rund um die Technologien aufstellen würden, um eine Optimierung und wirkliche Innovation hervorzubringen, erkläre ich ihm auch, dass wir sicher sind, dass er in diesem Fall nicht konkurrenzfähig wäre, weil sein Unternehmen zu sehr damit beschäftigt ist, das bisherige Geschäftsmodell zu beschützen.
Nicht dass diese CEOs das, was Unternehmen wie Amazon und Netflix und andere getan haben, nicht bewundern würden – das tun sie in der Regel. Aber sie verstehen nicht, dass diese Lektionen sie selbst betreffen. Sie verstehen nicht, wovor Marc Andreessen sie zu warnen versuchte.
Natürlich gibt es viele mögliche Gründe, warum die Chefs dieser Unternehmen es nur langsam verstehen. Manchmal haben sie so lange in der alten Arbeitswelt gearbeitet, dass sie mehr Zeit brauchen, um die Veränderungen zu verstehen. Manchmal glaube ich auch, sie haben Angst vor der Technologie. Manchmal scheinen sie sich einfach gegen Veränderungen zu wehren. Aber letztlich sind das alles nur Entschuldigungen. Der Vorstand oder Aufsichtsrat sollte sicherstellen, dass ein CEO fähig ist, das Unternehmen erfolgreich zu führen.
Die Ironie darin ist, dass diese Unternehmen fast immer weitaus mehr für Technologie ausgeben, als sie es müssten. Tatsächlich habe ich nie mehr in die Technologie verschwendete Investitionen gesehen als bei jenen Unternehmen, die die eigentliche Rolle der Technologie nicht verstehen.
Ich erkläre ihnen dann, dass sie, statt Heerscharen von Entwicklern mit Söldnermentalität mit langen Feature-Listen der Stakeholder auszustatten, die nicht zu den gewünschten Geschäftsergebnissen führen werden, besser eine signifikant kleinere Anzahl von Mitarbeitern haben sollten, die, wenn es die richtigen Mitarbeiter sind, eine viel höhere Rendite erwirtschaften würden – Mitarbeiter, die die Aufgabe haben, Probleme des Unternehmens oder der Kunden zu lösen, und die für die Ergebnisse verantwortlich sind.
Um heutzutage zu einem der besten Unternehmen zu werden, braucht es Führungskräfte, die die fundamentale Rolle der Technologie verstehen.
Der Technology Leader
Wie ein Unternehmen die Rolle von Technologie bewertet, erkennt man gewöhnlich sehr gut daran, ob die produktverantwortlichen Entwickler einem CIO berichten (Chief Information Officer) bzw. einem IT-Leiter oder ob sie einem CTO berichten (Chief Technology Officer).
Dieser Sachverhalt scheint unwesentlich, ist aber meiner Erfahrung nach ein viel bedeutenderes Hindernis für Transformation, als die meisten Unternehmen erkennen.
Unter dem großen Vorbehalt, dass jeder einzelne CIO eine einzigartige Persönlichkeit ist und ich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebe, denke ich doch, dass dieser Punkt ernsthaft und ehrlich in Betracht gezogen werden sollte. Und es ist wichtig, anzuerkennen, dass der Job eines CIOs (das Managen der IT-Funktion) sowohl wichtig als auch schwierig ist.
Das Problem ist: Der CIO ist ganz und gar dazu da, dem Business zu dienen.
Genau das, was einen starken CIO ausmacht, kann leicht dazu führen, dass die unternehmerischen Ansätze zur Transformation unterminiert werden.
So erkläre ich mir, warum ich es als sehr schwierig erlebt habe, CIOs – selbst starke CIOs – dazu zu bringen, Einstellungen, Methoden und Praktiken von starken Tech-Unternehmen wertzuschätzen oder sich gar anzueignen.
Dazu kommt, dass die Produktentwickler – diejenigen, von denen die Zukunft Ihres Unternehmens abhängt – nur selten bereit sind, für einen CIO zu arbeiten, eben weil sie wissen, dass diese unterschiedlichen Einstellungen wichtig sind.
