für wie viele Nomen des Deutschen hiermit eine Vorhersage formuliert werden kann.
Der von Wegener errechnete Gesamtskopuswert beträgt 65,4 Prozent (Wegener 1995e: 3). Das bedeutet, dass demnach für 65,4 Prozent der Nomen aus Oehlers Liste das Genus mit den oben aufgeführten Regeln zugewiesen werden kann. Die Regeln sind jedoch „nur von geringer Validität, da sie zahlreiche Ausnahmen zulassen“ (ebd.). Aus diesem Grund sei es zutreffender, wenn diese Regeln als Genuszuweisungsprinzipien und nicht als Genusszuweisungsregeln bezeichnet werden. Es kann somit festgehalten werden, dass das Genussystem nicht „als extrem wenig regelgeleitet und funktional angesehen“ (Weber 2001: 81) werden kann, sondern dass „deutliche Tendenzregeln für die Genusverteilung“ (Wegera 1997: 17) festgestellt werden können.
Aus der historischen Sprachwissenschaft wissen wir, dass alle grammatischen Kategorien, die keine Funktionen erfüllen bzw. ihre Funktionen verlieren, mit der Zeit abgebaut werden und aus dem Sprachsystem verschwinden. Betrachten wir das deutsche Genussystem, dann ist eine solche Entwicklung nicht einmal in Ansätzen oder als Tendenz festzustellen. Bereits diese Beobachtung zeigt uns, dass das Genus bestimmte Funktionen im deutschen Sprachsystem übernehmen muss. Befürworter dieser Sichtweise fokussieren dabei ihre Aufmerksamkeit auf eine der beiden folgenden Funktionsannahmen: Entweder wird das bereits beschriebene Phänomen der „Kongruenz“ als Hauptfunktion des deutschen Genus betrachtet oder ihre Eigenschaft, im Sprachsystem eine „Klassifikation“ vorzunehmen (Schwarze 2008: 75). Während beispielsweise Corbett (1991) vorschlägt, „agreement“, also Kongruenz, als wichtigste Funktion des Genus anzunehmen, sieht Wegener (1995a) die „Grundfunktion der Genera“ darin, „den nominalen Wortschatz einer Sprache zu gliedern, zu klassifizieren“ (Wegener 1995b: 60, siehe auch: Bittner 1994: 66ff., Lemke 2008: 106 und Aikhenvald 2004: 1031f.). Doch diese „klassifikatorische Funktion“ sei im Deutschen „nur höchst unvollkommen“ (Wegener 1995b: 1). Aus diesem Grund komme den syntaktischen Funktionen im Deutschen wohl eine bedeutendere Rolle zu (vgl. Wegener 1995b: 62). Dazu zählen zum Beispiel die Klammerbildung und die Herstellung von Textkohärenz (siehe Wegener 1995b: 65 und Montanari 2010: 178f.). Hinzu kommen auch semantische und lexikalische Funktionen: „Es trägt zum systematischen Aufbau des Lexikons bei (Rothweiler/Meibauer 1999; […]) und hilft, die Welt in Bedeutungskategorien der Belebtheit, Geschlechtigkeit und Zählbarkeit zu fassen (Leiss 2000)“ (Montanari 2010: 178).
Das Genus erfüllt zudem eine „numerusdifferenzierende Aufgabe“ (ebd.):
(31) | der Würfel | → | die Würfel |
das Kaninchen | → | die Kaninchen |
2.3 Das Kasussystem des Deutschen
Im Deutschen sind die vier Merkmale Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv in der Merkmalklasse Kasus vorzufinden. Im Gegensatz zum Genus, bei dem für die einzelnen Nomen die Merkmale feststehen und nicht geändert werden können, sind in der Kategorie Kasus die Merkmale durch die umgebenden syntaktischen Gegebenheiten bestimmt. Die Kategorien Genus, Numerus und Kasus erzeugen zusammen die Kongruenz innerhalb der Nominalphrase. Wie erfolgt dabei die Markierung des Kasus im Deutschen? Wie sieht es mit den Gesetzmäßigkeiten in dieser Kategorie aus? Und welche Funktionen erfüllt der Kasus? Diese Fragen sollen im Folgenden kurz beantwortet werden, ohne den Anspruch zu erheben, auf die facettenreichen Diskussionspunkte und die einzelnen Theorien in der „kaum mehr überschaubaren Literatur“ (Wegener 1995b: 120) zum Kasus einzugehen und diese zu erfassen.
