Betrachtungszeitraum von >12 Monaten entstand die Grenzkurve aus Temperatur und rel. Porenluftfeuchte, die im WTA-Merkblatt hinterlegt ist (Bild 19; unterste durchgezogene Linie). Ergänzt wird hier die Abbildung mit zusätzlichen Kurven, die andere Zeiträume (3, 6 und 12 Monate) betrachten. Daraus wird ersichtlich, dass die WTA-Kurve mit Sicherheiten behaftet ist, da in der Regel dynamischen Prozesse nicht 12 Monate oder sogar noch länger andauern. Für die aus der Berechnung stammenden Tagesmittelwerte wurde dementsprechend im WTA-Merkblatt ergänzt: „In begründeten Ausnahmefällen können einzelne kurzfristige Überschreitungen akzeptiert werden.“ [62]
Bild 19. Möglichkeit der temperaturabhängigen Bewertung Simulationsergebnissen anhand der rel. Luftfeuchte im Holz, der sogenannten Porenluftfeuchte. Die unterste Kurve entspricht der Grenze nach WTA [62].
Die erstellte Grenzkurve wurde innerhalb der WTA-Arbeitsgruppe an rund 200 Berechnungen ausführlich getestet und zeigt für die untersuchten Bauteile plausible Ergebnisse, die mit Erfahrungen aus der Praxis abgeglichen wurden. Nach nun über fünf Jahren Erfahrung mit der Grenzkurve und den neusten Erkenntnissen [28] wird in der WTA-Arbeitsgruppe aktuell eine veränderte Grenzziehung besprochen. Dabei werden auch verschiedene Sicherheitsstufen diskutiert. Neben der bauphysikalischen Anforderung ist noch eine weitere Materialgrenze für Holz zu beachten. Handelt es sich bei dem Holzbauteil um ein tragendes Bauteil, sind die Nutzungsklassen aus der Tragwerksplanung (Eurocode 5) zu beachten. Die Tragfähigkeit und die Gebrauchstauglichkeit bei Holz hängen ebenfalls von der Umgebungs- und damit von der Holzfeuchte ab. Sind die Feuchten zu hoch, werden in der Statik Abminderungsfaktoren berücksichtigt. Dabei wird die mittlere Feuchte im gesamten Holzquerschnitt betrachtet. In der Nutzungsklasse 2 sind maximale Holzfeuchten von 20 M.-% zulässig. Die Bauphase wird in der Regel nicht separat betrachtet. Es ist folglich die Feuchte im eingeschwungenen Zustand zu beachten.
Beispiel Altbaudach
Anhand des folgenden Altbaudaches (Bild 20) wird exemplarisch aufgezeigt, dass die Grenzziehung der Holzfeuchte für die hygrothermische Bemessung geeignet ist. Bei älteren Dächern befindet sich unterhalb der hinterlüfteten Dachziegel oder unter einer Verblechung oder Verschieferung häufig eine Bitumenbahn auf einer Holzschalung, die als Unterdach dient. Will man solche Dächer energetisch von innen sanieren und den Sparrenzwischenraum dämmen, entsteht eine außen dampfdichte Konstruktion. Wird auf der Innenseite eine Dampfbremse mit einem hohen Wasserdampfdiffusionswiderstand eingebaut (bspw. sd = 10 m), haben diese sogenannten „Dicht-Dicht-Konstruktionen“ keine Austrocknungsmöglichkeiten und damit ein hohes Schadenspotenzial. Da immer bei der Luftdichtheit mit Restleckagen zu rechnen ist, feuchten solche Konstruktionen auf. Sie sind daher nicht mehr Stand der Technik. Erst wenn der innere sd-Wert reduziert oder mit einer feuchtevariablen Dampfbremse gearbeitet wird, besteht zum Innenraum hin ein gewisses Austrocknungspotenzial durch sommerliche Umkehrdiffusion. Damit die eingedrungene Feuchte aus dem Winter im Sommer überhaupt rücktrocknet, ist aber die Erwärmung der Dachfläche erforderlich. Demzufolge sind besonders nordorientierte Dächer, die sich in Folge einer geringen Sonneneinstrahlung kaum erwärmen, besonders gefährdet. Das untersuchte Dach hat daher eine nach Norden orientierte 40° geneigte Dachfläche. Die Dampfbremse auf der Unterseite des Daches ist feuchtevariabel und als Dämmung kommt Zellulosefaser zum Einsatz.
