Interesse soll zudem dann vorliegen, wenn ein Regelbeispiel des § 300 S. 2 StGB erfüllt ist (Nr. 242a Abs. 2 RiStBV).
73
Strafantragsberechtigt ist nach allgemeinen Regeln der Verletzte (§ 77 Abs. 1 StGB). Die Verletzteneigenschaft bestimmt sich maßgeblich nach den Schutzzweckzusammenhängen (siehe Rn. 9 ff.). Antragsberechtigt sind daher – aber nur in der Wettbewerbsvariante – auch geschädigte Mitbewerber.[177] Der Kreis der Antragsberechtigten ist dabei richtigerweise eng zu ziehen und auf solche Mitbewerber zu beschränken, mit denen eine konkrete Wettbewerbssituation bestand, weil sie sich beispielsweise um einen konkreten Auftrag mitbeworben haben. Ein weitergehendes Verständnis ginge fehl und ließe die Verletzteneigenschaft regelrecht zerfasern. Vor dem Hintergrund des Strafantragsrecht für Verbände und Kammern (§ 301 Abs. 2 StGB; siehe Rn. 74) als „Sachwalter des Wettbewerbs“ ist ein derart extensives Verständnis auch nicht notwendig. Auch das anstellende oder beauftragende Unternehmen kann antragsberechtigt sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Täter auch diesem gegenüber pflichtwidrig gehandelt hat, was bei (Mit-)Verwirklichung der Geschäftsherrenvariante stets zu bejahen ist.[178] Das Antragsrecht steht dem zuständigen Vertreter des Unternehmens zu.[179] Eine tatbestandsausschließende Einwilligung (siehe dazu Rn. 42 ff.) beseitigt die Verletzteneigenschaft des Unternehmens.
74
In der Wettbewerbsvariante gewährt § 301 Abs. 2 StGB bestimmten Verbänden und Kammern (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 und 4 UWG) ein eigenes Strafantragsrecht. Neben den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern zählen dazu auch privatrechtliche Vereinigungen wie beispielsweise die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.
3. Strafprozessuale Besonderheiten
75
Bei Verdacht einer Straftat nach § 299 StGB, werden je nach Einzelfall vergleichsweise weitreichende strafprozessuale Ermittlungsbefugnisse ausgelöst. Unter den Voraussetzungen des § 300 S. 2 Nr. 2 StGB kann der Einsatz eines verdeckten Ermittlers zulässig sein (§ 110a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und 4 StPO). Unter bestimmten weiteren Voraussetzungen sind auch heimliche Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung möglich (vgl. § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. t StPO).
76
Auch ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft ist eine Verfolgung im Wege der Privatklage (§ 374 Abs. 1 Nr. 5a StPO) durch den Verletzten zulässig. Dabei sind auch die nach § 301 Abs. 2 StGB zur Strafantragstellung berechtigten Kammern und Verbände zur Privatklage befugt.
77
Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte richten sich nach den §§ 147, 385 Abs. 3, 406e, 427 Abs. 1, 428 Abs. 1 S. 2, 435 Abs. 3 S. 2, 438 Abs. 3, 439, 444 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, 474 ff. StPO. Das Unternehmen hat nicht nur in der Geschäftsherren-, sondern auch in der Wettbewerbsvariante regelmäßig ein Akteneinsichtsrecht.[180]
78
Finanz- und Strafverfolgungsbehörden haben bei Verdacht auf eine Straftat nach § 299 StGB wechselseitige Mitteilungspflichten (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG).
