Nachdenklich rührte sie in ihrem Tee, nippte jedoch nicht einmal daran. »Zum Glück ist alles schnell über die Bühne gegangen. Eine amtliche Untersuchung hätte ich nicht ertragen, du etwa? Die sind so lästig.«
Ich blinzelte sie nur an. »Warum hätte es eine Untersuchung geben sollen?«, fragte ich vollkommen unschuldig.
Sie stieß ein flattriges Seufzen aus. »Ach, es gibt doch immer irgendeinen Nachbarn, der sich einmischen muss – natürlich meine ich damit nicht euch!«
Ich beäugte sie skeptisch. Priscilla hatte alles, was man von einer guten Mordverdächtigen erwarten konnte, vorausgesetzt, sie hatte kein Alibi.
»Sie haben Redgraves geerbt? Wo waren Sie Dienstagnacht?«
»Was für Fragen!« Sie lachte laut. »Ja, Officer, ich habe Redgraves geerbt – oder werde es, sobald das Testament verlesen wird –, und als Tantchen starb, war ich in meiner Pension in der Stadt.«
Nickend ließ ich die Beine unterm Tisch baumeln, sodass die Lilien schaukelten und ihren Blütenstaub auf der Tischdecke verteilten. Plötzlich hatte ich einen Geistesblitz. »Dürfte ich eine davon haben, als Erinnerung an Miss Wodehouse?«
Priscilla zuckte mit den Schultern. »Nimm alle. Ich finde sie scheußlich.«
Als ich ihren Fängen endlich entkam, schleppte ich die Vase mit Miss Wodehouses letzten Lilien nach Hause. Köchin geriet über die Blumen völlig aus dem Häuschen und wollte sie auf den Esstisch stellen, damit unsere Gäste sie bewundern könnten.
»Das sind Beweisstücke«, murmelte ich durch das Grünzeug und brachte die Lilien nach oben, wo ich mich an die Arbeit machte. Ich stellte die Vase auf die Arbeitsplatte neben das Mikroskop und begann mit meinen Ermittlungen, indem ich die Blumen mit der Lupe betrachtete und Objektträger mit Proben der Pflanze vorbereitete. Die tieforangen Blütenblätter, die für das nackte Auge glatt und gummiartig aussahen, waren eigentlich mit kurzen haarigen Häkchen besetzt. An der Narbe, die wie eine lange dünne Zunge aus dem Mittelpunkt der Blume ragte, klebte eine grünliche Flüssigkeit. Die Blüten hatten sich so weit geöffnet, dass sie sich umgestülpt hatten, und in alle Richtungen ragten kugelförmige Knospen. Was konnte mir diese Pflanze über den Mord an Miss Wodehouse verraten?
Ich hatte keine Ahnung.
Als Miss Judson kam, um mich zum Abendessen nach unten zu holen, hielt sie vor dem letzten wertvollen Überbleibsel aus Miss Wodehouses unbezahlbarer Sammlung andächtig inne. Ich erklärte ihr meine neueste Redgraves-Mission, einschließlich meiner wenig erhellenden Unterhaltung mit Mr Hamm. »Die Nichte hat mir die hier geschenkt«, schloss ich ab. »Priscilla. Sie fand sie hässlich.«
»Hmm. Das finde ich nicht, aber ich räume ein, dass sie etwas gewöhnungsbedürftig sein könnten.« Sie wickelte sich ein Blütenblatt um den Finger. »Hast du sonst noch etwas herausgefunden?«
Ich verzog das Gesicht. »Nicht wirklich. Sie ist ziemlich komisch.«
Miss Judson wartete. »Deiner Einschätzung nach sind viele Menschen ›komisch‹.«
»Oh, Sie würden das sicher genauso sehen. Sie hat sich Sorgen gemacht, dass es eine amtliche Untersuchung geben könnte, weil die so lästig sind.«
»Aha, wie viele hat sie denn schon erlebt?«
Ich blickte zu Miss Judson auf. »Genau das frage ich mich auch!«
13Mr Hamm stammte aus Yorkshire, wo man eine Sprache spricht, die nicht wirklich Englisch ist.
14Auch als L. tigrinum klassifiziert; Miss Wodehouse hatte zu den Wissenschaftlern gehört, die erkannt hatten, dass es sich bei diesen beiden eigentlich um dieselbe Art handelte.
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