Sekunde eher schussbereit.
Keaton ergriff Mac an den Schultern, rollte ihn herum, sprang auf die Füße und hievte Macs einen Meter neunzig und einhundertfünfzehn Kilogramm reine Muskelmasse dabei mit sich.
»Du verd…« Macs Worte erstarben, als sein Körper zuckte und von den Salven, die Keaton gegolten hatten, rosa und lila eingefärbt wurde.
Keaton schwang seine Waffe nach oben, unter Macs Achsel, zielte, feuerte und setzte Jordan Spinelli und David Porco außer Gefecht.
Zwei weg, einer übrig.
Keaton duckte sich an Grizz vorbei und pflasterte dessen Front mit Farbkugeln, sodass sie zur Rückseite passte. Nicht ein Spritzer landete dabei auf Keaton.
Geschützt von Grizz’ großem Körper, eröffnete er das Feuer auf seinen letzten Gegner in der Runde. Russel ›Rusty‹ Hook, eigentlich ein perfekter Schütze, ging zu Boden. Keaton senkte die Waffe jedoch nicht.
»Ergebt euch!«
»Niemals!«, riefen die fünf Männer im Chor. »Aufgeben gehört nicht zum Wortschatz der Ranger.« Sie alle lachten, als sie gemeinsam das Ranger Credo aufsagten.
Keaton senkte die Waffe. Er ging zu Mac und half ihm hoch. Ein weiterer Teil des Glaubensbekenntnisses. Niemals einen gestürzten Kameraden zurücklassen. Unter keinen Umständen.
Keaton schlug Spinelli auf den Rücken und erntete dafür rosa und lila Farbe.
»Ich sagte dir doch, dass er Augen im Hinterkopf hat«, sagte Porco.
»Mach dich nicht lächerlich«, erwiderte Keaton. »Ich habe den Dreihundertsechzig-Grad-Blick. Wie ein Habicht.«
»Du meinst eine Eule«, korrigierte Grizz. Der Mann war der starke, stille Typ Mann, dessentwegen Frauen in Ohnmacht fielen. Man traf ihn häufig mit einem alten Gedichtband in der Hand an. Das Verrückteste war allerdings, dass er Worträtsel liebte.
»Dann bin ich eine Supereule«, konterte Keaton. »Wie auch immer. Ich denke, wir konnten heute alle etwas lernen.«
Fünfstimmiges Stöhnen vereinigte sich mit dem Zirpen der Grillen und dem Vogelsang des Waldes. Keaton glaubte zu hören, wie der Sicherheitshebel an einem Gewehr umgelegt wurde.
»Das hier sollte ein Ausflug zur Entspannung sein, inmitten deines wahnsinnigen Arbeitsplans.«
»Schieb es nicht auf den Plan«, sagte Keaton. »Der Plan ist unser Ticket weg von Bürojobs.«
Viele Ranger arbeiteten nach ihrem Militärdienst bei Geheimdiensten oder Top-level Sicherheitsfirmen. Keiner seiner Leute wollte jedoch in den Innendienst. Sie sehnten sich alle danach, draußen in der Natur zu sein und sich die Zeit frei einteilen zu können. Sie konnten noch einiges an Action bieten. Sie hatten bloß nicht mehr den Wunsch, durch die Welt zu reisen und echten Kugeln ausweichen zu müssen.
»Während wir das weltbeste Trainingscamp errichten, werden wir uns mit unerwarteten Hindernissen rumschlagen«, sagte Keaton. »Aber wir werden für alles bereit sein, denn wir haben einen Plan.«
»Ist das so?«, fragte Rusty scheinheilig. »Dann sei bereit für das hier.«
Keaton wich der Farbkugel aus. Sie erwischte ihn am Unterarm, doch das zählte nicht als direkter Treffer.
Rusty verdrehte die Augen.
»Wie ein Habicht«, grinste Keaton.
»Eine Eule«, korrigierte Grizz geduldig.
Keaton zuckte mit den Schultern.
»Bist du dir bezüglich des Ortes sicher?«, fragte Grizz. »Die Purple Heart Ranch in Montana?«
»Ich habe von dort ein paar verrückte Dinge gehört«, warf Spinelli ein.
Keaton kannte diese Gerüchte ebenfalls. Soldaten gingen dorthin, um ihre in Kampfeinsätzen erlittenen Wunden auszukurieren. Doch alle waren innerhalb von weniger als drei Monaten vor dem Traualtar gelandet und hatten den Wunsch, jemals wieder diesen Ort zu verlassen, verloren. Es war wie eine Art Kult. Doch Keaton kannte den Leiter der Ranch und wusste, dass er ein erstklassiger Soldat und ein grundanständiger Kerl war.