Nach Blake (2004: 1073) markiert Kasus vor allem „the relationship of a noun phrase to a verb“, so dass man demnach bei der Beschreibung der Kasusmarkierungen im Deutschen sowohl die Ebene der Morphologie als auch die Ebene der Syntax betrachten muss. Mit Hinblick auf den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden der Blick auf die Markierung beim Nomen, beim Artikel und beim Adjektiv fokussiert werden.
Während bei der Kategorie Numerus die Pluralmarkierung ausschließlich am Nomen erfolgt, werden in der Kategorie Kasus „die Kasusmarker in wenigen Fällen (Genitiv-Singular und Dativ-Plural) am Nomen selbst realisiert“ (Wegener 1995b: 142):
(32) | Genitiv-Singular: | → Der Hund des Mannes im 2. Stock bellt immer. |
(33) | Dativ-Plural: | → Er schenkt den Schwestern immer die gleichen Geschenke. |
Ansonsten erfolgt die Markierung an den Determinierern und bzw. oder – wenn vorhanden – am Adjektiv, während der Determinierer „the maximum amount of differentation“ (Blake 2004: 1078) aufweist:
Neutrum | Maskulinum | Femininum | |
Nominativ | das dicke Buch | der kleine Tisch | die schöne Tasche |
Akkusativ | das dicke Buch | den kleinen Tisch | die schöne Tasche |
Dativ | dem dickenBuch(e) | dem kleinenTisch(e) | der schönenTasche |
Genitiv | des dickenBuches | des kleinen Tisches | der schönenTasche |
Tabelle 4: Kasusmarkierung im Deutschen (im Singular)
Es ist anzumerken, dass die oben dargestellten Markierungen nur für die Merkmalsausprägung im Singular gelten. Für Pluralnomina sind andere Markierungen festzustellen:
Neutrum | Maskulinum | Femininum | |
Nominativ | die dickenBücher | die kleinen Tische | die schönenTaschen |
Akkusativ | die dickenBücher | die kleinen Tische | die schönenTaschen |
Dativ | den dickenBüchern | den kleinenTischen | den schönenTaschen |
Genitiv | der dickenBücher | der kleinen Tische | der schönenTaschen |
Tabelle 5: Kasusmarkierung im Deutschen (im Plural)
Die Beobachtung dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen der einzelnen Nomina im Deutschen führen dazu, dass verschiedene Flexionsklassen definiert werden, deren Anzahl „von 3 bis 77“ (Wegener 1995b: 147) reicht – je nachdem, wie die Definitionen vorgenommen werden. Oft unterscheiden sich diese Einteilungen auch in den verwendeten Begrifflichkeiten, so dass dabei auch beispielsweise von „Deklinationsart, Paradigma und Formenreihe“ (Dudenredaktion 2006: 196) und „Deklinationsklasse“ (Thieroff/Vogel 2012: 43) die Rede ist. Dabei wird auch die Numerusflexion bei diesen Klassenformulierungen berücksichtigt.
Im Folgenden sollen die bestehenden Regularitäten der Kasusflexion nach der Darstellung von Wegener (1995a: 146f.) und in Anlehnung an Duden (2006: 296ff.) skizziert werden.
Die Analyse der Tabellen 4 und 5 ergibt, dass „vier Deklinationstypen für singularische Nomina und zwei Deklinationstypen für Pluralnomina“ (Wegener 1995b: 146) aufgestellt werden können:
Typ | Flexion | Genus | Kasus | Beispiele | |
Sg. | 1 | (e)s-Flexion | Maskulina,
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