Philippe Moser

Linguistic Landscape als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie?


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das, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Medium der Mündlichkeit einen westmoselfränkischen Dialekt verwendet, Bürgertum und Adel dagegen (intendiertes) Hochdeutsch und Französisch favorisieren. Im Medium der Schriftlichkeit wird domänenspezifisch zwischen Deutsch und Französisch gewählt. (Ziegler 2011: 184)

      Vor diesem Hintergrund wird das Luxemburgische als vorherrschende Sprache des mündlichen Sprachgebrauchs nach und nach zum Symbol eines neuen Nationalverständnisses. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ist auch die Zeit der Anfänge und raschen Verbreitung der Literatur auf Luxemburgisch. Von 1912 stammt das Schulgesetz, in dem Luxemburgisch «als Unterrichtsgegenstand definiert, nicht jedoch als eigenes Fach eingeführt» (Timm 2014: 21) wird. Eine Orthografie des Luxemburgischen existiert zu dieser Zeit noch nicht.

      Während dem ersten Weltkrieg stellt sich die Bevölkerung des offiziell neutralen Luxemburg auf die französische Seite. Die damalige Grossherzogin Marie-Adelheid allerdings steht Deutschland nahe, was dazu führt, dass sie 1919 abdanken und die Herrschaft ihrer Schwester Charlotte überlassen muss, die im Zweiten Weltkrieg zu einer wichtigen Identifikationsfigur der Luxemburger Bevölkerung werden sollte.

      Auch wenn die Unabhängigkeit von 1839 mit erheblichen Gebietsverlusten verbunden war, wird sie von der Regierung im Jahr 1939 zum Anlass genommen, mittels einer überschwänglichen Jubiläumsfeier einen Luxemburger Nationalismus zu propagieren, der gezielt zur Ablehnung des nationalsozialistischen Deutschland beitragen soll. Diese Ablehnung ist tatsächlich deutlich und wird mitunter auch der Wirkung dieser Feierlichkeiten zugeschrieben (vgl. Hoffmann 1979: 11; Pauly 2011: 93). Noch vor dem Zweiten Weltkrieg werden Kompetenzen des Luxemburgischen zum Kriterium für Einbürgerungen (auch dies geschieht gemäss Hoffmann (1979: 35) zur Abgrenzung vom nationalsozialistischen Deutschland), wodurch sich der spätere Status des Luxemburgischen als Nationalsprache bereits abzuzeichnen scheint.

      Der Zweite Weltkrieg und damit die deutsche Besetzung Luxemburgs tragen dazu bei, dass die Luxemburgische Sprache nun definitiv zu einem wichtigen Merkmal der Identität wird und der Wille, diese vom Deutschen zu unterscheiden, gross ist. Die nationalsozialistischen Besatzer planen eine Annexion Luxemburgs und versuchen, diese mit der Ideologie der gemeinsamen deutschen Sprache zu rechtfertigen. Zunächst wird der Gebrauch des Französischen «bis hin zu den in die Mundart eingebetteten französischen Höflichkeits- und Grussformeln» (Hoffmann 1979: 36) verboten. 1941 wird eine sogenannte «Personenstandsaufnahme» durchgeführt, die auch die Frage nach der «Muttersprache» stellt, mit der entsprechenden Erklärung dazu, dass nur «Hochsprachen» und keine «Dialekte» als Antwort angegeben werden dürften. Als Beispiele werden unter anderen explizit Deutsch respektive Luxemburgisch genannt. Trotz der möglichen Konsequenzen antwortet eine überwältigende Mehrheit der Luxemburger Bevölkerung dennoch mit «Luxemburgisch», nicht nur bei der Frage nach der «Muttersprache», sondern auch als Angabe der «Staatszugehörigkeit» und der «Volkszugehörigkeit» (das berühmt gewordene «dreimol lëtzebuergesch»). Dies führt zum Abbruch der Volkszählung. Die Erinnerung an die Rolle der luxemburgischen Sprache für den Luxemburger Widerstand – zum Beispiel auch die auf Luxemburgisch gehaltenen Ansprachen der Grossherzogin Charlotte aus ihrem Londoner Exil – tragen zum nunmehr auch symbolischen Gewicht der bis dahin in erster Linie als alltägliche Gebrauchssprache wahrgenommenen Varietät bei (vgl. Hoffmann 1979: 35-37, Timm 2014: 27-28). Für eine Zusammenstellung der Ereignisse in Luxemburg während des Zweiten Weltkriegs verweisen wir auf Pauly 2011: 93-104, für ausführlichere Untersuchungen zu den Thematiken der Zwangsrekrutierung und des Generalstreiks auf Stroh 2016, Quadflieg 2016, Klos 2016. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der für Luxemburg nach grossen Verlusten (Pauly 2011: 102-103) 1944 mit der Befreiung durch amerikanische Truppen endet, bleibt das Prestige des Luxemburgischen bestehen und 1946 wird bereits ein erster Rechtschreibungsentwurf verfasst, die ‹Margue-Feltes-Rechtschreibung›, die sich gewollt deutlich von der Schreibung des Standarddeutschen abhebt, jedoch keinen Erfolg hat (vgl. Hoffmann 1979: 36).

