ich im Central Park Schlittschuhlaufen.“
Übervorsichtig setzte sie einen Fuß vor und wäre prompt wieder ausgerutscht, hätte ich sie nicht im letzten Moment aufgefangen.
„Winter scheint nicht so deins zu sein”, bemerkte ich, musste mir das Grinsen aber verkneifen. Emmas rotgefrorenes Näschen und ihr verhuschter Gesichtsausdruck waren einfach so süß, dass ich sie am liebsten an Ort und Stelle vernascht hätte.
Doch das behielt ich für mich. So wie ich sie einschätzte, wäre sie sofort dabei gewesen. Aber das ging gar nicht. Das kleine Stadtmädel hätte sich eine Lungenentzündung eingefangen.
Und wenn sie dabei auch noch den Fuchs entdeckt hätte und eventuell auch den Elch, der uns aus sicherer Entfernung angstvoll beäugte, hätten wir gleich wieder abreisen können. Gleich nachdem ich den Jeep aus dem Hügel befreit hatte. Was nicht besonders schwierig werden würde. Aber Emma sollte den richtigen Eindruck von mir bekommen. Ja, ich war ein Schwein. Doch ich würde alles tun, damit Emma mich auch wirklich so sehr liebte wie ich sie. Und wenn ich dafür Elche verscheuchen, Füchse verheimlichen und einen angeblich festgefahrenen Jeep mit Allradantrieb befreien musste.
Oder ihrem unfähigen Boss ein halbes Dutzend Aushilfskräfte beschaffte. Und meinem Freund vom Buffalo Manager Magazine 100.000 extra zusteckte. Darum musste ich mich auch noch kümmern, sobald Emma in der Wanne saß, denn noch hatte ich keine Ahnung, wie es in der Sache stand.
„Hoffen wir, dass bis zum Ende der Woche ein bisschen Schnee geschmolzen ist”, murmelte ich und zwinkerte Emma zu.
„Bloß nicht. Ich finde den Schnee toll!“, protestierte sie überraschenderweise und ließ sich bereitwillig von mir ins Haus führen.
„Ach du meine Güte! Was ist denn mit dem armen Kerl passiert?”, rief sie, kaum dass ich die Tür aufgeschlossen hatte.
Sie schlug eine dick behandschuhte Hand, an der auch noch ihr Schal hing, auf ihren aufgerissenen Mund, sodass von ihrem Gesicht nur noch das rote Näschen und die kugelrunden Augen zu sehen waren.
Mein Gott, sie war so süß!
Aber noch war keine Zeit für ein Schäferstündchen. Armen Kerl vertreiben, Jeep umparken, Ricky anrufen, Jeep auspacken, Emma anpacken.
Ich sah mich nach einem armen Kerl um. Sollte sich ein Trapper hierher verirrt haben? Oder hatte Gelber Bär es sich in meinem Haus gemütlich gemacht, weil er bei sich Heizkosten sparte?
Es war weder das eine, noch das andere. Emma sprach tatsächlich von dem Weihnachtsbaum.
5
DER ARME KERL
EMMA
Ich starrte auf eine riesige Tanne. Wie eine Trennwand stand das wunderschön gewachsene Teil im Eingangsbereich, zwischen dem Wohnzimmer und dem Esstisch mit den vielen Stühlen.
Der ganze Raum war erfüllt von dem ätherischen Öl, das der Baum verströmte, und ein bisschen nach Harz. Es duftete himmlisch.
Aber die Tanne war alles andere als festlich geschmückt. Keine Kugeln, keine hübschen Anhänger. Noch nicht einmal einfache Strohsterne.
Wenn wenigstens jemand eine Lichterkette darüber geworfen hätte. Aber nichts. Gar nichts. Der Baum blickte mich dunkelgrün, nackt und traurig an.
„Ich will ihn schmücken”, flüsterte ich wie Gollum persönlich.
Jacobs Griff um meine Taille wurde fester.
„Erstmal kommst du mit ins Bad.”
Ich machte mich steif. „Aber ...“
„Nichts aber. Wenn du jetzt krank wirst, hilft uns das auch nicht weiter. Komm.“
Jacob zerrte an mir und ich hatte keine Chance gegen ihn. Widerwillig stolperte ich hinter ihm her, doch mein Blick klebte immer noch an der Tanne.
