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Populisten – rhetorische Profile


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Ereignissen: dem Brexit-Referendum im Vereinigten Königreich im Juni 2016, der Wahl Donald J. Trumps zum 45. US-Präsidenten im November 2016 und natürlich dem seit einigen Jahren in ganz Europa zu beobachtenden Mainstreaming populistischer Parteien der Rechten wie der Linken. Immer häufiger übernehmen Populisten auch Regierungsverantwortung (oder scheitern an der Gewinnung von Mehrheiten nur knapp). Für die Diagnose unserer Gegenwart ist Populismus zu einer analytischen Schlüsselvokabel und gleichermaßen zu einem Kampfbegriff der politischen Auseinandersetzung geworden.

      Im öffentlichen Diskurs rückt bisweilen in den Hintergrund, dass Populismus keineswegs eine neue, sondern im Gegenteil eine vergleichsweise alte Erscheinung ist, die sich auf die amerikanische ‚Populist Party‘ des 19. Jahrhunderts zurückführen lässt (Müller 2016; Mudde/Kaltwasser 2017). Und auch die Wissenschaft kann mittlerweile auf über sieben Jahrzehnte Populismus-Forschung – beginnend mit einer ersten Begriffsbestimmung durch den amerikanischen Soziologen Edward Shils 1956 – zurückblicken. Eine Definition des Populismus, die von allen Forscherinnen und Forschern getragen würde, gibt es gleichwohl bis heute nicht. Das hat mit dem Phänomen selbst zu tun: Populistische Politik ist programmatisch-inhaltlich oft mehr oder weniger beliebig an aktuelle Bedürfnisse, Problemlagen und individuelle Strategien anpassbar, ja, geradezu „opportunistisch und chamäleonhaft“ (Poier/Saywald-Wede/Unger 2017, 40). Mit dem Politikwissenschaftler Michael Freeden lassen sich solche Formen politischer A-Programmatik als ‚dünne Ideologie‘ (thin ideology) bezeichnen (Freeden 1998). Denn populistische Ideologie besteht häufig aus nicht mehr als einigen wenigen plakativen Schlagworten. Eine solche Ideologie entzieht sich bewusst genauer Festlegungen und damit zugleich den traditionellen Klassifikationssystemen der politischen Ideengeschichte.

      Populisten lehnen das Konzept der repräsentativen Demokratie ab, denn sie sind der Ansicht, Politik „should be an expression of the volonté générale (general will) of the people“ (Mudde 2004, 543). Die Forderung nach Einführung von Elementen direkter Demokratie ist die logische Folge. Soziale Medien wie Twitter arbeiten der populistischen Forderung nach direkter Demokratie zu (Sorensen 2017, 145), denn durch sie können der Populist und seine Anhänger einen direkten kommunikativen Kanal etablieren, der klassische Medien umgeht.

      Im Kontext des Aufstiegs der ‚Neuen Rechten‘ in Europa seit den 1990er Jahren, der Verschärfung der Migrationsdebatten und der Rückkehr der Religionsfrage nach 9/11 wird diese vertikale Dimension von Populismus durch eine horizontale Dimension ergänzt: Nun bildet nicht mehr bloß der Gegensatz von ‚Volk‘ und ‚Eliten‘ den Kern populistischer Politikauffassung, sondern es tritt eine zweite Antithese von ‚Volk’ (wir/innen) und ‚denen da draußen’ hinzu. Es ist der Gegensatz zwischen einem als homogen verstandenen Volk (Wildt 2017), eine vor allem für den deutschen Rechtspopulismus wichtige identitätspolitische Fiktion des frühen 19. Jahrhunderts, und ‚denen da draußen‘, also den ‚Ausländern‘, ‚Migranten‘, ‚Flüchtlingen‘ etc. Diese Dimension – das ‚wir‘ (das ‚eigentliche‘ Volk) vs. ‚die‘ – konstituiert damit ex negativo die eigene Identität. Aus solchen Antagonismen leitet der Populist somit eine doppelte Bedrohung für das als homogen angenommene Kollektiv ab.

      Wissenschaftstheoretisch stellt ‚Populismus‘ ein ‚essentially contested concept‘ dar, also einen Begriff, der von einer Vielzahl von Forschern, aber mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird (vgl. Mudde/Kaltwasser 2017, 2–5). Das macht die besondere Schwierigkeit aus, über den Populismus zu sprechen.

