bei der Polizei gemeldet habe, waren schon ein paar Tage her. Auf dem Busbahnhof traf ich zwei Polizisten, die mit dem Fall vertraut waren. Sie fragten danach, wie die Ermittlungen verlaufen. Da ich schon einige Flaschen Bier intus hatte, überzeugte mich ihre Frage noch mehr davon, dass ich endlich an meinen Pass kommen muss und zwar um jeden Preis. Ich antwortete den Funktionären, dass ich zwei deutsche Panzer-Divisionen von Waffen-SS hole und die Stadt dem Erdboden gleichmachen lasse, falls sich mein Pass nicht findet. Die Polizeibeamten standen wie angewurzelt und wurden blass vor Entsetzen. Eine, danebenstehende alte Frau, versuchte meine Wut zu lindern und sagte: „Lieber Herr, aber wir sind nicht verantwortlich für diese Gewalttat. Das haben die Banditen begangen“.
Was ich gesagt habe war eine riesige Entgleisung. Ich überlegte gar nicht, was ich eigentlich sage. Während des II Weltkriegs wurde Zwoleń nämlich von Luftwaffe heftig bombardiert. Wehrmacht hat dann viele unschuldige Einwohner erschossen. Wahrscheinlich hat meine Aussage der alten Frau die Kriegszeiten in Erinnerung gebracht, und deshalb nahm sie meine Äußerung ernst. Vielleicht auch die Polizisten selbst waren dieser Meinung, weil sie sich dann bei meinem Bruder Janusz beklagt haben, dass ich ein sehr gefährlicher Typ bin. Die Funktionäre waren mit ihm gut vertraut, weil er ihre Frauen als Schneiderinnen in seinem Betrieb beschäftigt hat. Direkt nach der Auseinandersetzung mit den Gesetzeshütern auf dem Bahnhof wurde ich zum Polizeirevier eingeladen und aufgefordert, keine „Verheerung“ bei den eigenständigen Ermittlungen einzurichten. Sie merkten, dass ich sehr entschlossen und für alles bereit war.
Ich musste etwas unternehmen. Ich hatte keine Zeit, auf die Wunder zu warten. Ich und Walter gingen ohne Ankündigung in die Kneipe, wo ich an jedem unglücklichen Abend gefeiert habe. Ich saß ruhig am Tisch und trank Bier während Walter, mein Privatdetektiv den Kneipenbesitzen verhörte und erkundigte sich danach, wer hinter dieser Tat stehen konnte. Anscheinend wollte das Gespräch nicht recht in Fluss kommen, weil mein Mitstreiter seinen Gesprächspartner mit seiner linken Hand plötzlich nach oben hob, wobei seine rechte Hand schlagbereit blieb. Endlich stellte er ein das letzte, aber endgültige Ultimatum: „Findet sich, sagen wir nur ein Pass binnen drei Tage nicht, so lasse ich die ukrainische Maffia deine Frau, Kinder und dich selbst vergewaltigen!“
Das Gesicht des Kneipenbesitzers wurde so blas, dass sie sich nun von der hellen Wand im Hintergrund kaum unterschied. Seine Pupillen, die sich plötzlich stark erweitert haben, erstarrten nun im tödlichen Entsetzen. Niemand in dem Lokal wagte, diese dramatische Szene von der Nähe zu betrachten. Er war gefährlich wie eine Peitsche – wie vielleicht niemand in Zwoleń. Er war der erste hier – schlicht ein gut gebildeter Haufen Fleisch. Alle Gäste schauten nur auf ihre Tische, wo sie tranken. Die in Zivil gekleideten Polizisten aus Radom waren auch dabei. Sie hingegen saßen voll beschäftigt an den Spielautomaten. Sie wollten nichts hören oder wissen, weil sie schon meinen Privatdetektiv allzu gut kannten. Ihre Berufskollegen aus Zwoleń haben schon einmal an eigenen Leib erfahren, über was für eine Macht dieser Kerl verfügt. In seiner Auseinandersetzung mit der Polizei flatterten ihre Mützen wie Schwalben und flogen ihre Kurzwellenfunkgeräte. Obwohl sie zu dritt waren, konnten sie gegen alleinstehenden Walter kaum etwas anfangen. Eine Tracht Prügel, die die einheimischen Funktionäre von ihm bekommen haben ist nicht in Vergessenheit geraten, sondern hat die ganze Umgebung in Schrecken versetzt. Die Erzählungen über ihn wurden zu einer lokalen Legende.
Als ich noch jung war, sah ich ihn manchmal im Einsatz auf den Dorfpartys. Er kämpfte wie ein Ritter, um den rüpelhaften Schlauköpfen anständiges Benehmen beizubringen. Für mich und viele andere, galt er damals als ein willkommener Gesetzeshüter. Nun, durch die Gnade Gottes, trat er als mein Verteidiger vor. Walter wirkte Wunder und erreichte mehr als die ganze lokale Polizei und Staatsanwaltschaft. Keine drei Tage sind verstrichen und der Pass hat sich gefunden. Ich war heilfroh, weil ich nun rechtzeitig nach Deutschland zurückkehren konnte um dort das Recht auf Daueraufenthalt zu erhalten. Ich lobte Gott und segnete Walter, weil ich fest davon überzeugt war, dass er das Werkzeug des Schöpfers war. Irgendwann in der Zukunft werde ich mich bei Walter bedanken – sobald ich ihn treffe. Bisher bot sich nämlich keine solche Gelegenheit. Ich habe ihn seitdem nie gesehen. Eine harte und sachliche Herangehensweise von Walter gegenüber dem Kneipenbesitzer war erfolgreich. Drei Tage lang war sein Lokal zu und er war damit völlig beschäftigt, nach meinem Pass zu suchen. Anscheinend waren für ihn die sexuellen Belustigungen mit der ukrainischen Mafia keine erfreuliche Perspektive.