79
Ist angesichts der Strafdrohung (vgl. Rn. 64) das Hauptverfahren ausnahmsweise vor dem Landgericht zu eröffnen, ist dort die Wirtschaftsstrafkammer zuständig. Dies gilt auch für die Entscheidung über eine Berufung gegen das Urteil eines Schöffengerichts (§ 74c Abs. 1 Nr. 5a GVG). Hat – was mit Blick auf die Sanktionspraxis nicht selten sein wird – der Strafrichter in einem Strafverfahren wegen § 299 StGB entschieden, ist die allgemeine Strafkammer als Berufungsgericht zuständig, sofern nicht in der Geschäftsverteilung des Gerichts auch diese Berufungen der Wirtschaftskammer zugewiesen werden.[181]
V. Prävention und Compliance
80
Die geringen Fallzahlen in den Polizei- und Rechtspflegestatistiken (vgl. Rn. 1 ff.) dürfen nicht über die hohe Relevanz der Vorschrift für die Compliance-Praxis hinwegtäuschen.[182] Denn der Tatbestand des § 299 StGB ist von erheblichen Rechtsunsicherheiten durchzogen, was in der Compliance-Praxis vielfach zu einer sehr vorsichtigen und in der Tendenz überschießenden Umsetzung der aus § 299 StGB abgeleiteten Präventionsvorgaben führen dürfte. Auch die präventive Rechtsberatung wird durch diese Unsicherheiten vor immense Herausforderungen gestellt.[183] Denn kommt ein Gericht nachträglich zu einer abweichenden rechtlichen Einschätzung, sind die Voraussetzungen einer „Entlastung durch Rechtsrat“ nur schwer zu erfüllen (siehe dazu auch Rn. 55); auch dem Berater können im Einzelfall Strafbarkeitsrisiken drohen (§ 27 StGB).
81
Unternehmensverantwortliche können jedoch auf mehreren Ebenen Sanktionsrisiken für ihre Mitarbeiter, aber auch für ihr Unternehmen (vgl. Rn. 66 f.) durch Gestaltungsentscheidungen, interne Vorgaben und Richtlinien modellieren:
82
– | Unternehmen können durch die Rechtsformwahl Strafbarkeitsrisiken für sich und die für sie handelnden Organe erhöhen oder senken. So bestehen etwa für die Leitungsorgane einer GmbH oder einer AG jeweils andere Pflichtenrahmen, die sich zumindest auf eine Strafbarkeit in der Geschäftsherrenvariante auswirken können. So kann ein Gesellschafterbeschluss zwar regelmäßig den Fremdgeschäftsführer einer GmbH, nicht aber den Vorstand einer AG entlasten. Strafbarkeitsvermeidend kann insbesondere die Rechtsform eines wenig regulierten Vereins sein.[184] |
83
– | Allgemeinverbindliche unternehmensinterne Richtlinien können die Strafbarkeitsrisiken für die Angestellten und Beauftragten eines Unternehmens verändern. Zu denken ist hier etwa an Einkaufsrichtlinien, die ab bestimmten Wertgrenzen die Einholung mehrerer Angebote vorsehen. Durch unternehmensinterne Vorgaben kann ferner eine generelle Billigung bestimmter Geschäftspraktiken – z.B. der Teilnahme an Kundenbindungsprogrammen (siehe dazu Rn. 59) – erklärt und so; das Strafbarkeitsrisiko reduziert werden. Die unternehmensinterne Festsetzung von Geringfügigkeitsschwellen für gewährte Vorteile bestimmt zwar nicht verbindlich über die Sozialadäquanz, gibt aber doch wenigstens einen Hinweis auf unternehmens- und branchenübliche Schwellenwerte und kann die internen Pflichten von Angestellten definieren. Denkbar ist es schließlich, zur Einzelfallsteuerung von Angestelltenstrafbarkeiten die „vollendete“ Verwirklichung einer Pflichtverletzung von einer Genehmigungsversagung abhängig zu machen (siehe dazu aber Rn. 46).[185] |
84
– |
Multilaterale Compliance-Vereinbarungen in Geschäftsbeziehungen schließen aus, dass vorsatzrelevante Fehlvorstellungen über die Pflichtenlagen oder das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung im Unternehmen eines Verhandlungspartners entstehen (vgl. Rn.
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