möglich erachtet werden müssen. Ein zivilisatorisches Versagen in dieser Frage hätte fatale Folgen. Es könnte nämlich die soziokulturelle Zukunft unserer Gattung auf dem Planeten infrage stellen.
Die drastische Begrenzung der Anzahl der Menschen auf der Erde wäre auch unter sozialen Gesichtspunkten sinnvoll. Die Forderung nach mehr oder weniger gleichem Wohlstand für alle ist ein vernünftiger gesellschaftspolitischer Ansatz. Er könnte nicht zuletzt auch weltweite Flüchtlingsströme mit ihrem Elend überflüssig machen. Die zunehmenden globalen Migrationsbewegungen sind schließlich auch als eine soziale Folge der sich zuspitzenden Bevölkerungsentwicklung zu begreifen. Doch die Vision vom gleichverteilten Wohlstand dürfte nur Wirklichkeit werden können, wenn die Anzahl der menschlichen Individuen auf der Erde rigoros reduziert wird. Wenn nämlich keine Ressourcen mehr zu verteilen sind, werden die sozialromantischen Vorstellungen linker Träumer für die meisten Menschen mehr oder weniger auf die Gleichverteilung von Armut und Elend hinauslaufen!
Eine andere Möglichkeit, der überlasteten Biosphäre der Erde eine Chance auf Rekonvaleszenz einzuräumen, wäre ein Exodus von großen Teilen der Erdbevölkerung. Dafür gibt es historische Beispiele. So sind im Zeitraum von 1840 bis 1939 etwa 55 bis 60 Millionen Europäer nach Nordamerika ausgewandert. Die Auswanderungswellen haben damals die Arbeitsmarktlage auf dem „alten“ Kontinent entspannt und das Risiko für Hungersnöte verringert.
Ein bewohnbarer Planet Mars wäre beispielsweise durchaus in der Lage, die ökologisch angespannte Situation auf der Erde spürbar zu entlasten, auch wenn die Aufnahmekapazität dieser planetaren Welt nicht überschätzt werden sollte. Allerdings ist ungewiss, ob ein Terraforming des äußeren Planeten mit dem Ziel der Umsiedlung von Milliarden Menschen überhaupt eine realistische Option darstellt. Außerdem dürfte die physikalische, chemische und biologische Konditionierung des äußeren Nachbarplaneten Zeitspannen von Jahrtausenden in Anspruch nehmen. Solche langen Zeiträume werden unserer Gattung zur Eindämmung der Folgen der demografischen Katastrophe jedoch nicht zur Verfügung stehen.
So werden Milliarden und Abermilliarden Menschen wohl immer weiter die Biodiversität auf der Erde beschädigen, Artensterben verursachen, Umwelt und Natur zerstören, das Klima nachteilig beeinflussen und den Planeten mit Müll, Exkrementen und sonstigen Hinterlassenschaften im Übermaß belasten. Dazu kommt, dass sich das Spannungsfeld der weltweit wachsenden sozialen Disproportionen weiter vergrößern wird. Wenn die Menschen dieser Entwicklung nicht energisch und konsequent Einhalt gebieten, werden künftige Generationen alle Hände voll zu tun haben, um das Taumeln unserer Gattung in eine Art ökologisches und zivilisatorisches Endzeitszenario zu verhindern. Diese erschreckende Perspektive sollte von niemandem als eine bloße Science-Fiction-Vision missverstanden und auf die leichte Schulter genommen werden!
Matti, ich empfinde es als seltsam, aber wenn ich an die wenig ermutigenden globalen Zukunftsaussichten denke, beschleicht mich das Gefühl, froh sein zu müssen, dass ich aus einer zwar ganz und gar nicht heilen, aber trotzdem immer noch einigermaßen intakt erscheinenden Vergangenheit relativ unbekümmerte Grüße in eine Zukunft schicken darf, die angesichts der sich zuspitzenden demografischen Katastrohe nichts Gutes verheißt.
Der Dramatiker Heiner Müller hat die Ansicht vertreten, dass Optimismus nur durch einen Mangel an Information zu erklären sei. Ich möchte seine Aussage etwas modifizieren. Nach meinem Dafürhalten scheint Optimismus heutzutage nur noch durch das Verschweigen oder das bewusste Ausblenden von unliebsam erscheinenden Informationen möglich zu sein. Genau diese Weltsicht predigt der politische Zeitgeist des „Political Correctness“. Sein unheilvolles Credo ist wie ein „nicht sehen wollen, was doch zu sehen ist“ (Alain Finkielkraut) und „bedeutet, den Blick von einer unerträglichen Wirklichkeit abzuwenden und der Wahrheit aus Mutlosigkeit oder wegen irgendwelcher Rücksichten nicht ins Auge zu sehen“ (Jürg Altweg).
