Franz Alt

Nach Corona – Unsere Zukunft neu gestalten


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vielen Reden zur Abrüstung, die seit Jahrzehnten vor der UNO gehalten werden.

      Hinzu kommt: Nach großen Erfolgen bei der Abrüstung der Atomwaffen in den Neunzigern stehen wir heute vor einem erneuten atomaren Wettrüsten und damit vor der Gefahr eines Atomkriegs.

      Doch es gab und gibt auch Lichtblicke und Hoffnungszeichen für eine bessere Zukunft:

       Am 7. Juli 2017 haben 123 Staaten in der UNO den Atomwaffen-Verbots-Vertrag beschlossen. Er trat am 22. Januar 2021 in Kraft, nachdem ihn 50 Staaten ratifiziert haben. Das ist ein großer Erfolg für die Friedensbewegung und ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Welt ohne Atomwaffen, das bisher deutlichste Zeichen für eine atomwaffenfreie Welt. Ein Sieg für die Menschheit.

       Seit dem Jahr 2000 hat sich der Solarstrom global mehr als ver-120-facht und der Windstrom ver-80-facht. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der erneuerbaren Energien. Das könnte der konstruktive Beitrag für den Rettungsprozess sein.

       In Deutschland wurden zur Jahrtausendwende etwa fünf Prozent Ökostrom produziert, heute über 50 Prozent.

       Selbst unter dem Klimaleugner Donald Trump, der Kohle, Öl und Fracking-Gas favorisierte, ist in den Jahren 2016 bis 2020 die Solarenergie in den Vereinigten Staaten etwa 5-mal schneller gewachsen als die US-Wirtschaft im selben Zeitraum. Warum? Weil die Menschen es so wollten und selbst organisierten. Das ist »Unsere Zukunft neu gestalten« ganz konkret und praktisch.

       Die Unternehmensberatung McKinsey hat errechnet, dass durch die Energiewende bis 2050 in der EU sechs Millionen Jobs wegfallen, aber elf Millionen neue Jobs hinzukommen.

       Seit Ende 2020 gibt es endlich Hoffnung für den Klimaschutz: Der Fantasterei völlig unverdächtige Regierungen haben innerhalb weniger Monate bekannt gegeben, dass sie bis zur Mitte des Jahrhunderts »klimaneutral« werden wollen: China, Südkorea, Japan und nach Bidens Sieg auch die USA. Die EU hat sich mit dem Green Deal diesem Ziel schon 2019 verschrieben. Damit haben sich immerhin zwei Drittel der Weltwirtschaft zum effektiven Schutz des Weltklimas entschieden. Vielleicht ist 2021 das Wendejahr, um beim Klimaschutz gerade noch die Kurve zu kriegen. »Die Zeit« dazu: »Zukunft passiert nicht, sie wird gemacht.« Klimaneutralität meint: Weniger Treibhausgase emittieren, mehr zurückholen. Immer mehr Firmen werben mit klimaneutralen Produkten. Die Klimawissenschaft sagt uns freilich: Um noch das Schlimmste zu verhindern, müssen sich alle komplett von fossilen Rohstoffen verabschieden, und zwar bereits spätestens zwischen 2035 und 2040. Nie gab es so viele ökonomische Anreize, in die richtige ökologische Richtung zu denken, zu handeln und zu investieren. Es ist bereits erwiesen, dass ein höherer CO2-Preis verhindert, dass wir weiterhin die Atmosphäre als Müllkippe missbrauchen. Das ist ein Grund zur Hoffnung. Die Chance ist groß, dass die Zwanzigerjahre unseres Jahrhunderts das Jahrzehnt der erneuerbaren Energien werden. Donald Trumps Plan, das Pariser Klimaabkommen kaputt zu machen, ist krachend gescheitert.

       14 Länder – darunter wichtige maritime Nationen, wie Japan, Kanada, Australien, Norwegen, Kenia, Chile und Indonesien, aber auch kleine Inselstaaten, wie Fidschi und Palau – haben beschlossen, bis 2025 eine zu 100 Prozent nachhaltige Bewirtschaftung der Meere vor ihren Küsten zu erreichen. Nur wenn es gelingt, die Erwärmung bei 1,5 Grad gegenüber 1880 zu stoppen, können diese Ziele auch erreicht werden. Zudem will diese »G14«, dass künftig mindestens 30 Prozent der gesamten Meeresfläche unter Schutz gestellt wird. Das heißt, dass hier zum Schutz der Meeresumwelt Bergbau und andere Formen der Ausbeutung von Ressourcen verboten sind. Meere zu schützen, zahlt sich langfristig ökonomisch und ökologisch aus. Bisher sterben weltweit die Korallen. Doch sie sind die Baumeister am Meeresgrund. Ausgedehnte Reservate können das Artensterben und die Klimaerhitzung bekämpfen.

       Corona hat unerträglich überlaute Lärmmaschinen beseitigt: die viel zu vielen Flugzeuge am Himmel. Die Zahl der Flugreisenden ging 2020 global um zwei Drittel zurück.

