Wohlan denn, in welche von diesen beiden Künsten sollen wir den Herrscher stellen? Etwa in die beurteilende wie einen Zuschauer? oder sollen wir lieber sagen daß er zu der gebietenden Kunst gehöre, da er ja doch Herr ist?
Der jüngere Sokrates: Wie sollten wir nicht lieber dies?
Fremder: Die gebietende Kunst müssen wir also nun wieder betrachten ob sie sich wo trennt. Und mich dünkt allerdings, so ohngefähr wie die Kunst der eigentlichen Kaufleute sich absondert von der Kunst der Eigenhändler, so auch das Geschlecht der Herrscher von dem der Herolde sich auszusondern.
Der jüngere Sokrates: Wie das?
Fremder: Fremde Arbeiten, die ihnen zuvor verkauft worden, nehmen doch die Kaufleute und verkaufen sie zum zweitenmale wieder?
Der jüngere Sokrates: Freilich.
Fremder: So auch die vom Stamm der Herolde lassen sich fremde Gedanken auftragen, und tragen sie zum zweitenmale Andern auf.
Der jüngere Sokrates: Ganz richtig.
Fremder: Wie also? wollen wir die Herrscherkunst in Eins vermengen mit der dolmetschenden, Befehle ausrufenden, oder mit der Wahrsagekunst und Heroldskunst und vielen andern verwandten Künsten, denen ebenfalls ein Gebieten zukommt? oder sollen wir dem womit wir die Sache eben verglichen auch den Namen nachbilden, da ohnedies fast unbenannt ist die Gattung der Eigengebietenden? und also auf diese Weise teilen, daß wir das ganze Geschlecht der Könige in die selbstgebietende Kunst stellen, um die übrigen aber uns gar nicht weiter bekümmernd Andern überlassen ihnen einen Namen beizulegen? Denn nur auf den Herrscher ging unsere Untersuchung, nicht auf das entgegengesetzte.
Der jüngere Sokrates: Allerdings.
(261) Fremder: Also da sich dies ziemlich von jenem unterscheidet, ausgesondert durch das Verhältnis der Fremdheit zur Eigentümlichkeit, so müssen wir auch dieses wiederum trennen, wenn es irgendwo nachgeben will, daß wir durchschneiden können.
Der jüngere Sokrates: Freilich.
Fremder: Und das scheint es ja zu wollen. Folge mir nur und schneide mit.
Der jüngere Sokrates: Wo denn?
Fremder: Wen wir uns nur immer als Herrscher denken, der ein Gebieten anwendet, werden wir nicht immer finden, daß der, damit irgend etwas entstehe, gebietet?
Der jüngere Sokrates: Weshalb sonst?
Fremder: Alles entstehende aber in zwei Teile zu sondern ist gar nicht schwer.
Der jüngere Sokrates: Wie doch?
Fremder: Nimmst du es nämlich insgesamt, so ist einiges davon beseelt, anderes unbeseelt.
Der jüngere Sokrates: Ja.
Fremder: Und eben hiernach laß uns der einsichtigen Erkenntnis gebietenden Teil, wenn wir ihn zerschneiden wollen, zerschneiden.
Der jüngere Sokrates: Wonach?
Fremder: Indem wir einiges davon den Entstehungen des Unbeseelten zueignen, anderes denen des beseelten, und so wird das Ganze in zwei Teile geteilt sein.
Der jüngere Sokrates: Allerdings.
Fremder: Den einen Teil davon lassen wir liegen, den anderen nehmen wir auf, und nachdem wir ihn aufgenommen, teilen wir ihn wieder in zwei Teile.
Der jüngere Sokrates: Welchen von beiden meinst du aber sollen wir aufnehmen?
Fremder: Offenbar doch den über das lebendige gebietenden. Denn die königliche Kunst hat ja nicht etwa unbeseeltes anzuordnen wie die Baukunst: sondern edlerer Art besitzt sie an dem lebendigen und über dieses immer ihre Macht.
Der jüngere Sokrates: Richtig.
Fremder: Und die Entstehung und Ernährung des Lebendigen könnte man ansehn teils als vereinzelte, teils als eine gemeinschaftlich über das in Herden lebende Vieh sich erstreckende Sorgfalt.