Na ja, mein Junge, so schwarzseherisch und pessimistisch will ich diesen Brief aber nicht ausklingen lassen. Ungeachtet der von mir skizzierten düsteren Aussichten für die Biosphäre unseres Planeten habe ich dennoch eine aufmunternde Botschaft oder, besser gesagt, Handlungs-Maxime für dich. Sie setzt auf das Prinzip Hoffnung und stammt von Johann Christoph Lichtenberg, der im 18. Jahrhundert gelebt hat. Der gescheite Mann war Physiker, Schriftsteller und Philosoph und hat uns eine Vielzahl von Aphorismen hinterlassen. Am Schluss meines Briefes möchte ich dir eine seiner aphoristischen Weisheiten ans Herz legen:
„Ich kann freilich nicht sagen, dass es besser wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen, es muss anders werden, wenn es gut werden soll!“
Lass’ dir die Spruchweisheit im Hinblick auf die sich dramatisch zuspitzende demografische Entwicklung in aller Ruhe durch den Kopf gehen und bemühe dich, dazu beizutragen, dass es in dieser, unserer, die ja vor allem auch deine Welt sein wird, künftig gut werden kann! Viele Grüße aus dem Jahr 2019 in das Jahr 2035 schickt dir ein zu eben dieser Stunde ziemlich nachdenklicher und ganz und gar nicht zuversichtlich in die Zukunft blickender
Großvater.
Anlagen
Nachdenkblatt – Energiewende einmal anders betrachtet – Das raumzeitliche Perpetuum mobile
Nachdenkblatt - Energiewende einmal anders betrachtet
1. Technische Innovationen der menschlichen Zivilisation – ein historischer Streifzug
Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat sich der Energiebedarf eines erwachsenen Individuums ständig erhöht. Betrug er in der Jungsteinzeit noch ca. 8 bis 10 kWh, geht man im Mittelalter von einer Vervierfachung des steinzeitlichen Wertes aus. Heute soll der Energiebedarf in den modernen Industriegesellschaften für einen Erwachsenen etwa das 25-Fache des steinzeitlichen Wertes betragen. Seit der Beherrschung des Feuers in der Altsteinzeit ist der menschliche Energiebedarf neben der Muskelkraft mehrere Hunderttausend Jahre lang fast ausschließlich durch Feuerholz gedeckt worden.
Als die Menschen in der Jungsteinzeit sesshaft wurden, begannen sie, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben. Durch diese neue Lebensweise gelang es ihnen, sich von der Jagd und den natürlichen Ressourcen in der Umwelt unabhängiger zu machen. Die neolithische Revolution bescherte den Menschen aber noch weitere Errungenschaften. Dabei handelte es sich beispielsweise um das Spinnen von Garnen, das Weben von Textilien, das Brennen von Keramik oder das Errichten von Häusern aus getrockneten Tonziegeln.
In der Bronzezeit erlernten die Menschen durch den Bau von Öfen mit Blasebälgen das Verhütten von Erzen und das Gießen und Schmieden von Metallen und Legierungen. Das betraf zunächst das Metall Kupfer. Später gelang es, aus diesem Metall und Zinn die härtere Bronze herzustellen. Eine weitere wichtige Erfindung dieser Epoche war die Erfindung des Rades. Es sollte fortan als Wagenrad den Transport von Lasten und Personen sowie als Töpferscheibe die Herstellung von Keramik erleichtern.
In der Eisenzeit gelang es, aus Eisenerz metallisches Eisen zu gewinnen, das mit seinen besseren Gebrauchseigenschaften die Waffen- und Werkzeugtechnik revolutionierte. Darüber hinaus kannten die antiken Hochkulturen der Griechen und Römer das Hebelgesetz und entwickelten Flaschenzüge und Winden, die das Heben von Lasten vereinfachten. Es entstanden erste Maschinen wie Katapulte, Aufzüge, Kräne oder archimedische Schnecken, die zur Entwässerung von Bergwerken genutzt wurden. In der Spätzeit der Antike profitierte auch die Landwirtschaft von den technischen Errungenschaften ihrer Zeit. Wasserräder und Schöpfwerke erlaubten eine effizientere Bewässerung der Felder. Infolge der Nutzung von Wassermühlen konnte das Mahlen von Getreide erleichtert und verbessert werden.
Im europäischen Mittelalter wurden Wassermühlen durch Windmühlen ergänzt. Die agrarische Produktivität verbesserte sich aufgrund der Einführung der Dreifelderwirtschaft, der Anwendung des Räderpflugs und des Beschlagens der Pferdehufe mit Hufeisen. Die Erfindung des Kummets für Zugtiere erhöhte deren Zugkraft um ein Vielfaches, was den Lastentransport spürbar erleichterte. Im europäischen Spätmittelalter wurde mit dem Schießpulver sogar eine neue chemische Energiequelle entdeckt. Ihr technologisches Potenzial als Sprengstoff blieb jedoch zunächst ungenutzt, da das Schießpulver anfänglich nur in der Militärtechnik Anwendung fand.
Das Zeitalter der industriellen Revolution brachte neue innovative Ansätze hervor. Die Menschen begannen vermehrt, Steinkohle als Energiequelle zu nutzen. Die