Brause auf den Tisch und meine Großmutter legte ihr die Karten, um herauszufinden, ob die Totenernte ertragreich sein würde. Die Leichenfrau kannte die Leute, die auf den Tod warteten, und wenn sie bei ihr auf den Schragen lagen, wußte sie ihre Geschichten und woran sie gestorben waren. Dann schaute sich meine Großmutter die Gesichter an, drückte ihnen die Nasen und hielt einen kleinen Spiegel vor die Münder.
»Der hat’s schwer gehabt«, sagte sie.
»Lang hat der gebraucht«, sagte die Leichenfrau, »bis er hat loslassen können.«
An diesem Tag aber war es anders als sonst.
»Du darfst es keinem sagen«, sagte die Leichenfrau. »Auch deiner Mama nicht. Sonst darfst du nicht mehr kommen. Sonst kriegst keine Brause mehr und keine Plätzchen auch nicht.«
»Nein«, sagte ich.
Sie legte mir Plätzchen auf einen Teller, die einen Schokoladenguß hatten.
»Die sind noch besser als die anderen«, sagte sie, »greif zu! Aber wenn du was erzählst, kommt der Pfarrer und dann –«
»Er sagt nichts«, meinte meine Großmutter.
»Einem Kind rutscht schnell was raus.«
Ich überlegte, was aus mir rausrutschen könnte. Aber da faßte sie mich an der Hand und ihre Stimme war ganz eindringlich: »Die Toten tun keinem was und ich hab ihn mit Essigwasser gewaschen und als er gelebt hat, war er ein sauberer Mann, ein Lehrer, aber die Kinder haben ihn trotzdem gemocht.«
Ich hatte keine Angst, denn die Leichenfrau war freundlich. Sie steckte sich Schokoladenplätzchen in die Schürzentasche, für danach. Sie hatte Augen wie eine Eule und damit ich lachte, klapperte sie mit dem Gebiß. Das machte klackklackklack. Das Messer in der Milchkanne meiner Großmutter machte auch klackklack. Dann machte die Leichenfrau wieder klackklackklack. Wir gingen ein Stück am See entlang. Als ein Mann mit Stiefeln, die bis zum Bauch reichten, einen Fisch an der Leine hatte, sagte sie: »Schau, was für einen großen Fisch der hat.« Im Leichenhaus roch es nach Blumen und der Tote sah aus, als würde er schlafen. Er hatte graue Haare und ein bleiches Gesicht mit roten Wangen und roten Lippen. Seine Augen waren geschlossen und um die gefalteten Hände hatte er einen Rosenkranz mit einem Silberkreuzchen gebunden. Ein weißes Tuch war über ihn gebreitet und neben den Schragen standen Eimer mit Blumen. Die Leichenfrau richtete ihm das Kopfkissen und kämmte sein Haar.
»Sieht er nicht ordentlich aus?« fragte sie. »Ist er nicht eine schöne Leich? Manchmal blinzeln sie noch, aber wenn du genau hinsiehst, haben sie doch die Augen zu. Gestern hat er mich die ganze Zeit angeblinzelt.«
Sie stellte sich an die Tür und paßte auf.
Meine Großmutter stach dem Toten eine Nadel ins Nasenloch und hielt ihm ein Spiegelchen vor den Mund.
»Der blinzelt nicht mehr«, sagte sie.
»Ich weiß«, sagte die Leichenfrau, »aber trotzdem blinzelt er, wenn man nicht hinsieht.«
»Die Ohren sind auch kalt«, sagte meine Großmutter. »Schau mal, was für eine große Nase der hat!«
Die Nase war wirklich groß. Und weich wie ein kalter Knetgummi. Aber während die Großmutter ihm ein Bein unter der Zudecke hervor und die schwarze Socke vom Fuß zog, wurde sie warm in meiner Hand. »Komm her«, sagte sie. Dann hielt sie mich am Hinterkopf. Als ich die Lippen auf die Fußsohle legte, drückte sie mich ein wenig dagegen. Dabei sah ich, wie die Leichenfrau ein Schokoladenplätzchen aus der Schürzentasche holte und sich die Lippen leckte.
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