Der jüngere Sokrates: Richtig.
Fremder: Aber den Staatsmann werden wir doch nicht mit wenigen einzelnen beschäftiget finden wie den Ochsenjungen oder Reitknecht, sondern mehr gleicht er einem der Pferdezucht und Rindviehzucht im Großen treibt.
Der jüngere Sokrates: Das leuchtet mir ein, nun es gesagt ist.
Fremder: Wollen wir also von Aufziehung des Lebendigen die gemeinsame Wartung vieler zugleich die Gemeinzucht oder Herdenzucht nennen?
Der jüngere Sokrates: Wie sich beides in der Rede am besten treffen mag.
Fremder: Sehr gut, Sokrates. Und wenn du dich davor hütest es nicht zu ernsthaft zu nehmen mit den Worten, wirst du wenn du älter wirst reicher sein an Einsicht. Jetzt also wollen wir es wie du rietest machen. Die Herdenzucht aber siehst du leicht wie die einer als zwiefach darstellen, und das jetzt im doppelten gesuchte uns dann nur in der Hälfte wird suchen lassen.
(262) Der jüngere Sokrates: Ich will es versuchen, und mich dünkt eine andere zu sein die Auferziehung der Menschen und eine andere die der Tiere.
Fremder: Recht wacker und frisch hast du das geteilt. Aber daß uns doch dies wo möglich nicht noch einmal begegne.
Der jüngere Sokrates: Was doch?
Fremder: Daß wir nicht ein kleines Teilchen allein von vielen und großen anderen aussondern, und nie ohne einen Begriff; sondern jeder Teil habe zugleich seinen eignen Begriff. Denn am schönsten ist das freilich aus allem übrigen gleich das gesuchte herauszusondern, wenn es sich richtig damit verhält; so wie du eben glaubend daß die Einteilung sich verhalte uns die Rede beschleuniget hast, weil du sähest, daß sie auf den Menschen losging. Aber Lieber, schnitzeln ist hier nicht sicher, sondern weit sicherer mitten durchschneiden. So trifft man auch mehr auf Begriffe, und darauf kommt doch Alles an bei Untersuchungen.
Der jüngere Sokrates: Wie meinst du das nur, Fremdling?
Fremder: Ich will versuchen es noch deutlicher zu erklären, Sokrates, aus Wohlgefallen an deiner Gemütsart. An dem jedoch was uns jetzt vorliegt ist unmöglich es ohne Mangel deutlich zu machen; laß uns aber versuchen die Sache noch um ein klein weniges weiter vorwärts zu bringen der Deutlichkeit wegen.
Der jüngere Sokrates: Was meinst du also hätten wir eben bei unserer Einteilung nicht recht gemacht?
Fremder: Dieses, wie wenn jemand das menschliche Geschlecht in zwei Teile teilen wollte, und täte es wie hier bei uns die Meisten zu unterscheiden pflegen, daß sie das Hellenische als Eines von allem übrigen absondern für sich, alle andern unzähligen Geschlechter insgesamt aber, die gar nichts unter einander gemein haben und gar nicht übereinstimmen, mit einer einzigen Benennung Barbaren heißen, und dann um dieser einen Benennung willen auch voraussetzen, daß sie Ein Geschlecht seien. Oder wenn einer glaubte die Zahl in zwei Arten zu teilen, wenn er aus dem Ganzen eine Myriade herausschnitte, die er als eine Art absonderte, und dann alles übrige ebenfalls mit einem Worte bezeichnen und wegen dieser Benennung hernach glauben wollte, dieses sei nun mit Ausnahme von jenem die andere Art davon. Besser aber und mehr nach Arten und in die Hälften hätte er sie geteilt, wenn er die Zahl in gerades und ungerades zerschnitten, und so auch das menschliche Geschlecht in männliches und weibliches. Lydier aber und Phrygier und so mehrere allen übrigen entgegenstellen und abschneiden könnte er dann, wenn er aufgeben müßte Teil und Art zugleich zu finden beim Zerschneiden.
(263) Der jüngere Sokrates: Ganz richtig. Aber eben dieses,