       Der Abstand zwischen Europa und Afrika wird kleiner. Die Lebenserwartung steigt, die Sterblichkeitsrate von afrikanischen Müttern und Kindern sinkt. Es entstehen mehr innerafrikanische Handelsbeziehungen. Die afrikanische Mittelschicht wächst. Europäische Medien befassen sich zu wenig mit den positiven Veränderungen in Afrika. Afrika kam mit seinen langen Pandemie-Erfahrungen besser durch die Corona-Krise als Europa. »Europa hätte von Afrika lernen können«, sagt die frühere Ministerpräsidentin von Senegal, Aminata Touré, dem »Spiegel«.

       Äthiopien hat im Jahr 2019 innerhalb von zwölf Stunden 345 Millionen Bäume gepflanzt. Davon inspiriert und von der kenianischen Umweltpolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Muta Maathai beeindruckt, gründete der damals neunjährige Felix Finkbeiner die Kinder- und Jugendorganisation »Plant-for-the-Planet«; sie hat in den letzten zwölf Jahren über sechs Millionen Bäume gepflanzt (s. S. 150 ff.). Ihr Ziel: 1000 Milliarden Bäume pflanzen! Wir können »Eine Kultur der Freude bauen« (Rony Lüthi).

       Eine kleine kirchliche Jugendorganisation in Kenia hat, finanziell unterstützt von einer bayerischen Kirchengemeinde, eine Million Bäume gepflanzt. Der Organisator, Engelbert Groß, ein deutscher Theologie-Professor, schrieb über das Ergebnis: »Die Gegend war durch enorme Waldrodungen zur Halbwüste geworden. In den Jahren zwischen 1985 und 1997 haben wir eine Million Bäume gepflanzt. Heute sind die Bäume groß gewachsen und haben ein dichtes Blätterwerk. Das Klima in der Region hat sich durch den neuen Bewuchs verändert. Es gibt mehr Regen, die Flüsse führen mehr Wasser, die Ernten sind ertragreicher. Die Einkommen der Menschen sind gestiegen. Früher gab es in dieser Gegend eine weiterführende Schule. Heute gibt es sechs davon … Unsere Bäume gedeihen prächtig. Sie dienen nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren. Sie spenden Schatten, und in der Trockenzeit können die Blätter an die Ziegen, Schafe und Kühe verfüttert werden.« Solche Beispiele können wir millionenfach wiederholen.

       Im Januar 2021 beschlossen 50 Staaten auf dem »One Planet Summit« in Paris, Afrika dabei zu helfen, eine »große grüne Mauer« in der Sahelzone zu errichten, eine Wand aus Milliarden Bäumen vom westafrikanischen Senegal bis zum ostafrikanischen Dschibuti aufzuforsten, ein 15 Kilometer breiter und 8000 Kilometer langer Wald.

       Zugleich wurde beschlossen, bis zum Jahr 2030 dreißig Prozent der Land- und Meeresfläche unseres Planeten unter Schutz zu stellen.

       Afrika und die Sonne! Unser südlicher Nachbar kann ein Kontinent der Hoffnung werden. Deshalb habe ich in einem »Offenen Brief an Papst Franziskus und an die Bischöfe aller Konfessionen« vorgeschlagen s. S. 280), dass sich die Kirchen und alle Weltreligionen an die Spitze einer weltweiten Aufforstungs-Aktion stellen. Kein Netzwerk ist weltweit so gut aufgestellt wie das der Kirchen. Wälder sind die Zierde der Erde. Sie bieten ein Obdach für Kriechtiere und Vögel, für Insekten und Menschen und Nahrung in Hülle und Fülle.

       Die ganz große Hoffnung für die Zukunft heißt »Fridays for Future«. Weltweit treibt die Ignoranz der Alten eine ganze Generation auf die Straße.

       Die G20-Staaten einigten sich auf die gerechte Verteilung des knappen Impfstoffs gegen Corona – auch an die armen Länder des Südens.

       Der Verkauf von Elektro-Autos ist in Deutschland von 2019 auf 2020 um mehr als das Doppelte gestiegen, der Verkauf von Diesel- und Benzin-Autos um 44 Prozent zurückgegangen. Erstmals werden in der EU mehr E-Autos gekauft als Diesel. Noch einige Jahre zuvor war die Antwort der deutschen Autowirtschaft auf die Zukunft des Autos: Diesel-Manipulation statt Innovation. In Norwegen fahren im Jahr 2020 bereits 60 Prozent aller neu gekauften Autos elektrisch.

       Die Regierung des klassischen Kohle-Landes England hat beschlossen, bis 2025 komplett aus der Kohle auszusteigen und ab 2030 keine Benzin-Autos mehr produzieren zu lassen. Englands Premierminister Boris Johnson kündigte am 8. Dezember 2020, am fünften Jahrestag des Pariser Klimaschutzabkommens an, sein Land werde die Treibhausgase »schneller als jede andere führende Wirtschaft der Welt reduzieren. Damit übernehmen wir heute die weltweite Führung.« Seine Regierung strebe an, die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um mindestens 68 Prozent zu verringern. Bislang waren 57 Prozent Reduktion vorgesehen.

       Corona hat die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Doch viele Unternehmer glauben, dass sie ihre Marktposition gehalten oder sogar verbessert haben