Als ich schon zurück in Deutschland war, erfuhr ich, dass die Polizei in Zwoleń die Täter gefunden hat. Es waren die jugendlichen Banditen unter der Aufsicht des Pflegers. Ich konnte das Geld für die gestohlenen Sachen in Anspruch nehmen, aber dazu hätte ich zurück nach Polen fahren müssen, was sich für mich nicht lohnen würde, weil selbst die Reisekosten viel höher wären. Ich überlegte nur, wie ich die Räuber bestrafen konnte, aber letztendlich habe ich diese Absicht aufgegeben, weil die christliche Haltung, die in mir keimte, es nicht erlaubte, die Rache zu üben.
Ein Schimmer der Neugeburt im Geist
Im April 1996 habe ich mich einen Film über einen bekannten amerikanischen Heilpraktiker angeschaut. Der Film inspirierte mich dazu, sich mehr für die geistlichen Themen zu interessieren. Zwischen mich und meinen Geschwistern aus der Pfingstgemeinde blühte nun eine große Freundschaft, die weder früher noch später so schön aussah. An ihrer christlichen Haltung wollte ich nur das Gute sehen und versuchte, ihre Schattenseiten außer Acht zu lassen. Ich wurde darin sogar erfolgreich. Meine Neigungen zum Alkohol waren plötzlich weg. Ich trank gar nicht. Ich spürte die Erleichterung der Freiheit. Ich glaubte sogar daran, dass mich die Alkoholsucht in Ruhe gelassen hat. Mein Gesicht strahlte vor Licht und zog die Gleichgesinnten an, die nun das Gespräch mit mir suchten. Ich habe so viel Segen erfahren, dass alles, was ich mich vornahm, das gelang.
In jener Zeit habe ich mehrmals am Tag die Bibel gelesen und über die Liebe Gottes nachgesinnt. Ich habe dem Schöpfer für die Wunder gepriesen, die er in meinem Leben gewirkt hat. Ich habe regelmäßig an den Versammlungen von Christen in BGG teilgenommen. Meine Geschwister freuten sich sehr über meine Bekehrung, weil ich in meiner spirituellen Entwicklung einen Quantensprung gemacht habe. Ich habe sie sogar überholt. Ich habe mich von dem irdischen Leben fast komplett ausgeschaltet. Mein Alltag war fast ausschließlich durch Glauben und christliches Leben geprägt. Mein spirituelles Wachstum war beeindruckend. Ich muss zugeben, dass ich mich damals richtig wohl fühlte. Viele Leute, auch die Atheisten, haben meine geistliche Wandlung zu sehen bekommen. Der Geist Gottes wirkte in mich und lehrte mich. Ich war mit ihm auf derselben Wellenlänge, was mich noch mehr aufgemuntert hat.
Leider hat meine rapide spirituelle Entwicklung nicht allen „Brüdern und Schwestern im Herrn“ gefallen. Deshalb waren manche bemüht, mich daran zu hindern. Und sie haben es geschafft. Trotzdem ist es mir durch ihr Treiben wie Schuppen von den Augen gefallen. Die Sekte selbst sorgte dafür, dass ich von der Lethargie der Verführung eigenmächtig erwacht habe. Jan hat meine Bewerbung zur Bibelschule abgelehnt. Er führte die Hausgruppe und ich war ihm direkt unterstellt. Ich fand seine Entscheidung seltsam. Vielleicht hatte er Angst vor mir? Da er meine schnellen Fortschritte sah, konnte er vielleicht fürchten, dass ich für ihn die Gefahr darstellen konnte und gegen ihn um die Macht über den polnischen Schafen in Stuttgart kämpfen wollte? Ich hatte jedoch keine solche Absicht. Zumal habe ich ihm geholfen, Krzyś - seinen unheimlich abgehobenen Konkurrent im Kampf um die Führungsposition zu besiegen.
Es war einmal bei dem Haustreffen, dass ich Krzyś unabsichtlich provoziert habe, als er seine Predigt gehalten hat. Er brach in Wut aus. Eine Stunde lang hat er an uns seinen Unmut brüllend ausgelassen. Somit erregte er viel Schrecken und Anstoß. Er hat uns Gottlosigkeit vorgeworfen. Er meinte, wir seien halsstarrig wie die Israeliten, da wir seine erlösende Lehre nicht beherzigen wollen. Ich verhielt mich wie ein Held, weil ich am Anfang im Schweigen den Beschuss des Bösen mich treffen lassen. Als Krzyś seine Rede hielt, kämpfte ich innerlich mit mir selbst. Ich müsste mich richtig zügeln, um mit diesem Pastorkandidaten die Wand nicht zu tapezieren. Ich hatte richtig Lust daran. Ich schenkte mir das nur zum Wohl der Gemeinde und wegen der flehentlichen Blicke meiner Schwester Barbara. Sie zwinkerte mich vielsagend an, damit ich mit dem selbsternannten Guru keinen Krach mache. Das war schon ein Ende für Krzyś. Er blamierte sich gewaltig, weil er wie verrückt gebrüllt hat. Er hat