Beth St. John

City Vampire


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Ermittlungen weitergebracht hätte, und so überließen sie das Haus den fachkundigen Händen der Spurensicherung und fuhren zurück zum Präsidium.

      Sie nahmen den Aufzug hinauf in die dritte Etage, welche das Morddezernat beherbergte. Als sich die Fahrstuhltür öffnete und die beiden ausstiegen, steckte Bernadette Prescot, ihrer beider Boss und somit Chefin der Polizeibehörde, gerade den Kopf aus der Tür ihres Büros. Sie bedeutete ihnen mit einer energischen Handbewegung, in ihr Büro zu kommen. David und Maggie folgten.

      Bernadette Prescot war Afroamerikanerin, Anfang fünfzig und berüchtigt für ihren Zynismus. Sie war beliebt und gefürchtet zugleich; sie verlangte stets das Beste von jedem einzelnen, stand aber, wenn es darauf ankam, uneingeschränkt hinter ihrer Mannschaft. Außerdem verfügte sie über einen scharfen, analytischen Verstand. Nun sah sie ihre beiden besten Detectives eindringlich an und kam dann ohne Umschweife zur Sache. „Sie haben den Tatort und die Leiche besichtigt. War es derselbe Täter?“

      Maggie nickte. „Ein Eichenpfahl, mitten ins Herz. Auch wenn die Analyse des Holzes noch aussteht – es besteht wohl kein Zweifel. Wir haben es mit einem Serienkiller zu tun.“

      Bernadette seufzte und sank in den schweren ledernen Sessel hinter ihrem Schreibtisch. „Ein Serienkiller, der sich für Van Helsing hält. Wunderbar. Ich habe ja schon so einiges erlebt in meiner Laufbahn – aber das hier übertrumpft nun wirklich alles.“ Sie blickte erst Maggie, dann David fest in die Augen und sagte dann: „Ich will, dass diese Sache hier schnell aufgeklärt wird. Der Bürgermeister sitzt mir im Nacken. Die Gerüchteküche kocht – es soll sogar Leute geben, die geneigt sind, unsere Opfer tatsächlich für Vampire zu halten. Wir müssen den Mörder finden, bevor diese Sache aus dem Ruder läuft.“

      Maggie hatte die Schlagzeilen in den Boulevardblättern gelesen. Die Medien hatten sich darauf gestürzt wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe. Sie nickte, sah hinüber zu David und sagte dann: „Wir geben unser Bestes, Chief.“

      Bernadette Prescot rang sich ein ironisches Lächeln ab. „Ich habe nichts anderes erwartet.“

      Kapitel 4

      Maggie löste ihre Haarspange und kämmte sich noch schnell die Haare. Zu blöd, dass sie sich ausgerechnet schon für heute Abend mit Aleksay Komanrov verabredet hatte. Aber als sie telefonierten, konnte sie ja noch nichts von der dritten Leiche in ihrer Mordserie ahnen.

      Insgeheim ärgerte sie sich, denn sie hatte eigentlich einen tollen Auftritt hinlegen wollen. Sie wollte zuhause duschen, ein bisschen Make-up auflegen und etwas Schickes anziehen. Sie wusste selbst nicht genau, warum es ihr plötzlich wichtig war, dass sie ihm gefiel – wo er sich doch so abweisend verhalten hatte. Maggie fuhr kurz vor sieben mit dem Aufzug nach unten. Als sich die Aufzugtür öffnete, sah sie einen Wagen vorfahren. Der Fahrer stieg aus und Maggie atmete noch einmal tief durch, dann ging sie zum Haupteingang.

      Aleksay Komanrov sah sogar noch besser aus, als Maggie ihn in Erinnerung hatte. Er trug eine dunkelblaue, schmal geschnittene Jeans und sein weißes Hemd hing locker über den Hosenbund, der oberste Knopf war geöffnet. Und dazu – ein umwerfendes Lächeln.

      „Guten Abend, Miss Rook“, sagte Aleksay mit seiner angenehm warmen, tiefen Stimme. „Sie sehen ganz bezaubernd aus. Das Blau ihrer Bluse schmeichelt Ihren Augen.“

      Maggie errötete leicht und schluckte. Das war ein ganz neuer Aleksay Komanrov, den sie hier sah. Wo war der kühle, distanzierte Mann von gestern hin, der sie einfach nur so schnell wie möglich hatte loswerden wollen? Nun, dieser hier war ihr lieber, gestand sie sich ein.