(Software-)Entwickler in einer CIO-Organisation spielen eine ganz andere Rolle als Entwickler in einer CTO-Organisation. Es ist der Unterschied zwischen Feature Teams und Product Teams mit Empowerment.
In einigen Fällen habe ich den CIO dazu ermuntert, sich zum CTO umzubenennen (weil ich glaubte, die Person sei den Herausforderungen dieser viel umfassenderen und umfangreicheren Rolle gewachsen), in anderen Fällen habe ich den CEO stark dazu ermuntert, für die Leitung des Product Developments einen wirklichen CTO einzustellen.
Anmerkungen
1 1 https://a16z.vom/201108/20/why-software-is-eating-the-world/.
2 2 https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-06-28/boeing-s-737-max-software-outsourced-to-9-an-hour-engineers.
3 3 Bob Lutz, Car Guys vs. Bean Counters: The Battle for the Soul of American Business (New York: Portfolio/Penguin, 2013).
3 Starkes Product Leadership
Im Zentrum dieses Buches steht die Bedeutung von starkem Product Leadership.
Mit »Product Leadership« meine ich die Führungskräfte und Manager des Product Managements, des Product Designs1 und des Engineerings.
Ich werde im Folgenden zwischen Führungskraft und Manager unterscheiden. Sicherlich sind viele Führungskräfte auch Manager und viele Manager auch Führungskräfte, aber selbst wenn beide Aufgaben von derselben Person übernommen werden, gibt es unterschiedliche Verantwortungsbereiche.
Von Leadership erwarten wir Inspiration. Die Aufgabe des Managements ist die Umsetzung von Vorgaben.
Die Aufgabe des Leaderships – Inspiration
Starkes Leadership ist natürlich ein wichtiges Thema, aber auch hier gibt einen klaren und sichtbaren Unterschied zwischen starken (Tech-)Unternehmen und den meisten Unternehmen.
Die Aufgabe eines starken Leaderships ist es, die Organisation zu inspirieren und zu motivieren.
Wenn Product Teams zu guten Entscheidungen befähigt werden sollen, müssen sie den strategischen Kontext kennen, der für eine gute Entscheidung nötig ist.
Ein Teil dieses strategischen Kontextes kommt von der Unternehmensleitung, so zum Beispiel die Mission und die wichtigsten Geschäftsziele. Product Leadership hingegen hat vier wichtige, explizite Verantwortlichkeiten:
Produktvision und -prinzipien
Die Produktvision beschreibt die Zukunft, die wir zu erschaffen versuchen, und vor allem, wie sie das Leben unserer Kunden verbessert.
Sie reicht gewöhnlich drei bis zehn Jahre in die Zukunft. Die Produktvision dient dem Technologie-Unternehmen als gemeinsames Ziel.
Es mag ganz unterschiedlich viele, funktionsübergreifende, »empowered« Product Teams geben – von ein paar wenigen in einem Start-up bis zu Hunderten in einem großen Konzern –, aber sie alle müssen in dieselbe Richtung arbeiten und auf ihre Art ihren Beitrag zur Lösung des größeren Problems leisten.
Einige Unternehmen bezeichnen die Produktvision als ihren »Nordstern« – so dass man immer, egal, in welchem Product Team man arbeitet und welches spezielle Problem man gerade zu lösen versucht, den Nordstern sehen und ihm folgen kann. Man weiß immer, welchen Beitrag der eigene Anteil zum großen Ganzen liefert.
Allgemeiner gesprochen ist die Produktvision das, was uns fortlaufend inspiriert und dazu motiviert, jeden Tag zur Arbeit zu kommen – Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Die Produktvision ist es auch, die bei der Gewinnung von kompetenten neuen Mitarbeitern im Product Team eine entscheidende Rolle spielt.
Produktprinzipien ergänzen die Produktvision.