Sergio Bambarén

Lebe deine Träume


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–, begriff ich vieles von dem ich damals, aus der Schule entlassen, niemals etwas vermutet hätte. Die reale Welt war völlig anders als die theoretischen Vorstellungen, die ich in der Schule gelernt hatte.

      Die »Wirtschaft« ist »ein menschlicher Dschungel«. Warum sage ich das? Ich bin in einem Land geboren, in dem der zweitgrößte Regenwald des Amazonas und der Erde liegt und habe diesen Ort viele Male besucht. Der Dschungel mit seinen wundervollen Tieren, Vögeln, mit allen möglichen Geschöpfen und Pflanzen ist kein Paradies, wie viele Menschen vielleicht glauben.

      Im Dschungel existiert eine Welt des Wettbewerbs, nach den Gesetzen der Natur. Tief im Herzen des Regenwaldes, wohin nur wenige Menschen kommen, geht es ums Überleben. Am Tag muss man in spezieller Kleidung reisen, damit die Moskitos (es sind Riesenmoskitos) einen nicht bei lebendigem Leibe aussaugen.

      Man muss sich den Weg mit einer Machete ebnen. Und man muss beten, dass es nicht regnet, da sturzflutartige Überschwemmungen dort an der Tagesordnung sind. Dann versinkt man im Schlamm. Oder man versucht, auf den umgefallenen Bäumen zu gehen, die überall herumliegen. Das sind tote Bäume, die für neue Bäume den Dünger bilden. Dabei muss man sehr vorsichtig sein. Denn über die umgefallenen Bäume zu gehen, bedeutet, dass man sich an jedem stehenden Baum festhalten muss, um die Balance nicht zu verlieren.

      Alle Geschöpfe des Regenwalds sind unglaublich geübt darin, sich vor ihren Feinden, den Raubtieren, zu verstecken. Manche von ihnen scheinen nur ein anderes Blatt zu sein, andere benutzen prächtige Farben, um dich wissen zu lassen, dass sie ein tödliches Gift ausscheiden bei dem Versuch, sie zu berühren. Andere wiederum passen sich den Farben ihrer Umgebung an. Und wenn man nicht gerade ein Experte ist, dann kann man in Millimeternähe an ihnen vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Das ist auch bei gigantischen Schlangen der Fall, die sich auf den Ästen der Bäume ausruhen. Ich habe alles mit eigenen Augen betrachtet und gelernt, dass der Dschungel kein so friedvoller und wundervoller Ort ist, wie man ihm nachsagt.

      Natürlich ist es eine völlig andere Geschichte, wenn man den Dschungel von einer bequemen Sitzbank auf einer der vielen luxuriösen Ausflugsjachten aus beobachtet, die unter viel sichereren Bedingungen die Flüsse entlangfahren, die manchmal wie Ozeane aussehen. Die magischen Sonnenuntergänge, die Stimmen der Tiere, die rosafarbenen Flussdelfine, die die Boote auf ihren Reisen begleiten, das alles sieht so schön aus, so friedvoll … aus der sicheren Perspektive eines Kreuzfahrtschiffes, das ist es jedoch nicht, wenn man im Inneren des Dschungels lebt.

      Vertrau mir, renn in eine sichere Hütte, bevor die Nacht hereinbricht! Dort wirst du erkennen, dass der stockdunkle Regenwald ein Ort ist, in dem die Raubtiere die Kleineren fressen oder die Schwächeren, oder was auch immer sie finden können!

      Klingt das nicht bekannt? Kennen wir nicht auch Raubtiere, die die Kleineren und Schwächeren fressen; die als Schafe verkleideten Wölfe, die immer bereit sind anzugreifen? Kennen wir Wölfe, die uns anlächeln und bereit sind, uns in den Rücken zu fallen, obwohl wir einfach nur unsere Arbeit machen wollen?

      Der Dschungel hält jedoch mit all seiner Schönheit und seiner Grausamkeit ein perfektes Gleichgewicht aufrecht. Hier haben alle Geschöpfe eine Chance und die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Raubtiere fressen nur, wenn sie Hunger haben. Sie töten nicht um der kranken Freude des Tötens willen. Alle Bäume haben eine Chance, groß zu werden und die Sonne zu erreichen, die ihnen das Licht zum Überleben spendet. Dadurch bleiben die meisten Kleintiere, mögen es nun Insekten, Frösche, Echsen, Geckos oder Ameisen sein, und das ganze Universum, das der Dschungel bildet, in relativer Sicherheit, können sich vermehren und geben den neuen Generationen eine Chance zu überleben.

      Stell dir jetzt denselben Dschungel vor, doch mit Gefühlen, von denen die Tiere, die im echten Dschungel leben, nichts wissen: Habgier, Konkurrenz, Prinzipienlosigkeit, Missgunst, Groll, Rache, Eifersucht, festgelegte Regeln, die immer wieder nicht befolgt werden …

      Wie würde solch ein Dschungel wohl aussehen? Es würde genauso aussehen wie die Arbeitswelt, in der wir leben!

