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Textlinguistik


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geben, die nach endlich vielen Schritten automatisch zur ‚richtigen‘ Themenformulierung führt. Die Bestimmung des Themas ist vielmehr abhängig von dem Gesamtverständnis, das der jeweilige Leser von dem Text gewinnt.“

      Mit anderen Worten, das Verständnis des Themas eines Textes ist das Resultat eines hermeneutischen Prozesses, was auch den hermeneutischen Zirkel impliziert: Die Interpretation der Teile hängt ab von der Interpretation des Ganzen, die Interpretation des Ganzen hängt ab von der Interpretation der Teile. Erst in der Zusammensicht der Teile und des Ganzen kann man ein Verständnis beider gewinnen. Dazu wird man bei jeder Interpretation auch die vermuteten Absichten des Autors eines Textes mit einbeziehen. Was beispielsweise wesentlich, was nicht wesentlich ist, was eine sinnvolle Zusammenfassung von Inhalten ist, kann man nur entscheiden, wenn man den ganzen Text und seinen Zweck kennt. Die Verfahren von Agricola und van Dijk sind so letztlich Abstrahierungen aus konkreten praktischen Vorgehensweisen, die bei praktischen thematischen Analysen von Texten tatsächlich mehr oder weniger intuitiv angewendet werden; sie können aber Intuitionen nicht ersetzen, sondern allenfalls bewusst machen.

      4.6 Thema als Textvorgabe

      4.6.1 Funktionale Themabegriffe

      Neben dem in Abschnitt 4.5 behandelten Themabegriff – ‚Thema als Kerngedanke eines Textes‘ – gibt es einen anderen, der für die Textlinguistik ebenfalls von Bedeutung geworden ist und den man mit der Umschreibung ‚Thema als Textvorgabe‘ etikettieren könnte. Die beiden Verwendungsarten des Ausdrucks Thema werden oft nicht scharf getrennt, sind jedoch klar zu unterscheiden.

      Ausgangspunkt des zweiten Ansatzes ist zunächst die so genannte Funktionale Satzperspektive der Prager Schule und ihrer Vorläufer (siehe Eroms 1986). Diese Theorie ist zunächst keine Texttheorie; vielmehr will sie etwas über den funktionalen Informationsgehalt einzelner Sätze und dessen Auswirkung in der grammatischen Gestalt von Sätzen aussagen, vor allem über die Rolle der Satzgliedstellung. Zwischen (4–16a) und (4–16b) besteht ein subtiler, kommunikativ aber wichtiger Unterschied, obwohl sich die beiden Sätze nur in der Wortstellung unterscheiden:

      (4–16a) Die Rolling Stones treten im Mai in Zürich auf.

      (4–16b) In Zürich treten im Mai die Rolling Stones auf.

      Traditionellerweise beschreibt man den Unterschied so, dass die beiden Sätze Aussagen über unterschiedliche Gegenstände sind: In (4–16a) sagt man etwas über die Rolling Stones, in (4–16b) darüber, was in Zürich im Mai los ist. Anders formuliert: Die beiden Sätze sind Antworten auf unterschiedliche Fragen: (4–16a) antwortet auf die Frage: „Was machen die Rolling Stones?“, (4–16b) auf die Frage: „Was ist in Zürich los?“ Die beiden Sätze übermitteln die sachlich gleiche Information aus unterschiedlichen Frageperspektiven.

      Nach der Funktionalen Satzperspektive und den verwandten Theorien ist eine Aussage (immer oder wenigstens fast immer) aus zwei Teilen aufgebaut: einem THEMA – dem Satzgegenstand, über den etwas ausgesagt wird – und einem RHEMARhema – der Aussage über das Thema; (4–16a) und (4–16b) weisen dementsprechend eine unterschiedliche Thema-Rhema-StrukturThema-Rhema-StrukturStrukturThema-Rhema-Struktur auf. Im einfachen Fall ist in (4–16a) Die Rolling Stones das Thema, treten im Mai in Zürich auf das Rhema. In (4–16b) ist demgegenüber das Thema In Zürich, der Rest treten im Mai die Rolling Stones auf ist das Rhema. (Man kann sich kompliziertere Ausgangsfragestellungen vorstellen, wodurch auch die Thema-Rhema-Verteilung anders aussähe.)

      Neben dem Begriffspaar THEMA – RHEMA wird im Übrigen auch, aus angelsächsischer Tradition, das Paar TOPIKTopik – KOMMENT(IERUNG) (topic – comment) verwendet, wieder andere Ausdrücke sind HINTERGRUND – FOKUSFokus; all diese Begriffe werden jedoch immer wieder unterschiedlich definiert und auch untereinander kombiniert. Statt einer Dichotomie wird zuweilen auch ein abgestuftes System von Thematizität angenommen. Überhaupt gibt es auch bei der inhaltlichen Deutung der Unterscheidungen eine große Vielfalt an Vorschlägen. Man kann die Deutungen in drei Hauptgruppen einteilen:

       BEKANNT – NEU: Das Thema ist im Satz bekannte Information, das Rhema ist neue Information.

