daß sie die notwendigen Vorstellungen der menschlichen Natur, ja, die objektiven, die gottgemäßen Vorstellungen sind. Jeder Religion sind die Götter der andern Religionen nur Vorstellungen von Gott, aber die Vorstellung, die sie von Gott hat, ist ihr Gott selbst, Gott, wie sie ihn vorstellt, der echte, wahre Gott, Gott, wie er an sich ist. Die Religion begnügt sich nur mit einem ganzen, rückhaltslosen Gott; sie will nicht eine bloße Erscheinung von Gott; sie will Gott selbst, Gott in Person. Die Religion gibt sich selbst auf, wenn sie das Wesen Gottes aufgibt; sie ist keine Wahrheit mehr, wo sie auf den Besitz des wahren Gottes verzichtet. Der Skeptizismus ist der Erzfeind der Religion. Aber die Unterscheidung zwischen Gegenstand und Vorstellung, zwischen Gott an sich und Gott für mich ist eine skeptische, also irreligiöse Unterscheidung.
Was dem Menschen die Bedeutung des Ansichseienden hat, was ihm das höchste Wesen ist, das, worüber er nichts Höheres sich vorstellen kann, dieses ist ihm eben das göttliche Wesen. Wie könnte er also bei diesem Gegenstande noch fragen, was er an sich sei? Wenn Gott dem Vogel Gegenstand wäre, so wäre er ihm nur als ein geflügeltes Wesen Gegenstand: der Vogel kennt nichts Höheres, nichts Seligeres, als das Geflügeltsein. Wie lächerlich wäre es, wenn dieser Vogel urteilte: mir erscheint Gott als ein Vogel, aber was er an sich ist, weiß ich nicht. Das höchste Wesen ist dem Vogel eben das Wesen des Vogels. Nimmst du ihm die Vorstellung vom Wesen des Vogels, so nimmst du ihm die Vorstellung des höchsten Wesens. Wie könnte er also fragen, ob Gott an sich geflügelt sei? Fragen, ob Gott an sich so ist, wie er für mich ist, heißt fragen, ob Gott Gott ist, heißt über seinen Gott sich erheben, gegen ihn sich empören.
Wo sich daher einmal das Bewußtsein des Menschen bemächtigt, daß die religiösen Prädikate nur Anthropomorphismen, d.h. menschliche Vorstellungen sind, da hat sich schon der Zweifel, der Unglaube des Glaubens bemächtigt. Und es ist nur die Inkonsequenz der Herzensfeigheit und der Verstandesschwäche, die von diesem Bewußtsein aus nicht bis zur förmlichen Verneinung der Prädikate und von dieser bis zur Verneinung des zugrunde liegenden Wesens fortgeht. Bezweifelst du die gegenständliche Wahrheit der Prädikate, so mußt du auch die gegenständliche Wahrheit des Subjekts dieser Prädikate in Zweifel ziehen. Sind deine Prädikate Anthropomorphismen, so ist auch das Subjekt derselben ein Anthropomorphismus. Sind Liebe, Güte, Persönlichkeit menschliche Bestimmungen, so ist auch das Grundwesen derselben, welches du ihnen voraussetzest, auch die Existenz Gottes, auch der Glaube, daß überhaupt ein Gott ist, ein Anthropomorphismus – eine durchaus menschliche Voraussetzung. Woher weißt du, daß der Glaube an Gott überhaupt nicht eine Schranke der menschlichen Vorstellungsweise ist? Höhere Wesen – und du nimmst ja deren an – sind vielleicht so selig in sich selbst, so einig mit sich, daß sie sich nicht mehr in der Spannung zwischen sich und einem höhern Wesen befinden. Gott zu wissen und nicht selbst Gott zu sein, Seligkeit zu kennen und nicht selbst zu genießen, das ist ein Zwiespalt, ein Unglück. Höhere Wesen wissen nichts von diesem Unglück; sie haben keine Vorstellung von dem, was sie nicht sind.
