…
Kapitel 50 – Yatimè stieß einen …
Kapitel 51 – Charlotte blickte besorgt …
Kapitel 52 – Jonathan Archer ergriff …
Kapitel 53 – Humboldt spähte durch …
Kapitel 54 – Sir Jabez Wilson …
Kapitel 56 – Großer Gott, seht …
Kapitel 57 – Jabez Wilson sah …
Kapitel 58 – Im Tempelbezirk war …
Kapitel 61 – Jabez Wilson wischte …
Kapitel 62 – Charlotte blickte missmutig …
Kapitel 63 – Fünf Töne waren …
Kapitel 64 – Da kommen sie.« …
Kapitel 65 – Die Reparaturen an …
Kapitel 68 – Charlotte!« Frau Riethmüller …
Prolog
Westafrika, Oktober 1893 …
Richard Bellheim war nicht leicht zu beeindrucken, dafür hatte er schon zu viel gesehen und zu viel erlebt.
Doch in diesem Augenblick fühlte selbst er sich wie verzaubert.
Die Sonne war hinter der verborgenen Stadt aufgegangen und überflutete die Säulen und Dächer des Tempels mit goldenem Licht. Der sanfte Ostwind vertrieb die Wolkenschleier und ließ die Lehmbauten hervortreten wie eine Fata Morgana. Ein Greifvogel zog weite Kreise darüber, während seine lang gezogenen Schreie in den Schluchten rund um den Tafelberg verhallten. Der Völkerkundler schloss die Augen.
Er hatte es geschafft.
Die Tafelberge von Bandiagara waren ein sagenumwobener Ort. Den Überlieferungen zufolge hatte hier oben einst ein Volk gelebt, das ein unerklärliches Wissen über die Sterne und Planeten besessen hatte. Ein Volk, das auf rätselhafte Weise in dieses Land gekommen und dann wieder verschwunden war. Unzählige Legenden rankten sich darum, manche von ihnen so seltsam, dass sie unmöglich wahr sein konnten. Doch Bellheim war kein Mann, der schnell aufgab.
Ihm eilte der Ruf als bedeutendster Völkerkundler Afrikas voraus, und das aus gutem Grund. Er war weiter gereist und tiefer in die Geheimnisse fremder Völker eingedrungen als je ein Mensch vor ihm.
In der Ferne rechts und links von ihm ragten weitere Erhebungen aus der Ebene. Jede von ihnen mehrere Hundert Meter hoch. Reisende hatten stets mit Ehrfurcht und Zurückhaltung von ihnen gesprochen. Düster und Unheil verkündend sahen sie aus, beinahe wie eine Warnung. Doch der Völkerkundler war zu weit gekommen, um jetzt noch umzukehren. Wenn Angst und Furcht seine Ratgeber gewesen wären, hätte er Berlin vermutlich nie verlassen. Abgesehen davon würde er ja bald heimkehren. Dann ging es nach Hause und zurück in die Hörsäle, wo er dem staunenden Publikum berichten würde, welche Wunder der Schwarze Kontinent beherbergte.
Den Hut weit in den Nacken geschoben, sah er sich erst einmal um.
Feigen und Granatapfelbäume spendeten Schatten und machten das Gehen in der verlassenen Stadt angenehm. Zikaden summten, und hin und wieder flatterte ein Falter durch sein Blickfeld.
Einen Moment lang ließ er den Anblick auf sich wirken, dann marschierte er los. Durch die Umfriedungsmauer, an den verwahrlosten Gärten vorbei und die Stufen hinauf, die zum Haupteingang des Tempels führten. Hier musste er für einen Augenblick pausieren. Die schwere Steintür war fest verschlossen. Fenster gab es keine und so konnte er nur erahnen, was im Inneren auf ihn wartete. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er den Mechanismus entdeckte, mit dem sich die Tür öffnen ließ. Bellheim nahm seinen ganzen Mut zusammen und zog an dem Riegel. Ein tiefes Rumpeln war zu hören. Jahrhundertealter Staub rieselte aus der Türfüllung, als die schwere Steinplatte zur Seite glitt. Kalte, abgestandene Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach Staub und Erde. Ein leichter Blütenduft war zu erkennen, doch das konnte auch Einbildung sein. An solchen Orten spielten einem die Sinne schon mal einen Streich. Der Völkerkundler schlug den Kragen hoch und krempelte seine Ärmel runter.
Das Innere war in ein geheimnisvolles Halbdunkel getaucht. Oben in der Kuppel war ein Loch, das mit einer Scheibe aus durchsichtigem Material verschlossen war. Glas oder Bergkristall vielleicht. Im fahlen Licht, das durch die Öffnung fiel, tanzten Myriaden von Staubteilchen. Seine Augen benötigten eine Weile, um sich an die seltsamen Lichtverhältnisse zu gewöhnen.
Der Tempel war verlassen. Seit Ewigkeiten hatte ihn niemand betreten. Auf dem mit Sand bedeckten Boden wäre jeder Fußabdruck sofort zu sehen gewesen. In der Mitte des Tempels – dort, wo der Lichtstrahl auftraf – erblickte Bellheim eine Aufwölbung. Etwa eins fünfzig breit und einen halben Meter hoch. Sie war größtenteils mit Sand und Staub bedeckt, doch an manchen Stellen war ein feines grünes Schimmern zu erkennen. Es war eine Art Kugel, die im Sand vergraben war, und sie schien von innen heraus zu leuchten. Vorsichtig trat er näher. Das Knirschen seiner Sohlen hallte von den Wänden wider. Wieso nur hatte er das Gefühl, von Dutzenden von Augen beobachtet zu werden? Ein feines Wispern lag in der Luft.
Bellheim ging weiter, bis er die Aufwölbung erreichte. Jetzt war es deutlicher. Unter dem Sand schimmerte etwas Grünes. Er ging in die Hocke und fegte die Kristalle mit der Hand beiseite. Der Untergrund war glatt und glänzend.
Was um alles in der Welt war das?
Eingefasst in schwarzen Onyx mit einem Ring aus Gold in der Erde verankert lag ein grüner Stein, dessen Oberfläche seltsam geschmolzen wirkte. Das Material war transparent, als würde es sich um ein spezielles Glas handeln. Aber Glas war es gewiss nicht. Ein Smaragd vielleicht? Oder ein anderer Edelstein? Vielleicht aus dem Inneren der Erde …
Bellheim