      Bitte versteh mich nicht falsch: Die Mehrzahl der Menschen, die diesen wunderschönen Planeten bewohnen, den wir Erde nennen, sind ehrbare und ehrliche Menschen. Sie arbeiten hart und verfolgen ihre Träume, welche auch immer. Leider funktionierte das nur bis in den Sechzigerjahren und sogar noch bis in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts. Doch durch die technologische Revolution, in der wir immer noch leben, gibt es auf der ganzen Welt weniger arme Leute als noch vor fünf Jahrzehnten. Unsere Lebensspanne ist dank medizinischer Durchbrüche enorm gewachsen. Wir leben länger, gesünder, und die Geschwindigkeit der Kommunikation hat dazu geführt, dass wir uns eine Prothese ins Ohr setzen: das iPhone. Alles hat sich verändert und wird sich weiterhin verändern, und zwar sogar noch schneller.

      Natürlich ist es wunderbar, dass wir die Armut in der Welt verringert haben und dass die Sterberate neugeborener Kinder mit solcher Geschwindigkeit gesunken ist. Doch was wir nie wahrgenommen haben, ist, dass diese jetzt auf der ganzen Welt in Erscheinung tretende Mittelschicht danach lechzt, denselben Lebensstandard zu erreichen wie die westliche Gesellschaft. Sie waren arm, während die reichen Länder schon seit langer Zeit sehr gut gelebt hatten. Bisher konnten sie es nur im Fernsehen und im Kino sehen beziehungsweise in den Nachrichten hören. Jetzt möchten sie ihren eigenen Teil des Kuchens abhaben.

       Was bedeutet das alles?

      Dass die Welt sich in ein riesiges Einkaufszentrum verwandelt und unsere Gier, mehr zu besitzen, nicht aufhört. Der sonntägliche Gottesdienst wurde ausgetauscht durch den Zeitvertreib in den Einkaufszentren. Wir sind saftiges Fleisch für die großen Konzerne, die uns nicht als Menschen betrachten, sondern als ins Visier genommene Konsumenten. Für sie ist das Einzige, was zählt, der Profit, der für sie unterm Strich herauskommt. Das heißt, wie viel Geld sie für ihre Aktionäre erwirtschaften können, egal ob unsere Kinder Zombies werden, ob sie gierig nach der neuesten Angry Bird’s App, dem neuesten lasergesteuerten Plastikgewehr oder dem neuesten Videospiel greifen – je blutiger, desto faszinierter sind unsere Kinder.

      Die Konzerne haben für jede Altersklasse unterschiedliche Vermarktungsstrategien. Für Erwachsene wird das Auto ihrer Träume angeboten, das man in leicht abzahlbaren Raten erwerben kann, über viele Jahre natürlich. Mach schon! Nimm es! Keine Sofortzahlung! Gib einfach Gas, dreh die Musik auf und fahr dem Horizont entgegen!

      Sie möchten einen 3D-Fernseher? Wir haben sie in allen Größen und Typen. Und unsere Hausmarke, ob Sie es glauben oder nicht, der Preis hat seinen Tiefststand erreicht! Es war niemals preiswerter! Jetzt ist die richtige Zeit zu kaufen. Und die Zinsen sind niemals so niedrig gewesen …

      Und dann sind wir eines Tages, schneller als wir schauen können, ganz und gar in Schulden verstrickt. Dann müssen wir noch mehr arbeiten, um unsere Rechnungen für all das »Glück« zu bezahlen, mit dem die Konzerne uns reingelegt haben. Irgendwann sind wir in die Falle gegangen und befinden uns genau an dem Ort, an dem diese »geldfressenden Monster« uns für den Rest unseres Lebens gefangen halten möchten. So können sie sich den Rest unseres Lebens und unsere hart verdienten Ersparnisse weiterhin einverleiben. Wir arbeiten Tag für Tag, egal ob wir mögen, was wir tun. Und sie können uns weiterhin auf sehr subtile Art und Weise belügen. Sie suggerieren uns, dass wir das brauchen, was sie für uns haben. Sie stehlen unser Geld »ganz legal«, nur um die Gier der Besitzer ihrer Firmen und ihrer Aktionäre zu stillen.

      Früher oder später jedoch werden wir an irgendeinem Punkt unseres Lebens entdecken, dass das Glück, das wir uns von all diesen materiellen Spielsachen erhofft hatten, allmählich zu verblassen beginnt. Wir werden anfangen, uns leer zu fühlen und zu versuchen, diese Leere mit noch mehr materiellem Spielzeug zu füllen. Dann arbeiten wir noch härter und versuchen, auf der Karriereleiter weiter nach oben zu steigen, sodass uns das System sagen kann, wie erfolgreich