Jörg R. Strub

Curriculum Prothetik


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der Kirche datiert der Fund an das Ende des 16. bzw. den Anfang des 17. Jahrhunderts (Czarnetzki und Alt 1991). Wie Durchbohrungen an der Prothese zeigen, wurde diese, wahrscheinlich mit Golddraht, an den Eckzähnen befestigt. Da erste Hinweise auf die Verwendung von Flusspferdzahn erst Ende des 17. Jahrhunderts auftauchen (Nuck 1692), der Werkstoff dann allerdings bis zur Ersetzung durch Kautschuk in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das führende Basismaterial für Zahnersatz bleibt, bliebe physiko-chemisch zu überprüfen, ob die Vermutung, es handele sich hier um Flusspferdzahn, auf diesen frühen Fund zutrifft (Abb. 1-8a und b).

      Abb. 1-8 Frontzahnbrücke zum Ersatz von 4 Schneidezähnen im Oberkiefer aus Flusspferdzahn in situ; ehemals mit Golddraht an Pfeilerzähnen befestigt (nach Czarnetzki und Alt 1991). a Defekt; b Prothese in situ.

      Erste Hinweise, die auf die Bedeutung der Kaufunktion bei der Herstellung von Vollprothesen verweisen, finden sich in dem oben erwähnten Werk des Leidener Anatomen A. Nuck (1650–1692) von 1692. Abgesehen von den geschilderten Ausnahmen ist die zahnärztliche Literatur des 17. Jahrhunderts, insbesondere was die Prothetik betrifft, ein Spiegelbild früherer Jahrhunderte. Diesbezügliche Ausführungen lassen erkennen, dass nach wie vor keine kaufunktionellen, sondern nur kosmetische, allenfalls phonetische Gründe die Anfertigung von Zahnersatz bestimmen.

      

      Abb. 1-9 Verschiedene Ausführungen von Zahnersatz des 18. Jahrhunderts nach Fauchard (nach Hoffmann-Axthelm 1985).

      Als Werkstoffe für Zahnersatz dienten Fauchard nach wie vor Menschenzähne (meist an Toten gewonnen), Tierknochen, Flusspferd- bzw. Walrosshauer und Elfenbein. Zur Fixierung des Zahnersatzes im Mund verwendete er noch immer, wie früher üblich, Fäden oder Draht; eine Neuheit bedeutete jedoch die Herstellung von Stiftzähnen, wobei gekerbte Metallstifte mit Kittmasse an gekürzten menschlichen Zähne befestigt und dann im Wurzelkanal mit organischen Materialien wie Hanf oder Flachs verankert wurden. Einzelne Zähne oder Stiftzahnbrücken wurden an Gold- oder Silberschienen genietet, Ober- und Unterkieferersatz durch die Verwendung von Federn miteinander verbunden. Vollprothesen aus den Oberschenkelknochen von Tieren wurden an der Basis mit Gold- oder Silberblech eingefasst und der sichtbare Teil mit Email überzogen.

      Das erste spezifisch prothetische Fachbuch publizierte Mouton 1746 unter dem Titel „Essay d’Odontotechnie“. Wie Fauchard beschreibt auch Mouton Stiftzahnkonstruktionen, die als optimaler Ersatz gelten, Neuerungen betreffen die Befestigung von Brückenersatz durch Federn, was einer Art Klammerbefestigung gleichkommt. Ungleich wichtiger ist die Herstellung von Bandkronen (Goldkappen), wenngleich die Verwendung für den Frontzahnbereich als kosmetisch unzulänglich bezeichnet wird, was er durch Emaillierung umgeht. Bourdet führt dann für Zahnersatz die Metallbasis aus Gold ein, die ein Goldschmied nach einem Wachsmodell herstellt (Bourdet 1786). In künstliche metallene Alveolen, die in die Basis eingearbeitet waren, wurden die gekürzten Leichenzähne mit Stiften befestigt (Abb. 1-10) oder mit Mastix eingekittet. Der sichtbare Bereich wurde mit Email überzogen.

      Abb. 1-10 Zahnersatz des 18. Jahrhunderts mit Metallbasis nach Bourdet (nach Hoffmann-Axthelm 1985).

      Den bedeutsamsten Beitrag zur Entwicklung der Zahnmedizin in England leistet J. Hunter (1728–1793), allerdings nicht auf prothetischem, sondern anatomischem Gebiet. Sein 1771 erschienenes Werk „The Natural History of the Human Teeth“ ist die erste neuzeitliche anatomische Beschreibung über Zähne und Kiefer. Bei Zeitgenossen Hunters wie dem britischen Hofzahnarzt T. Berdmore (1771) finden sich lediglich unbedeutende Anmerkungen über Zahnersatz.

      In Deutschland lag die praktische Ausübung der Zahnheilkunde nach wie vor in den Händen von Zahnbrechern und Wundärzten – ein bekannter Vertreter dieses Standes im 18. Jahrhundert ist J. A. Eisenbart (1663–1727) –, weshalb sie sich nur langsam aus der traditionellen Rolle befreien konnte. L. Heister (1683–1758), ein Anatom und Chirurg, widmete sich eingehend odontologischen Problemen. Er erwähnt in seinem Werk „Kleine Chirurgie oder Handbuch der Wundartzney“ von 1755 das von Purmann bekannte Wachsmodell, das bereits als Abdruck bezeichnet wird, und beschreibt differenziert die Herstellung von partiellem und totalem Zahnersatz aus den bekannten Materialien.

      Abb. 1-11 Zahnersatz des 18. Jahrhunderts nach Pfaff (nach Hoffmann-Axthelm 1985).

      Abb.