       TOPIKTopik – KOMMENTAR: Das Thema ist dasjenige, worüber etwas ausgesagt wird, der Gegenstand der Aussage; das Rhema ist das, was über das Thema ausgesagt wird, der Kommentar.

       HINTERGRUND – FOKUSFokus: Das Thema ist Hintergrundwissen, das RhemaRhema wird in der Äußerung als Vordergrundwissen zum Bewusstsein gebracht.

      Solche Charakterisierungen sind auf die Struktur des einzelnen Satzes bezogen: Sätze haben eine zweigeteilte Struktur mit Thema und Rhema/Topik und Kommentar/Hintergrund und Fokus. Daneben gibt es auch textbezogene Charakterisierungen, welche ein Thema als Bezugsgröße nicht von einzelnen Sätzen, sondern von Texteinheiten verstehen. Dieses Themaverständnis schließt sich am ehesten dem vom ‚Thema als Gegenstand einer Aussage‘ an; danach ist ein Thema nicht unbedingt der Gegenstand einer einzelnen Aussage, sondern Gegenstand eines Textes. Was unter dem Gegenstand einer Aussage oder eines Texte zu verstehen sein soll, ist selbst wieder erklärungsbedürftig. Häufig wird das Thema eines Textes als eine „Frage“ verstanden: Der Zweck eines Textes besteht sozusagen darin, eine bestimmte Frage zu behandeln, darauf eine Antwort zu geben. So definiert Hellwig (1984: 14) ein Thema als etwas „Fragliches“, als etwas, „zu dem in einem Text eine Lösung gesucht wird“. In dieselbe Richtung geht die Auffassung von Stutterheim (1997a: 19), wonach „jeder kohärente Text als Antwort auf eine einleitende Frage, die QuaestioQuaestio, zu verstehen ist“ (siehe ausführlich unter 9.3). Ähnlich konstituiert für van Kuppevelt (1995: 113) jede Frage, die in einem Text behandelt wird, das Thema dieses Textes. Andere Umschreibungen finden sich etwa in Lötscher (1987: 80), wo das Thema eines Textes als „mangelhaftes Objekt, dessen Mangel in der Behandlung in diesem Text beseitigt werden soll“, definiert wird. Schröder (2003: 78) schließlich bettet die Themadefinition (wie teilweise auch Lötscher 1987) in eine Handlungstheorie von Texten ein: Texte sind „komplexe HandlungenHandlung“, ein Thema ist der Gegenstand, der im Text behandelt wird, auf den der Text sich als Ganzes bezieht. Ähnlich lautet die Definition in Zifonun u.a. (1997: 209): „Unter einem THEMA verstehen wir den kommunikativ konstituierten Gegenstand oder Sachverhalt, über den in einem DiskursDiskurs oder Text(-abschnitt) fortlaufend etwas gesagt wird.“

      All diese Themabegriffe scheinen untereinander so heterogen zu sein, dass der wesentliche Unterschied zum Verständnis von Thema als ‚Kerninformation eines Textes‘ zu verschwinden scheint. Ein grundlegendes Merkmal bleibt jedoch allen gemeinsam: Ein Thema im funktionalen Sinn, wie immer es definiert wird, ist nicht eine in sich vollständige Informationseinheit wie eine PropositionProposition, sondern gibt lediglich einen Ausgangspunkt für eine Äußerung an, welcher der weiteren Behandlung bedarf. In satzbezogener Sicht ist das Thema ein Teil eines Satzes, welcher der Ergänzung durch die Vervollständigung des Satzes bedarf. Auch in den textbezogenen funktionalen Themaauffassungen hat das Thema eine Ausgangsfunktion in der weiteren Gestaltung des Textes. Prototypisch geschieht dies, wenn ein Textthema als Frage definiert wird: Eine Frage ist ein initiativer KommunikationsaktKommunikationsaktAktKommunikationsakt, der nach einem weiteren Kommunikationsakt verlangt; eine Frage muss eine Leerstelle enthalten oder definieren, die anschließend im Text zu füllen ist. Ein Textthema im funktionalen Sinn hat zwei Funktionen: Es markiert einen Ausgangspunkt, von dem aus ein Kommunikationsakt ausgehen muss, und es definiert ein Ziel, das zu erreichen ist. In diesem doppelten Sinn können wir ein Thema im funktionalen Sinne als Textvorgabe verstehen.

      

Satzbezogene und textbezogene Themadefinitionen und Themaauffassungen sollten klar unterschieden werden; dies wird jedoch selten gemacht (vgl. ansatzweise Lötscher 1987: 301ff., Hoffmann 2000, Schröder 2003). Die Thema-Rhema-Unterscheidung auf Satzebene berührt zwar die Analyse der kommunikativen FunktionFunktionkommunikativeFunktionAbbildungsfunktionFunktionAppellfunktionFunktionAusdrucksfunktionFunktionDarstellungsfunktionFunktionDeklarationsfunktionFunktionInformationsfunktionFunktionKommunikationsfunktionFunktionObligationsfunktionFunktionTextfunktion eines Satzes im Text und basiert letztlich ebenfalls auf einer textlinguistischen,