einen weinen, die anderen lachen·Wo wohnt Leben, Hoffnung und Glück?
6 Im Dienste des Dramas (1872–1878)
Zwischen Zukunftssicherung und Unabhängigkeit·Schmerzvolle Erfahrungen·Scharfe Frontlinien·Das neue Heiligtum·Getrennte Wege·Eine künstlerische Notwendigkeit·Klangethik und Zerschlagungsästhetik·Das neue liebliche Ungeheuer
7 Neue Bastionen, neue Konflikte (1878–1882)
Haarige Angelegenheiten·Widerstand gegen Pedal-Gerassel und unedle Kunst·Exorzismus und Weihe·Viel Lärm um Nationales·Sinfonische Konkurrenz·Neue Musik zum Lächeln·Fundamentalismus gegen Humanität
8 Eine intellektuelle Utopie (1882–1887)
Neue Bauten für die Kultur·Kulturpolitiker gegen Glaubenshelden·Die Anführer sterben, die Bewegung lebt weiter·Eine neue Moderne·Spaltung, Reformen und neue Tendenzen·Die sinfonische Tetralogie
9 Das Erbe der Poesie (1887–1891)
Versöhnungsmusik·Besorgniserregende Wende·Wenn’s richtig kracht, ist’s ordentlich·Verborgene Schönheiten entdecken·Ein kulturelles Vermächtnis·Letzte Beifallsstürme
10 Das teuer bezahlte schöne Glück (1891–1897)
Leidenschaft statt Mätzchen·Es wird immer leerer·Das letzte Duell·Finale Plaudereien·Der trauernde Genius·Eine interessante Krankheit
Literaturhinweise und Anmerkungen
Ein Wort zuvor …
Menschen der heutigen Zeit würden sich in der Welt von Clara Schumann und Johannes Brahms nicht zurechtfinden. Die Organisation des Alltags, die Geschwindigkeit der Kommunikation und die Etikette der Epoche wären uns fremd. Und dennoch ist uns das 19. Jahrhundert näher, als viele glauben. Wenn ein Journalist noch im März 2019 die Geigerin Hilary Hahn in einer Schlagzeile als »Prophetin der Extreme«1 tituliert, verwendet er eine der Benennungen, die denen jener Presseschreiber vergleichbar sind, die Clara Schumann einst die (von Liszt eher spöttisch gemeinte) Bezeichnung der hohen »Priesterin« ihrer Kunst verpassten. Manche Biographen wähnen noch im 21. Jahrhundert Brahms’ erstes Klavierkonzert »von finsterer Dämonie erfüllt« oder den Komponisten »mit Dämonen ringend«. Obwohl sie in einer Zeit arbeiten, in der die Wissenschaft noch viel zügigere Fortschritte erzielt als im 19. Jahrhundert, wählen sie schablonenhafte Phrasen über »das Schicksal«, das man »gnädig« walten sehe, und »schicksalhafte« Themengestalten in der Musik.2 Formulierungen dieser Art kamen zweihundert Jahre zuvor auf, als Zeitschriften und Bücher über Musik und Musiker erstmals populär wurden. Der Epoche entsprechend verwendete natürlich auch Clara Schumann derartige Begriffe, wenn sie in ihren Briefen vom »Schicksal der Kinder«3 sprach oder Brahms von »jenen Tagen«, in denen »Großes, Erschütterndes – Erhebendes« geschah.4 Allerdings sollten diese augurenhaft-esoterischen Phrasen heutzutage kein Maßstab mehr für die Betrachtung der Welt sein. Clara Josephine Schumann (1819–1896) und Johannes Brahms (1833–1897) haben im Laufe ihrer über vierzig Jahre währenden Freundschaft sowohl erschütternde als auch erfreuliche Erfahrungen gemacht, die keineswegs von metaphysischen Kräften beeinflusst wurden. Durch persönliche Erlebnisse und ihren Freundeskreis waren sie mit den Grenzen sowie dem Erkenntnisgewinn der modernen Medizin vertraut und sie erlebten die Weiterentwicklungen der künstlichen Lichtquellen von Kerzenschimmer und Gasbeleuchtung über die Petroleumlampe bis zur Glühbirne. Zudem nutzten sie immer fortschrittlichere Fortbewegungsmittel, die dazu beitrugen, lange Distanzen zunehmend schneller zu überwinden. Nicht zuletzt bereicherten sie das sich im Aufbau befindliche Editionswesen. Eine Zeitreise zu ihnen würde man sich dennoch besser nicht wünschen, denn zu fremd wären uns ein Dasein mit eingeschränkten Verkehrsverbindungen oder auch der Möglichkeit, öffentliche Hinrichtungen zu besuchen, ein Leben ohne elektrischen Strom, Telefon und Supermärkte; zu unvertraut die unterschiedlichen Währungen und Zeitzonen in den deutschsprachigen Ländern, die Ausdrucksweisen, Bekleidungsetiketten, Verhaltensregeln und Hierarchien sowie die Art, auf den einzelnen gesellschaftlichen Ebenen zu kommunizieren.
Clara Schumann und Johannes Brahms bewegten sich virtuos durch diese Welt, inmitten eines Mahlstroms von Ereignissen, die sie nur peripher mitgestalten konnten, aber auf die sie zu reagieren wussten, um den ihnen eigenen Platz zu finden. Ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten bildeten sich heraus durch ihre Herkunft, Begegnungen mit prägenden Menschen und im Austausch mit ihren Freunden und Feinden. Im Zentrum ihres Wirkens stand für beide immer die Musik: ihre Kompositionen und das Repertoire, für das sie sich als ausübende Künstler engagierten.
Im Laufe ihres für die damalige Zeit überdurchschnittlich langen Lebens waren Clara Schumann