Einen so schönen Baum hatte ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen. Der Superbaum am Rockefeller Center in New York war zwar größer, doch der hier war viel schöner. Aber groß war er auch. Er reichte von dem Holzboden, auf dem er stand, bis in den Dachfirst. Diese Blockhütte besaß nämlich eine offene Galerie.
„Hast du ihn schon abgeschmückt? Du oder der- oder diejenige, der oder die dafür zuständig ist?”
Wir waren im oberen Stockwerk angekommen. Holzwände und schöne Gemälde mit indianischen Motiven - genau so hatte ich dieses Haus in Erinnerung. Doch auch hier gab es keinen Weihnachtsschmuck.
„Redest du immer noch von dem Baum?“
„Natürlich.“
Wie konnte man nicht von diesem Baum reden?
Jacob konnte. Geradezu brutal schob er mich ins Bad.
„Ausziehen“, kommandierte er mich herum und stürzte sich auf die Wanne.
Er spritzte sie aus, versenkte den Stöpsel und ließ heißes Wasser ein. Es dampfte kräftig um die Armatur herum.
„Welchen Duft bevorzugst du?“
Inzwischen stand Jacob vor einem schmalen, hohen Regal, in dem allerlei hübsch aussehende Pflegemittel aufbewahrt wurden.
„Tanne“, hauchte ich und ließ meinen dicken Rollkragenpullover auf meine dicke Daunenjacke fallen.
„Hm”, machte Jacob.
Seine Augen schauten mich ungefähr so gierig an, wie ich vorhin den Weihnachtsbaum betrachtet hatte.
Ein Lächeln der Vorfreude huschte über mein Gesicht.
„Nichts da!“, sagte Jacob streng. Entschieden nahm er eine Flasche mit einem rötlichen Inhalt aus dem Regal. Das war doch nie im Leben Tanne.
„Aber ich habe lange genug gewartet“, wisperte ich.
„Genau wie ich. Und weil sogar ich das schaffe, wirst auch du noch eine halbe Stunde aushalten können. Du musst dich unbedingt aufwärmen.“
Jacob gab einen kräftigen Schuss von dem roten Badezeug ins Wasser. Sofort duftete es sommerlich nach Kirsche.
Nicht mal Glühwein, dachte ich enttäuscht.
Ich wusste ja, wie undankbar ich war, doch wenn man mir einen ungeschmückten Weihnachtsbaum zeigte, gleich nachdem ich eine weiße Winterlandschaft gesehen hatte, dann glaubte mein Gehirn, wir hätten Weihnachten.
Wo ich doch so vernarrt war in Weihnachten ...
Und wenn dann auch noch Jacob dazukam, war es ganz um mich geschehen. Das war dasselbe, als wenn mir jemand eine schwierige Matheaufgabe vorlegte. Dann wollte ich sie lösen. Und dann gab ich nicht eher Ruhe, bis das Ergebnis dastand.
Meine Enttäuschung unterdrückend pellte ich mich aus den nassen Jeans und sagte in verführerischen Ton: „Mir ist schon ganz heiß.”
Lachend drückte Jacob mir einen Kuss auf die Stirn. „Dein niedlicher Strip in allen Ehren, du kleine Schlange, aber deine Gesundheit geht vor!“
Blitzschnell schoss meine Rechte vor. Hatte ich es mir doch gedacht! Jacobs Teil gierte nach mir.
„Willst du mir ernsthaft vormachen, dass du keine Lust auf eine Runde Schlammcatchen hast?“, gurrte ich.
„Das fühlt sich sehr … angenehm an. Aber … Nein … Hüpf endlich in die Wanne. Diese Stange schmilzt gleich beim Jeepbefreien dahin.” Jacob floh geradezu aus dem Bad.
„Beeil dich. Und dann komm schnell zu mir in die Wanne”, rief ich ihm aus Leibeskräften hinterher, um sein Getrampel auf der Holztreppe zu übertönen.
„Entspann dich, Emma, und wärm dich vor allen Dingen auf. Wir haben noch eine ganze Woche, um uns