Der Weg zum Traualtar war kein Pfad, den Keaton zu beschreiten gedachte. Erst einmal würde er seinem Fünfjahresplan folgen, bevor er auch nur einen Gedanken ans Heiraten verschwenden würde.
»Wir leben nicht auf diesem Land, also betreffen uns diese Regeln oder der Aberglaube nicht«, versicherte er seinen Männern. »Unsere Kunden werden höchstens sechs Wochen im Camp bleiben, viel kürzer als deren Dreimonatsregel.«
Offenbar existierte eine merkwürdige Bebauungs- und Nutzungsordnung. Laut dieser Vorschrift durfte ein Soldat nur dann auf dem Land der Purple Heart Ranch leben, wenn er innerhalb von drei Monaten heiratete, ansonsten musste er schleunigst von dort verschwinden. Das war mit Sicherheit hinterwäldlerisch. Doch Keaton und seine Männer brauchten Land in einer so abgelegenen Gegend, um ihren State of the Art Parcours und die entsprechenden Anlagen zu errichten.
»Gut«, sagte Grizz. »Mythos oder Nutzungsverordnung hin oder her, ich habe nicht die Absicht, zu heiraten.«
Zustimmendes Gemurmel erklang. Außer von Mac und Rusty. Mac hatte einer Frau einen Ring angeboten, den sie mehr als einmal zurückgewiesen hatte, und Rustys Scheidungspapiere lagen bereits in dessen Seesack, mit nur einer Unterschrift darauf. Es war jedoch nicht Rustys.
»Wir sollten uns umziehen und uns auf den Weg machen«, sagte Keaton. »Wir haben eine Menge Arbeit vor uns und wenig Zeit dafür. Am Rande einer Reh-Ranch zu leben und uns auf unsere ersten Kunden vorzubereiten, wird uns alle auf Trab halten. Da bleibt keine Zeit für Beziehungen.«
»Mach mal langsam«, sagte Porco und hob die Hände, als wollte er sich ergeben. »Schreib Verabredungen wieder in den Plan rein. Die Frauen auf der Ranch brauchen in ihrem Leben eine ganze Ladung von mir.«
Schüsse fielen als Antwort. Porco erntete einen ganzen Hagel Farbkugeln für den Kommentar.
Keaton nutzte den seltenen Moment, in dem die Aufmerksamkeit von ihm abgelenkt war, um sich zu entspannen. Er lachte mit seinen Waffenbrüdern und über ihre Eskapaden.
Sein Entschluss stand fest. Mit der Menge an Arbeit, die in den nächsten drei Monaten auf sie zukam, hatte keiner von ihnen, am wenigsten er selbst, Zeit für Verabredungen. Für die nächsten fünf Jahre würde die Trainingseinrichtung sein Schatz sein, lange bevor er überhaupt nach einer Frau suchen würde.
Das war der Plan.
Kapitel Zwei
Angebratenes Rindfleisch roch anders, wenn besagtes Tier noch am Leben war und nicht in kleine Stücke zerhackt in der Pfanne brutzelte. Brenda Vance trat ein paar Schritte zurück. Sie vermied die Hinterläufe des Bullen, war aber nicht schnell genug, um dem berstenden Holz auszuweichen. Die Planke des Zauns zersplitterte. Bruchstücke erwischten sie seitlich an der Stirn. Blut mischte sich mit Schweiß und lief ihr ins Auge. Ihr gemurmelter Fluch ließ die drei Rancharbeiter zusammenzucken. Es sollten allerdings alle vier zusammenzucken. Es war deren Schuld, dass das Tier nicht richtig gesichert gewesen war.
»Alles okay, Missy?«, ertönte die kiesige, vom Tabakkonsum verätzte Stimme des vierten und ältesten Rancharbeiters. Manuel Bautista war etwa zu der Zeit auf die Ranch gekommen, als Brenda ihre ersten Schritte gemacht hatte, noch bevor sie ein Jahr alt gewesen war. Genauso wie sie, kannte Manuel Bautista diesen Ort in- und auswendig. Doch im Gegensatz zu ihr hatte er hier nicht das Sagen.
Brenda biss sich auf die Zunge, bevor ihr ein weiterer Fluch entwischte. Ihr Bruder war Pastor, gab ihr aber deswegen keinen Freifahrtschein fürs nächste Leben.
»Nenn’ mich nicht Missy«, fuhr sie ihn an und wischte sich das Blut und den Schweiß mit dem Ärmel des abgetragenen Flanellhemdes ab. Eine nicht sonderlich dezente Duftwolke wehte ihr unangenehm entgegen und zeugte von der harten körperlichen Arbeit des heutigen Tages. Sie blickte auf. Die Hände von Zweien ihrer Rancharbeiter