Du glaubst an die Liebe als eine göttliche Eigenschaft, weil du selbst liebst, du glaubst, daß Gott ein weises, ein gütiges Wesen ist, weil du nichts Besseres von dir kennst als Güte und Verstand, und du glaubst, daß Gott existiert, daß er also Subjekt oder Wesen ist – was existiert, ist Wesen, werde es nun als Substanz oder Person oder sonstwie bestimmt und bezeichnet – weil du selbst existierst, selbst Wesen bist. Du kennst kein höheres menschliches Gut, als zu lieben, als gut und weise zu sein, und ebenso kennst du kein höheres Glück, als überhaupt zu existieren, Wesen zu sein; denn das Bewußtsein alles Guten, alles Glückes ist dir an das Bewußtsein des Wesenseins, der Existenz gebunden. Gott ist dir ein Existierendes, ein Wesen aus demselben Grunde, aus welchem er dir ein weises, ein seliges, ein gütiges Wesen ist. Der Unterschied zwischen den göttlichen Eigenschaften und dem göttlichen Wesen ist nur dieser, daß dir das Wesen, die Existenz nicht als ein Anthropomorphismus erscheint, weil in diesem deinem Wesensein die Notwendigkeit liegt, daß dir Gott ein Existierendes, ein Wesen ist, die Eigenschaften dagegen als Anthropomorphismen erscheinen, weil die Notwendigkeit derselben, die Notwendigkeit, daß Gott weise, gut, gerecht usw. ist, keine unmittelbare, mit dem Sein des Menschen identische, sondern durch sein Selbstbewußtsein, die Tätigkeit des Denkens vermittelte Notwendigkeit ist. Subjekt, Wesen bin ich, ich existiere, ich mag weise oder unweise, gut oder schlecht sein. Existieren ist dem Menschen das Erste, das Grundwesen in seiner Vorstellung, die Voraussetzung der Prädikate. Die Prädikate gibt er daher frei, aber die Existenz Gottes ist ihm eine ausgemachte, unantastbare, absolut gewisse, gegenständliche Wahrheit. Aber gleichwohl ist dieser Unterschied nur ein scheinbarer. Die Notwendigkeit des Subjekts liegt nur in der Notwendigkeit des Prädikats. Du bist Wesen nur als menschliches Wesen; die Gewißheit und Realität deiner Existenz liegt nur in der Gewißheit und Realität deiner menschlichen Eigenschaften. Was das Subjekt ist, das liegt nur im Prädikat; das Prädikat ist die Wahrheit des Subjekts; das Subjekt nur das personifizierte, das existierende Prädikat. Subjekt und Prädikat unterscheiden sich nur wie Existenz und Wesen. Die Verneinung der Prädikate ist daher die Verneinung des Subjekts. Was bleibt dir vom menschlichen Wesen übrig, wenn du ihm die menschlichen Eigenschaften nimmst? Selbst in der Sprache des gemeinen Lebens setzt man die göttlichen Eigenschaften: die Vorsehung, die Weisheit, die Allmacht statt des göttlichen Wesens.
Die Gewißheit der Existenz Gottes, von welcher man gesagt hat, daß sie dem Menschen so gewiß, ja gewisser als die eigne Existenz sei, hängt daher nur ab von der Gewißheit der Qualität Gottes – sie ist keine unmittelbare Gewißheit. Dem Christen ist nur die Existenz des christlichen, dem Heiden die Existenz des heidnischen Gottes eine Gewißheit. Der Heide bezweifelte nicht die Existenz Jupiters, weil er an dem Wesen Jupiters keinen Anstoß nahm, weil er sich Gott in keiner andern Qualität vorstellen konnte, weil ihm diese Qualität eine Gewißheit, eine göttliche Wahrheit war. Die Wahrheit des Prädikats ist allein die Bürgschaft der Existenz.
Was der Mensch als Wahres, stellt er unmittelbar als Wirkliches vor, weil ihm ursprünglich nur wahr ist, was wirklich ist – wahr im Gegensatz zum nur Vorgestellten, Erträumten, Eingebildeten. Der Begriff des Seins, der Existenz ist der erste, ursprüngliche Begriff der Wahrheit. Oder: ursprünglich macht der Mensch die Wahrheit von der Existenz, später erst die Existenz von der Wahrheit abhängig. Gott nun ist das Wesen des Menschen, angeschaut als höchste Wahrheit; Gott aber, oder, was eins ist, die Religion so verschieden, als verschieden die Bestimmtheit ist, in welcher der Mensch dieses sein Wesen erfaßt, als höchstes Wesen anschaut. Diese Bestimmtheit daher, in welcher der Mensch Gott denkt, ist ihm die Wahrheit und eben deswegen zugleich die höchste Existenz, oder vielmehr schlechtweg die Existenz; denn nur die höchste Existenz ist eigentlich erst Existenz und verdient diesen Namen. Gott ist darum aus demselben Grunde ein existierendes, wirkliches Wesen, aus welchem er dieses bestimmte Wesen ist; denn die Qualität oder Bestimmtheit Gottes ist nichts andres als die wesentliche Qualität des Menschen selbst, der bestimmte Mensch ist aber nur, was er ist, hat nur seine Existenz, seine Wirklichkeit in seiner Bestimmtheit. Dem Griechen kann man nicht die griechischen Eigenschaften nehmen, ohne ihm seine Existenz zu nehmen. Allerdings ist daher für eine bestimmte Religion, also relativ die Gewißheit von der Existenz Gottes eine unmittelbare; denn so unwillkürlich, so notwendig der Grieche Grieche war, so notwendig waren seine Götter griechische Wesen, so notwendig wirklich existierende Wesen. Die Religion ist die mit dem Wesen des Menschen identische Anschauung vom Wesen der Welt und des Menschen. Der Mensch steht aber nicht über seiner wesentlichen Anschauung, sondern sie steht über ihm; sie beseelt, bestimmt, beherrscht ihn. Die Notwendigkeit eines Beweises, einer Vermittlung des Wesens oder der Qualität mit der Existenz, die Möglichkeit eines Zweifels fällt somit weg. Nur, was ich von meinem Wesen absondere, ist mir etwas Bezweifelbares. Wie könnte ich also den Gott bezweifeln, der mein Wesen ist? Meinen Gott bezweifeln, heißt mich selbst bezweifeln. Nur da, wo Gott abstrakt gedacht wird, seine Prädikate durch philosophische Abstraktion vermittelte sind, entsteht die Unterscheidung oder Trennung zwischen Subjekt und Prädikat, Existenz und Wesen – entsteht der Schein, daß die Existenz oder das Subjekt etwas andres