfG ferner „hoheitlicher“ Natur sein.

      Hinweis

      Unternehmer U waren von der Behörde B für einen Zeitraum von zwei Jahren Beihilfen gewährt worden. Bei einer späteren Betriebsprüfung kam B zu dem Ergebnis, dass U einerseits für das erste Jahr Beihilfen i.H.v. 30 000 € zu viel erhalten hatte, ihm andererseits für das zweite Jahr weitere Beihilfen i.H.v. 80 000 € zustanden. Aufgrund dieses Prüfungsergebnisses forderte B von U per Bescheid einen Betrag i.H.v. 30 000 € zurück und bewilligte U in einem weiteren Bescheid einen Betrag i.H.v. 80 000 € nach. Zwecks Verfahrensvereinfachung setzte B diesen Betrag im Wege einer von ihr erklärten „Verrechnung“ von dem Rückforderungsbetrag i.H.v. 30 000 € ab und zahlte an U nur den Differenzbetrag i.H.v. 50 000 € aus. U ist der Auffassung, dass die von B erklärte Aufrechnung mit der von ihr behaupteten Gegenforderung unzulässig sei und erhebt daher Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Ist diese Klageart vorliegend statthaft?

      Nein. Nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die Anfechtungsklage nur dann statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt. Das ist in Bezug auf die von B erklärte Aufrechnung allerdings gerade nicht der Fall. Die Aufrechnungserklärung ist – ähnlich wie die Erfüllung einer Geldschuld durch Zahlung eines Geldbetrags – für sich allein noch kein Verwaltungsakt i.S.v. § 42 Abs. 1 VwGO sowie § 35 S. 1 VwVfG. Vielmehr handelt es sich bei der Aufrechnung um die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts und erfolgt in der Regel gem. §§ 387, 388 BGB durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung eines Schuldners, der zugleich der Gläubiger seines Gläubigers ist. Die Aufrechnungserklärung ist also eine Handlung, die der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit dient und dabei gleichzeitig die Befriedigung der eigenen Forderung bewirkt. Die Erklärung wird ohne Rücksicht darauf, ob die Aufrechnung seitens des Bürgers oder seitens der Behörde erfolgt und ob mit einer privatrechtlichen gegen eine öffentlich-rechtliche (§ 395 BGB), mit einer öffentlich-rechtlichen gegen eine privatrechtliche oder mit einer öffentlich-rechtlichen gegen eine öffentlich-rechtliche Forderung aufgerechnet wird, nicht aus einer hoheitlichen Position abgegeben. Sie ergeht damit ähnlich wie eine Willenserklärung, mit der ein öffentlich-rechtlicher Vertrag (Aufrechnungsvertrag) geschlossen wird, auf einer gleichgeordneten rechtlichen Ebene.

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      Die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffene hoheitliche Maßnahme muss gem. § 35 S. 1 VwVfG zudem von einer „Behörde“ vorgenommen worden sein, damit sie als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann.

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      Hinweis

      Zum anderen ist der Behördenbegriff auf die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben begrenzt, so dass Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung ebenfalls nicht unter § 35 S. 1 VwVfG fallen. Verfassungs-, prozess-, straf-, kirchen- und völkerrechtliche Tätigkeiten gehören zwar zum öffentlichen Recht, nicht aber zu dessen Teilbereich des Verwaltungsrechts und sind daher keine Verwaltungsakte. Aufgrund der funktionalen Definition des Behördenbegriffs in § 1 Abs. 4 VwVfG kann es allerdings durchaus vorkommen, dass auch Organe der Gesetzgebung sowie der Rechtsprechung einmal als „Behörde“ zu qualifizieren sind, nämlich dann, wenn sie im konkreten Fall Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (z.B. Erteilung eines Hausverbots durch den Präsidenten des Bundestags bzw. den Gerichtspräsidenten).

      JURIQ-Klausurtipp

      Über § 35 S. 1 VwVfG hinaus kann der Begriff „Behörde“ in der Klausurbearbeitung auch in folgenden Zusammenhängen relevant werden:

Zuständigkeit, vgl. § 3 VwVfG (Rn. 140 ff.);
Verwaltungsverfahren, siehe §§ 9 ff. VwVfG (