      „Guten Abend“, erwiderte Maggie. „Wie ich sehe, sind Sie sehr pünktlich.“

      „Haben Sie daran gezweifelt?“ Komanrov lächelte verschmitzt und reichte ihr den Arm. „Darf ich bitten?“

      Maggie lächelte ebenfalls, hakte sich bei ihm unter und antwortete: „Aber gern.“

      Aleksay führte sie zu seinem Wagen. Maggie sog unwillkürlich tief die milde Spätsommerluft ein: ein Jaguar. Und auch noch dunkelrot. Was für ein Klischee! Also hatte er es wörtlich gemeint, als er gestern sagte, er habe noch andere Fahrzeuge. Altmodisch hielt er ihr die Wagentür auf und sie stieg kommentarlos ein. Aleksay nahm auf dem Fahrersitz Platz und blickte sie lächelnd an.

      „Ich erinnere mich, dass Sie mich einladen wollten. Also entscheiden auch Sie, wohin wir fahren.“

      „Oh, ich weiß eine wunderbare, kleine Weinbar. Ein absoluter Geheimtipp, wissen Sie“, plapperte Maggie. „Fahren Sie los, ich dirigiere Sie.“

      „In Ordnung.“ Aleksay startete den Motor und ließ den Jaguar sanft anfahren.

      Maggie lotste ihn durch einige Seitenstraßen, bis sie irgendwann in der Nähe der Old St. Patrick’s Cathedral vor dem Epistrophy hielten. Die kleine Weinbar lag versteckt zwischen einigen schönen viktorianischen Wohnhäusern und bildete einen Ruhepol im hektischen New York.

      Aleksay bestand darauf, dass Maggie sitzen blieb, bis er um den Wagen herumgegangen war und ihr die Beifahrertür geöffnet hatte. Er ließ sie vorausgehen und hielt ihr auch beim Hineingehen die Tür auf. Maggie gefiel das, denn er gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Und es war darüber hinaus für jemanden wie sie, der den ganzen Tag über Stärke zeigen musste, eine höchst angenehme Abwechslung. Sie ging voraus und hoffte, dass er die Atmosphäre mögen würde. Das Innere der kleinen Weinbar wirkte extravagant und üppig und verströmte den Charme einer längst vergangenen Epoche. Maggie wählte einen der dunklen, hölzernen Tische in einer Ecke am Fenster. Aleksay schob ihr den Stuhl zurecht und nahm dann gegenüber Platz.

      „Nett hier“, sagte er.

      „Irgendwie klingt das fast überrascht, so, als seien Sie, sagen wir, etwas anderes gewöhnt“, bemerkte Maggie.

      „Aber nein, das war nicht abwertend gemeint. Ich mag es hier. Mir scheint, Sie haben einen völlig falschen Eindruck von mir.“

      Maggie hob die Augenbrauen. „Tatsächlich? Was für einen Eindruck scheine ich denn von Ihnen zu haben?“

      „Sie halten mich für einen arroganten, reichen Schnösel.“

      Die Art, wie er 'Schnösel' sagte, ließ Maggie laut kichern. Als sie sich wieder gefangen hatte, meinte sie: „Naja, das ist auch die einzige Seite, die Sie mir bislang von sich preisgegeben haben.“

      Aleksay wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch in dem Augenblick kam die Bedienung und reichte Ihnen die beeindruckende Weinkarte. Nachdem sie wieder verschwunden war, sagte Aleksay: „Sagen wir, ich brauche eine Weile, bis ich mit anderen Menschen warm werde. Ich bin nicht gerade das, was man extrovertiert nennen könnte.“

      „Also versuchen Sie, andere mit Überheblichkeit von sich fern zu halten.“ Maggie hatte das gar nicht so formulieren wollen, es war ihr einfach herausgerutscht.

      Aleksays Augen funkelten kurz auf, doch dann lächelte er. „Meistens funktioniert das ganz gut.“

      Maggie lachte erleichtert. Er hatte Humor, das gefiel ihr sehr.

      Aleksay überflog die Karte und fragte: „Also, wissen Sie schon, was Sie möchten?“

      „Sie sagten, Sie seien Weinliebhaber. Wählen Sie den Wein aus“, erwiderte sie diplomatisch.

      „Gut.“ Aleksay winkte der Kellnerin und gab seine Bestellung auf. Nachdem die junge Frau davon geeilt war, schwiegen beide für einen Moment. Doch es war kein unangenehmes Schweigen, stellte Aleksay fest. Das gab es selten, einen Menschen, mit dem man nicht nur reden, sondern auch das Schweigen teilen konnte. Er versuchte sich zu erinnern, wann es ihm zuletzt so gegangen war, doch ihm fiel nichts ein. Diese Frau hatte etwas an sich, soviel stand fest.

      „Nun, Miss Rook“, sagte Aleksay schließlich, „erzählen Sie mir doch ein bisschen über sich. Sie sind also Polizistin?“

      „Ja, Detective. Bei der Mordkommission.“

      „Oh.“ Aleksay schien beeindruckt. „Wie