der Durchführung eines telekollaborativen Austauschprojektes sind bei der Auswahl der Medien und Plattformen für die Kommunikation zwischen den Partner_innen zunächst das Lernziel sowie die organisatorischen Aspekte zu bedenken. Beachtet werden muss beispielsweise, ob sich synchrone Kommunikation unter den entsprechenden Umständen realisieren lassen würde, und ob alle Teilnehmenden gleichermaßen Zugang zu internetfähigen Geräten haben, um asynchron oder synchron kommunizieren zu können (Dooly, 2007; Schenker, 2012a). Zudem haben unterschiedliche Applikationen und Kommunikationsformen unterschiedliche Vor- und Nachteile, die vor der Auswahl recherchiert werden sollten. Die Auswahl der Aufgaben ist ein weiterer Aspekt, der ergründet werden sollte, und der stark vom gewählten Modell sowie dem Kommunikationsformat der Telekollaboration abhängt.
Anschließend an die Durchführung sollte eine Evaluation des telekollaborativen Austauschprojektes erfolgen. Die Bewertung auf den Lernzuwachs der Teilnehmenden sowie die Aspekte des Austausches selbst sind wichtige Aspekte, um die Vor- und Nachteile eines bestimmten Designs zu bewerten und nachfolgende Austauschprojekte optimieren zu können (Schenker, 2012a). Für die Evaluation gibt es diverse Möglichkeiten: unter anderem Peer-Assessment, Portfolioarbeit, Fragebogenerhebungen sowie die Bewertung des Outputs oder der Produkte, die durch den Austausch entstanden sind (Schenker, 2012a).
1.6.4 Modelle Telekollaborativer Projekte
In der Theorie haben sich zuerst zwei verschiedene Modelle von Telekollaboration manifestiert (O’Dowd, 2011, S. 369-370). Zum einen existierte das E-Tandem Modell, bei dem zwei Muttersprachler_innen unterschiedlicher Sprachen mit dem Ziel miteinander kommunizieren, jeweils die Sprache der anderen Person zu lernen (O’Rourke, 2007). Die Verbindung zwischen Nicht-Muttersprachler_innen und Muttersprachler_innen (Non-native-speakers – Native-speakers, NNS-NS) war lange Zeit die häufigste Form telekollaborativen Austausches. Das Modell basiert auf den Prinzipien der Lernerautonomie und Reziprozität, wobei die Hauptverantwortung für das Gelingen des Austauschs und für den Lernerfolg bei den Lernenden liegt. Die Tandem-Partner_innen werden zu Peer-Tutoren, korrigieren im Idealfall die Fehler der Nicht-Muttersprachler_innen und bieten alternative Formulierungen in der Zielsprache an. Die Kommunikation läuft entweder synchron (z.B. über Text-Chat) oder asynchron (z.B. über E-Mail) ab und wird üblicherweise zur Hälfte in der Zielsprache und zur anderen Hälfte in der Muttersprache durchgeführt, sodass beide Teilnehmenden vom Austausch gleichermaßen profitieren. In dem Modell des E-Tandems ist die Rolle der Lehrkraft normalerweise minimal, da die Lernenden selbst Verantwortung für ihren Sprachlernprozess übernehmen sollen und sich Themen und Strukturierung oftmals selbst zurechtlegen. Es gibt jedoch auch Forschungsprojekte, die dieses Modell in ein Unterrichtssetting integriert haben und Themenwahl sowie Ablauf des Austausches strukturieren und teilweise auch in den Unterricht einbinden (Kötter, 2003; O’Rourke, 2005).
Zum anderen gibt es das Blended Intercultural Telecollaboration Modell, bei welchem ganze Klassen oder Kurse aus verschiedenen Institutionen in einen Austausch treten und gemeinsam an Aufgaben arbeiten, die von den kollaborierenden Lehrkräften entwickelt werden. Diese Form integriert Inhalte vom virtuellen Austausch in die reguläre Unterrichtsstruktur. Auch bei diesem Modell werden häufig NS mit NNS verbunden. Der Fokus dieser Art von Online-Austauschprojekten ist die Förderung sowohl interkultureller kommunikativer Kompetenz als auch linguistischer Kompetenz. Aus diesem Grund beinhalten Aufgabenformate oftmals kollaborative Forschungsaufgaben, die Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Kulturen sowie die Analyse von Parallelen enthalten. Innerhalb dieses Modells lassen sich Aufgabenformate grundsätzlich in drei Kategorien einteilen, welche O’Dowd (2011, S. 370-371) wie folgt zusammenfasst: (a) Aufgabenformate zum Informationsaustausch, die Lernende dazu anhalten, biografische Information oder Information über ihre Heimatkultur auszutauschen und (b) Vergleichs- und Analyseaufgaben, in denen Lernende nicht nur Information austauschen, sondern diese auch kritisch hinterfragen oder analysieren müssen (beispielsweise kulturelle Produkte der jeweils anderen Kultur, wie Filme oder Bücher). Dieses Format ist daher anspruchsvoller als der reine Informationsaustausch. Als letztes werden (c) kollaborative Aufgaben genannt, für die Lernende sowohl Informationen austauschen, vergleichen und analysieren als auch gemeinsam an einer Schlussfolgerung oder einem Produkt arbeiten müssen. Dies kann verschiedene Formen annehmen, z.B. die eines Aufsatzes oder einer Übersetzung oder Adaption eines Kulturproduktes oder die Erstellung eines Medienproduktes.
