Paul Metzger

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zusammen. Dieser Bedeutungsgehalt macht im Zuge der Neuzeit auch die Autorität an sich verdächtig. Es bricht sich deutlich die neuzeitliche Skepsis Bahn, wenn Autorität als „abergläubisches Vertrauen auf Lehrer und Traditionen [verstanden wird], das sich nicht durch Vernunft oder Erfahrung legitimieren lässt.“1

      Im Zuge der Aufklärung ist daher jede Autorität suspekt, die sich nicht durch die eigene Vernunft bewahrheiten lässt. Akzeptiert wird sie deshalb nur noch als „Gesellschaftsvertrag“. Nur im gegenseitigen Einverständnis – so das Ideal – lässt sich Autorität legitim ausüben. Nun ist verständlich, dass man sich Autorität erwerben und diese von anderen anerkannt oder gar verliehen werden muss.2 Weithin anerkannt wird deshalb vor allem die fachliche Autorität, „die durch spezielles Wissen und erlernte Fähigkeiten geprägt ist.“3 Autorität wird also demjenigen zugestanden, der durch Kompetenz ausgewiesen wird. Hier scheint ein Autoritätsverständnis auf, das in der Diskussion um die Schriftautorität eine besondere Rolle spielen wird.4

      Jegliche Autorität hat sich also erstens vor dem Forum der Vernunft und der Gesellschaft zu verantworten und muss zweitens gegenseitig anerkannt sein.5 Autorität ist demnach davon abhängig, dass sie bejaht wird und muss deshalb von denjenigen akzeptiert und gewollt sein, über die Autorität ausgeübt wird. So wird die Autorität eines Arztes aufgrund seiner fachlichen Qualifikation von denen anerkennt, die sich von ihm behandeln lassen. In dieser Beziehung wird Autorität zu einem „Relationsbegriff“.6

      Wenn dies im gesellschaftlichen Bereich akzeptiert ist, verwundert es nicht, dass der Autoritätsbegriff auch im engsten menschlichen Beziehungsbereich, der Familie, neu bestimmt werden muss. Dieser Prozess ist bis in die Gegenwart hinein nicht abgeschlossen und wird vor allem in der Pädagogik unter Stichworten wie „antiautoritäre“ oder „autoritative Erziehung“ diskutiert.7

      Autorität wird aber sowohl in gesellschaftlicher wie persönlicher Hinsicht nun in einem kommunikativen Geschehen verortet.8 Dies ist bereits bei Augustin im 4. Jh. n. Chr. zu beobachten, der die Notwendigkeit von Autorität im Vorgang des Lernens erkennt: „Zur Erkenntnis gelangen wir mit gleicher Notwendigkeit auf einem doppelten Wege, nämlich auf dem der Autorität und dem der Vernunft. Der Zeit nach geht die Autorität vor, der Sache nach aber die Vernunft.“ (De Ord. 2,26)9

      Autorität hat demnach in erster Linie eine propädeutische Funktion. Es geht nicht um Gehorsam oder das Unterwerfen unter eine fremde Macht, sondern um das Vertrauen, das notwendig ist, um zu lernen und zu eigenständigen Positionen zu kommen. Autorität ist demnach lediglich – aber notwendig – der Anfang des Lernens.10 Sie ist die erste Stufe eines Prozesses, in dem sich die eigentliche Autorität erst aufbaut.

      Autorität ist also drittens ein relationaler Begriff. Er bedeutet, dass Autorität von einer Gruppe von Menschen verliehen und akzeptiert werden muss. Autorität wird demnach gemacht und dann bestätigt. Letztlich gilt dann: „Autorität bewährt oder blamiert sich in der Kommunikation.“11

      2.4. Ausblick

      Als letzter Punkt ist zu notieren: Der Begriff „Autorität“ kommt im Neuen Testament nicht vor. Allerdings lassen sich Fragen aufzeigen, die damit zusammenhängen und in den Bereich der späteren Kirchengeschichte ausstrahlen. Drei Fragen ragen dabei in ihrer Bedeutung heraus:

      Erstens: Wenn Autorität als Gewährleistung verstanden wird, dann ist zu fragen: Wer übernimmt die Gewähr dafür, dass Christus und seine Botschaft nicht verfälscht werden? Wenn Christus als Person die unhinterfragbare Autorität in der Kirche darstellt, wie lässt er sich erreichen? Wie kann Christus in der und für die Kirche zur Sprache kommen? Diese Frage dreht sich also um die Frage nach der Offenbarung und ihrer Vermittlung.

      Zweitens: Wenn Autorität im Sinne von Macht verstanden wird, dann ist zu fragen: Obwohl Christus die eigentliche Macht ausübt, muss sich die Kirche dazu verhalten, wie sie diese umsetzt. Sie muss sich fragen, ob und mit welcher Begründung es eine abgeleitete Form der Autorität gibt, die dazu berechtigt, im Namen Gottes Macht auszuüben. Schließlich muss sie diese Macht dann auch jemandem (Papst?) oder einer Institution (Synode?) zuweisen. Wenn mit der Autorität die Macht in der Kirche verbunden ist, wer darf sie ausüben?