      Offiziellen Status als Nationalsprache erhält das Luxemburgische schliesslich 1984 durch das neu in Kraft tretende Sprachengesetz, auf das wir in A.2.5.2 eingehen werden.

      A.2.5.2 Aktuelle Sprachsituation

      Bereits die Herausgeber von Hoffmann 1979 umreissen die Besonderheit der luxemburgischen Sprachsituation in einer zu einem grossen Teil noch heute gültigen Beschreibung:

      Zum einen ist Luxemburg, abgesehen von Malta, das einzige Land Europas, in dem einer «exoglossischen», einer mehr oder minder nur schulisch erworbenen und nicht auf der Primärsprache des Kindes aufbauenden Standardsprache, nämlich dem Französischen, neben der primären Muttersprache ein bestimmter fester Platz im kulturellen Leben des Landes eingeräumt ist und deren fortdauernde intensive Pflege als konstitutiver Teil der nationalen Kulturtradition betrachtet wird.

      Zum anderen ist Luxemburg die einzige Region im deutschen Sprachraum, in der die einheimische Mundart, das Letzeburgische […] bzw. ein Gemeinletzeburgisch als Koine der verschiedenen Orts- und Gebietsmundarten, eine solche Ausweitung des Gebrauchs und des Ausbaus erreicht hat, dass sie in wichtigen «Domänen» des Sprachgebrauchs […] die deutsche Standardsprache vielfach ersetzt hat1. (Auburger/Kloss/Kolde 1979: VII)

      Zumindest zwei Merkmale gelten noch immer: die Verwendung des «exoglossischen» Französisch und die starke Präsenz des Luxemburgischen, das einige Jahre nach dem Erscheinen von Hoffmanns Übersicht einen offiziellen Status in der Luxemburgischen Verfassung erhalten sollte, durch den es sogar über das Deutsche und das Französische gestellt wird. Die offizielle Sprachpolitik wird seit 1984 durch die Loi sur les langues geregelt:

      Nous JEAN, par la grâce de Dieu, Grand-Duc de Luxembourg, Duc de Nassau;

      Notre Conseil d’Etat entendu;

      De l’assentiment de la Chambre des Députés;

      Vu la décision de la Chambre des Députés du 25 janvier 1984 et celle du Conseil d’Etat du 7 février 1984 portant qu’il n’y a pas lieu à second vote;

      Avons ordonné et ordonnons:

      Art. 1er.

       Langue nationale

      La langue nationale des Luxembourgeois est le luxembourgeois.

      Art. 2.

       Langue de la législation

      Les actes législatifs et leurs règlements d’exécution sont rédigés en français. Lorsque les actes législatifs et réglementaires sont accompagnés d’une traduction, seul le texte français fait foi.

      Au cas où des règlements non visés à l’alinéa qui précède sont édictés par un organe de l’Etat, des communes ou des établissements publics dans une langue autre que la française, seul le texte dans la langue employée par cet organe fait foi.

      Le présent article ne déroge pas aux dispositions applicables en matière de conventions internationales.

      Art. 3.

       Langues administratives et judiciaires

      En matière administrative, contentieuse ou non contentieuse, et en matière judiciaire, il peut être fait usage des langues française, allemande ou luxembourgeoise, sans préjudice des dispositions spéciales concernant certaines matières.

      Art. 4.

       Requêtes administratives

      Lorsqu’une requête est rédigée en luxembourgeois, en français ou en allemand, l’administration doit se servir, dans la mesure du possible, pour sa réponse de la langue choisie par le requérant.

      Art. 5.

       Abrogation

      Sont abrogées toutes les dispositions incompatibles avec la présente loi, notamment les dispositions suivantes:

       Arrêté royal grand-ducal du 4 juin 1830 contenant des modifications aux dispositions existantes au