Bild 20. Saniertes Altbaudach
Aufbau von außen nach innen:
1. Ziegel mit Lattung
2. Bitumenbahn
3. Holzschalung 20 mm
4. Zellulosedämmung 200 mm
5. feuchtevariable Dampfbremse
6. Installationsebene mit GKB-Platte
Randbedingungen für die Simulation: Klima Holzkirchen: Ø-Temp. 6,6 °C Dachneigung: 40°; nordorientiert Luftdichtheit q50 = 3 m3/m2 h normale Feuchtelast nach WTA MB 6-2. Start: 20 °C / 80 % rel. Luftfeuchte
01.10. Startfeuchte Zellulose: 5,45 kg/m3
Bild 21. Die Auswertung der Holzfeuchte in der Schalung. Durch den fehlenden Temperaturbezug kann das Schadensrisiko nicht beurteilt werden. Der grüne und rote Balken zeigt die Zeiträume an, die in Bild 22a und b beispielhaft ausgewertet werden.
Die Holzfeuchte der Schalung steigt im ersten Winter auf 24 M.-% und trocknet dann innerhalb von 4 Jahren im Maximum des Jahreszyklus auf 20 M.-% (Bild 21). Ob die Konstruktion durch Holz zerstörende Pilze gefährdet ist, ist aus dieser Darstellung aber nicht ersichtlich. Die anfänglichen 24 M.-% erscheinen zunächst als hoch. Eine vereinfachte Grenzziehung bei 20 M.-% würde die Konstruktion als nicht funktionsfähig ausweisen. Aus der Praxis sind aber ausreichende Erfahrungen vorhanden, dass diese Konstruktion funktioniert. Betrachtet man hingegen Bild 22a, so ist gut zu erkennen, dass zum einen die Grenzkurve im ersten Jahr nicht überschritten wird, da die anfänglichen hohen Feuchten auf Grund der zu dieser Zeit herrschenden niedrigeren Temperaturen kein Problem darstellen. Zum anderen nehmen die Feuchten immer weiter ab (Bild 22b). Durch die jährliche Reduktion zeigt die Konstruktion ein ausreichendes Trocknungspotenzial.
3.4.3 Bewertung von Holzwerkstoffen durch Materialfeuchte
Grundsätzlich muss bei Holz und Holzwerkstoffen zwischen den jeweils relevanten Schadensmechanismen unterschieden werden. Während bei Holz die entsprechenden holzzerstörenden Pilze maßgeblich sind für die Begrenzung der Feuchtegehalte, ist es bei den tragenden Holzwerkstoffen wie OSB- oder Spanplatten die Schädigung des Klebegefüges, die bereits relevant ist, bevor holzzerstörende Pilze wachsen können. Die sogenannte Delaminierung, welche durch das Quellverhalten der Holzstreifen (strands)/Holzspäne (particle) hervorgerufen wird, bewirkt einen Verlust der Tragfähigkeit. Das relevante Feuchteniveau ist im Vergleich zur Holzzerstörung dabei sogar noch etwas niedriger.
Die DIN EN 13986 [79] legt die Anforderungen an Holzwerkstoffe fest. Dabei unterscheidet die Norm drei Feuchtebereiche: Trocken-, Feucht- und Außenbereich. Je nach Bereich und Holzwerkstoff müssen entsprechende Produktprüfungen bestanden werden. DIN 68800-2 verbindet die drei Bereiche mit entsprechenden maximal zulässigen Holzfeuchten (Tabelle 6). Die zulässige Feuchte von 18 M.-% im Feuchtbereich darf bei hygrothermischen Simulationen nach Norm geringfügig bis 20 M.-% überschritten werden, bei einer maximalen Überschreitungsdauer von 3 Monaten. Unklar bleibt, ob dies jährlich oder nur in den Anfangsjahren geschehen darf. In der Praxis wird meist von letzterem ausgegangen.
Es ist also festzustellen, dass bei statisch relevanten Holzwerkstoffen häufig die mechanischen Eigenschaften und nicht das Holzfäule-Risiko maßgeblich für den maximal zulässigen Feuchtegehalt sind.
Bild 22. Die Porenluftfeuchte in der Schalung wird als Tagesmittel über die Temperatur aufgetragen.