Hubert Niedermayr

Exit Covid!


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behoben. Zu diesem Zeitpunkt sind im deutschsprachigen Raum ausreichend Impfstoffe zur Verfügung gestanden. Sämtliche Impfstoffe sind grundsätzlich allen erwachsenen Personen offen gestanden. Eine Wahlfreiheit, welchen Impfstoff man individuell bekommen möchte, hat es jedoch anfangs nicht gegeben.

      Die Risiken der Impfung sind, soweit dies bislang abgeschätzt werden kann, gering. Weltweit sind schon Milliarden von Menschen geimpft worden. Bekannte Impfreaktionen, wie diese bei jeder Impfung und naturgemäß bei jeder Injektion auftreten können, sind auch bekannt geworden. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schmerzen im Injektionsbereich, teilweise – abhängig vom verwendeten Impfstoff – auch stärkere Symptome, die eine ein- oder auch mehrtägige Ruhephase erforderlich gemacht haben. In Einzelfällen sind Thrombosen und schwerwiegende Komplikationen berichtet worden, wobei ein Nachweis der Kausalität noch aussteht.41 Kausalität bedeutet, dass eine Reaktion tatsächlich nachgewiesener Weise auf einen konkreten Umstand zurückzuführen ist. Es müsste daher, um den Kausalitätsnachweis führen zu können, ausgeschlossen werden, dass eine andere Ursache gegeben ist. Dies fällt angesichts des Beobachtungspools von jedenfalls Millionen Menschen sehr schwer: Auch schwerwiegende Erkrankungen treten in einer derart riesigen Gruppe tausendfach auf. Es ist durchaus möglich, dass es sich bei solchen Erscheinungen um bloße Korrelationen – die zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung auftreten – handelt.

      Dass Impfungen gegen Covid-19 sinnvoll sind, wird wissenschaftlich jedoch nicht mehr bestritten. Die Risiken einer Erkrankung und deren Folgen, die von schweren Verläufen bis zum Tod und selbst bei leichten zu dauerhaften Schädigungen (Long Covid) führen können, überwiegen die Impfrisiken bei Weitem.42

      Mit Stand Beginn des zweiten Halbjahres 2021 sind in Deutschland knapp fünfzig Millionen Personen geimpft worden, der Anteil der Zweitimpfung beträgt knapp über 35 Millionen. Dies entspricht einem gesamten Bevölkerungsanteil von knapp sechzig beziehungsweise 45 Prozent.43 In Österreich sind zu diesem Zeitpunkt rund neun Millionen Dosen verimpft worden, vier Millionen Personen sind vollimmunisiert. Die Quote beträgt hier rund zwei Drittel beziehungsweise ebenso 45 Prozent.44 Die Impfquote ist bis September 2021 auf knapp 65 Prozent Erstimpfungsanteil und sechzig Prozent Vollimmunisierung in Deutschland45 beziehungsweise 62 Prozent und 58 Prozent in Österreich46 gestiegen.

      In den letzten Wochen hat die Impfbereitschaft massiv abgenommen. Es wird vermutet, dass dies mit einer gewissen mentalen Erschöpfung durch das monatelange Pandemiegeschehen, der Sehnsucht nach einem gewohnten Alltag wie aus präpandemischen Zeiten bekannt, vor allem aber mit der steil abfallenden Infektionsrate mit Sommerbeginn und den diesbezüglichen Urlaubsreisen zusammenhängen dürfte. Die nun bestimmende Delta-Variante erweist sich jedoch als Treiberin eines abermalig ansteigenden Infektionsgeschehens. Wir dürften uns am Beginn der Vierten Welle befinden, die im Herbst 2021 voll wirksam werden dürfte.47

      Impfpflicht?

      Eine Impfpflicht im Zusammenhang mit Covid-19 hat zuletzt Frankreich eingeführt. Eine solche besteht für Mitarbeiter*innen von Krankenanstalten und im Alten- und Pflegebereich. Auch für Griechenland sind derartige Vorgaben vorgesehen.48 In Deutschland und Österreich ist dies bis auf Weiteres derzeit nicht der Fall. Der Präsident des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery hat die diesbezügliche Zurückhaltung scharf kritisiert und festgehalten, letzten Endes müsse man bei nicht ausreichender Impfbereitschaft über eine Pflicht zu dieser nicht nur diskutieren, sondern eine solche auch einführen.49

      Rechtlich wäre die Verankerung einer Impfpflicht problemlos möglich. Dies schon aufgrund der europarechtlichen Vorgaben: Zuletzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich im Zusammenhang mit einer solchen Verpflichtung ausgesprochen, dass Strafen für Impfversäumnisse nicht als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention anzusehen sind. Diese regelt den übergeordneten Rechtsrahmen für deren Mitglieder, wozu auch Deutschland und Österreich zählen. Sie gibt Grundrechte vor, die von den Staaten unter allen Umständen beachtet werden müssen. Tschechien hatte eine Impfpflicht gegen bekannte Kinderkrankheiten wie Masern und Mumps vorgesehen. Dagegen drohen Geldbußen. Gegen diese Verpflichtung hatten Eltern beziehungsweise betroffene Kinder selbst den Weg zum Gerichtshof beschritten.

      Unzweifelhaft, so das Europäische Höchstgericht, ist eine Pflichtimpfung ein Eingriff in das Recht auf Privatleben. Dieses ist in Art. 8 MRK als besonders schützenswert vorgesehen. Solche Eingriffe durch Impfungen sind jedoch hinzunehmen, wenn übergeordnete Interessen bestehen. Will man Kinder vor schwerwiegenden Krankheiten schützen, entspricht dies einem übergeordneten allgemeinen Interesse, damit sei ja den Kindern selbst wie auch der Gesellschaft bestmöglich gedient. Eine derartige Verpflichtung ist daher rechtlich zulässig.50

      Gesetzlich könnte diese daher, wenn der entsprechende politische Wille in den Parlamenten bestünde, jederzeit durchsetzbar umgesetzt werden. Covid-19 ist eine schwere Erkrankung mit drohenden dramatischen bis tödlichen Folgen. Nur eine Herdenimmunität, die auf absehbare Zeit ausschließlich durch weitreichende Impfung einer großen Bevölkerungsanzahl hergestellt werden kann, kann vor dieser Krankheit schützen. Diese Motivation könnte auf Basis der dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Rechtfertigung einer Impfpflicht dienen.

      Derzeit ist jedoch kein überwiegender politischer Wille für eine solche Maßnahme abzusehen, im Gegenteil: Die maßgeblichen Repräsentant*innen von Regierung und Parlament haben sich mehrfach ausdrücklich dagegen ausgesprochen.51

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