      Politik- und Kommunikationswissenschaftler haben deutlich unterschiedliche Perspektiven auf das Phänomen des Populismus: Während Erstere nach Elementen der Ideologie suchen (und meist nur eine ‚dünne‘ Ideologie finden), interessieren sich Letztere für die Interdependenz von Politik und Kommunikation/Medien. Vonseiten der Politikwissenschaft werden diese zwei Perspektiven bisweilen als sich gegenseitig ausschließend betrachtet: Spezifische Verfahren, die einen Kommunikator als Populist identifizierbar machten, ließen sich kaum eindeutig identifizieren. Das trifft insofern tatsächlich zu, als manche der in der Forschung als typisch populistisch bezeichneten Kommunikationsverfahren vielfach auch von Politikern verwendet werden, die keine Populisten sind. Es bleibt also die Frage, ob es eine Rhetorik gibt, derer sich Populisten exklusiv bedienen, oder ob man nicht konstatieren muss, dass „viele dieser Strategien auch bei ‚respektableren‘ politischen Parteien und deren Führung in Erscheinung treten.“ (Kienpointner 2002, 127) Tatsächlich finden sich viele der Merkmale, die in der Forschung (Decker/Lewandowsky 2017; Hirschmann 2017, 184–188; Kirchner 2012) immer wieder als Kriterien populistischer Rhetorik angeführt werden, in alltäglichen politischen Auseinandersetzungen. Hierzu gehören Metaphern, die negative Emotionen wie Furcht auslösen, und angsteinflößende Bedrohungsszenarien, die der Redner dem Publikum vor Augen stellt. Letztlich gehören solche Verfahren aber seit der Antike zum Repertoire fast aller berühmten Redner. Zur Identifizierung eines Populisten sind sie damit kaum geeignet, werden allerdings in politischen Auseinandersetzungen genau so verwendet. Die Zuschreibung ‚Populist‘ wird häufig zur Herabsetzung und Abwertung des Gegners eingesetzt: Populismus erscheint in dieser Bedeutung als politischer Kampfbegriff, der zu Ubiquität und damit Inhaltslosigkeit tendiert. Als wissenschaftliche Beschreibungskategorie ist er nicht sinnvoll verwendbar.

      Populismus als Symbiose von Ideologie und Kommunikation

      Vertreter der aktuellen Populismusforschung setzen die beiden Pole von Ideologie und Kommunikation in Bezug zueinander: Populistische Ideologie, wie ‚dünn‘ sie auch sein mag, bevorzuge bestimmte rhetorische Verfahren und Kommunikationsstile (Moffit 2016), die sich als solche auch beschreiben lassen. Der Vorzug solcher Modelle besteht darin, dass sie sich eben nicht einseitig auf Fragen der Kommunikation oder ideologischen Positionierung konzentrieren, sondern das Phänomen des Populismus als eine Symbiose aus beidem beschreiben. In seiner Studie ‚Internationaler Populismus als Konzept‘ (2014) identifiziert Florian Hartleb vier Dimensionen – die technische, inhaltliche, mediale und personelle Dimension – des Populismus (Hartleb 2014, 41f.):

      Technische Dimension: Zentral für alle Spielarten des Populismus ist der ideologisch begründete, scharfe Antagonismus von ‚Volk‘ und Eliten bzw. Establishment. Daraus leiten Populisten ihre demonstrativ antielitäre Haltung ab. Diese Dimension bezieht sich auf den vertikalen Aspekt von Populismus und schreibt dem Populisten ‚unten‘ die positive Rolle des ‚underdog‘ oder des ‚Robin Hood‘ zu, der vermeintlich für die Probleme der ‚Masse‘ kämpft. Ebenfalls ableitbar ist die von Populisten häufig ganz bewusst eingenommene Rolle des chronischen Beschwerdeführers und rituellen ‚Tabubrechers‘. Dabei konvergieren eine als bloß symbolisch verstandene Politik (Edelman 1964) und die moderne Unterhaltungskultur: Politiker inszenieren sich als Filmhelden, und Wähler populistischer Parteien vertrauen genau solchen Politikern, die sich als „Retter, Problemlöser und Krisenmanager“ (Wodak 2016, 30) filmreif zu inszenieren wissen.

      Inhaltliche Dimension: Populistische Ideologie ist letztlich weitgehend beliebig: Als Anti-‚Ismus‘ produziert Populismus wiederum eine Reihe von mehr oder weniger beliebigen ‚Ismen‘. Sie können in einem möglichen Spektrum von links nach rechts (wobei die Zuordnungen oft unklar und auch nicht scharf trennbar sind) etwa sein: Anti-Islamismus und Rassismus (vgl. etwa den von der AfD verwendeten Begriff der ‚Passdeutschen‘); Fragen der Identitätspolitik, Kritik am Globalkapitalismus/an Europa; Kritik an sogenannten ‚Sozialschmarotzern‘; das Feindbild des Migranten/Flüchtlings/Einwanderers etc. Wie zuletzt die Parlamentswahlen in Italien im März 2018 deutlich gemacht haben, sind populistische Parteien weitgehend problemlos bereit, Inhalte zugunsten von Machtoptionen zu opfern. Die aus den Wahlen hervorgegangene Koalition zwischen Rechts- und Linkspopulisten zeigt auch, dass es über das Parteienspektrum hinweg Gemeinsamkeiten gibt, hier die Abgrenzung gegen Migranten und die manifeste EU-Feindlichkeit.

      Mediale Dimension: Populisten haben eine ambivalente Einstellung zu Massenmedien: Einerseits stehen sie in einem antagonistischen Verhältnis zu den sie vielfach kritisierenden Qualitätsmedien (die dann oft als ‚Lügenpresse‘ bzw. fake news diskreditiert werden), andererseits kann man mit Blick auf Boulevardmedien und die Logik moderner Massenmedien und sozialer Netzwerke von einem durchaus „symbiotischen Verhältnis“ (Poier/Saywald-Wede/Unger