Zusätzlich zu den ursprünglichen Modellen haben sich über die letzten Jahrzehnte weitere Formate entwickelt, beispielsweise eine Verbindung von Non-native-speakers mit Non-native speakers (NNS-NNS). Dies ist in telekollaborativen Projekten gut möglich und wurde in unterschiedlichen Studien untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass modifizierter Input, Output und Feedback auch durch die nicht-muttersprachlichen Kommunikationsteilnehmenden zur Verfügung gestellt wurden (Pica, Lincoln-Porter, Paninos & Linnell, 1996) und dass Bedeutungsaushandlungen zwischen den Gesprächsteilnehmenden stattfanden (Cheon, 2003). Dabei wurde gezeigt, dass Formate, die NNS mit unterschiedlicher L1 verbanden, die größte Anzahl an interaktionellem Feedback produzierten (Bueno-Alastuey, 2013) und NNS-Tandems mit gleicher L1 weniger Bedeutungsaushandlungen aufwiesen (Peterson, 2008).
Es gibt jedoch auch einige Argumente, die gegen einen Austausch zwischen NNS sprechen: Wenn beide Gruppen die gleiche Ausgangssprache beherrschen, kann es vorkommen, dass sie öfters auf diese zurückgreifen (Milton, 2005) als im persönlichen Unterrichtsdiskurs. Zudem wird häufig befürchtet, dass Lernende die Fehler der anderen übernehmen könnten. Dieser Annahme haben Gass und Varonis (1989) jedoch bereits sehr früh widersprochen, indem sie konstatierten, dass Lernende, die bereits eine Form verinnerlicht hatten, diese nicht aufgrund der Fehler ihrer Kommunikationspartner_innen änderten, sondern die Fehler der Partner_innen zu berichtigen halfen. Die Ergebnisse von Long und Porter (1985) bekräftigen diese Aussage: Sie konnten keinen Unterschied in der Fehlerquote bei der Kommunikation zwischen den Lernenden mit dem gleichen Level feststellen.1
O’Dowd (2011) beschreibt noch ein drittes Modell innerhalb telekollaborativer Austauschprojekte. Dieses lässt sich nicht mehr so einfach wie die anderen Modelle definieren und ist dem Aufkommen des Web 2.0, beziehungsweise der Social Web Anwendungen geschuldet und wird daher als Telekollaboration 2.0 (Guth & Helm, 2010) bezeichnet. Besagtes Modell ist durch die neuen Kommunikationsformen komplexer und kann eine Kombination der anderen beiden Modelle beinhalten. Im Vordergrund steht neben der Förderung von interkultureller kommunikativer Kompetenz und linguistischen Aspekten auch die der digitalen Medienkompetenz (O'Dowd, 2013). Digitale Medienkompetenz wird dabei definiert als individuelle und soziale Fähigkeit, Bedeutungsinhalte innerhalb einer ständig wachsenden Anzahl kommunikativer Möglichkeiten effektiv interpretieren, bewältigen, teilen und erstellen zu können (Dudeney, Hockly & Pegrum, 2013). Um digital medienkompetent zu sein, müssen Lernende Bedeutung in der Fremdsprache auch in den vielen neuen Kommunikationsformen verstehen und kommunizieren können (Dudeney et al., 2013). Unter Berücksichtigung neuer kommunikativer Kanäle fordern Shetzer und Warschauer (2000, S. 176 ff.) im Rahmen digitaler Medienkompetenz im Fremdsprachenunterricht, dass Lernende:
1 Individuen kontaktieren können, um eine Frage zu stellen, eine Meinung zu äußern, Ratschläge zu geben oder Wissen weiterzugeben und auch in der Lage sind, auf Fragen, Erwiderungen, Feedback, Ratschläge und andere Äußerungen reagieren zu können.
2 Personengruppen durch verschiedene Online-Technologien kontaktieren können, um die Antworten verstehen, eine Frage stellen, eine Meinung äußern, Ratschläge geben, Wissen teilen, Umfragen durchführen und Zusammenfassungen sowie eigene Forschungsarbeiten posten zu können.
3 An kollaborativen Projektarbeiten mit Personen an unterschiedlichen Orten mitarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.
4 Selbstständig aus verfügbaren asynchronen Technologien wie E-Mail, E-Mail-Verteiler, webbasierte Bulletinboards und Newsgruppen die geeigneten auswählen können.
5 Selbstständig aus verfügbaren synchronen Technologien, wie MOOs, Chaträumen, Videokonferenzen und anderen Tools, die geeigneten selektieren können.
6 Implikationen der neuen Kommunikationsformen sowie Netz-Etiquette (Netiquette), Privatsphäreangelegenheiten, Sicherheitsfragen, Firmenwerbung und andere verstehen und darüber reflektieren können.