      Drittens: Wenn Autorität im Sinne eines Vertrages verstanden wird, ist zu fragen: Wer (die Gläubigen? Christus?) überträgt wem (Amtsträger?) oder was (Schrift?) Autorität und auf welcher Grundlage? Wie weit reicht diese Vertragsautorität? Gibt es eine Kompetenz, die sie letztlich verstetigt und dem Vertragsverhältnis enthebt?

      Konkret müsste gefragt werden, ob sich eine vorläufige Vertragsautorität zu einer anderen Form von Autorität wandeln lassen kann und unter welchen Bedingungen. Bezogen auf die Diskussion zwischen evangelischer und römisch-katholischer Kirche müsste diese Alternative konkret so formuliert werden: Liegt es in der Kompetenz des Lehramtes, die Autorität zu garantieren oder kann (und muss) die Schrift selbst ihre Kompetenz erweisen?

      Diese drei Ebenen müssen unterschieden, können aber in der Praxis nicht klar getrennt werden, weil ihre Bedeutungen zusammenhängen und deshalb zuweilen – bewusst oder unbewusst – vermischt werden. Blickt man auf die Praxis der Kirchen, kann beispielsweise einer Person eine autoritative Stellung zugeordnet werden. Hat dieser Vorgang dann rein funktionale Gründe? Weil sie predigen soll? Dann wäre in erster Linie die erste Bedeutungsebene berührt. Oder gehört die autoritative Stellung als Amt zum Kirche-Sein zwingend dazu? Das tangiert die zweite Bedeutung von Autorität, weil damit das Amt an sich nicht nur eine Dienstfunktion, sondern auch eine Machtposition einnimmt. Die dritte Ebene wird berührt, wenn gefragt wird, wer das Amt verleihen darf. Ist dies eine demokratische Wahl? Dann wäre der „Gesellschaftsvertrag“ gegeben. Ist sie dies nicht, wäre eher an Autorität als Machtausübung zu denken, die sich wiederum legitimieren müsste.

      Man kann diese verschiedenen Ebenen von Autorität also gut an der Frage nach dem Amt in der Kirche exemplifizieren. Nicht umsonst steht hier die apostolische Sukzession in ihrer Bedeutungsverschiebung von reiner inhaltlicher Nachfolge zur Nachfolge im machtvollen Amt im Blickpunkt.1 Allerdings verweisen die Beispiele letztlich auf das Problem, auf welcher Grundlage die „Amtsfrage“ beantwortet werden kann. Wenn auf die Schrift verwiesen werden soll, stellt sich auch diesbezüglich die Frage, welche Autorität der Schrift zukommt.

      Damit ist die vorliegende Untersuchung – wiederum im Vorgriff – an ihrer zentralen Fragestellung angelangt. Erheben die neutestamentlichen Texte selbst einen Anspruch auf Autorität? Und wenn ja: welchen?

      3. Die Grundidee der Untersuchung

      In ethischer, historischer, konfessionskundlicher und ökumenischer Hinsicht ist die Frage nach der Schrift wesentlich. Genauer die Frage nach ihrer Stellung im Zusammenspiel theologischen Erkennens und Argumentierens: Welche Autorität hat die Schrift? Und wie ist diese Autorität in die Diskussion einzubringen?

      Die vorliegende Arbeit kann diese Fragen sowohl in ökumenischer als auch in fundamentaltheologischer Hinsicht nicht ausführlich behandeln oder gar beantworten. Lediglich ein Mangel der bisherigen Diskussion über die Autorität der Schrift soll aus exegetischer Perspektive behoben werden. Es scheint nämlich bei der Durchsicht der verschiedenen Diskussionsbeiträge zum Thema so, als ob zumeist aus dogmatischer Perspektive über die Schrift und ihre Autorität gehandelt wird, aber nicht aus der Sicht der Schrift selbst.1 Auf einen Nenner gebracht: Es wird über die Schrift geredet, aber nicht ausgehend von ihrem eigenen Anspruch. Die Diskussion wird nicht von ihren eigenen Aussagen über sich selbst her geführt.

      Dies soll im vorliegenden Zusammenhang behoben werden. Damit folgt die Untersuchung dem klassischen, vor allem im Protestantismus anzutreffenden Reflex, die Bibel in allen möglichen Zusammenhängen zu befragen. Nur über sich selbst wurde die Bibel bislang nicht eingehend und methodisch verantwortet befragt.2 Dies ist die Grundidee der Untersuchung, wenn sie die Frage stellt: Welche Autorität beansprucht die Schrift selbst für sich?3

      Um nicht Gefahr zu laufen, eine anachronistische Fragestellung an die Texte heranzutragen, kann im weiteren Verlauf der Untersuchung allerdings nicht mehr von „der Schrift“ die Rede sein, da dies die theologische Entscheidung bereits voraussetzt,