Michael Franzen

Die Comanchen


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nämlich um das Jahr 1.000 n. Chr. herum, als der Wikinger Leif Eriksson (um 959-1020 n. Chr.), als erster Europäer den nordamerikanischen Boden betrat und das sehr wahrscheinlich auf Neufundland.

      Runde 30 Jahre, nachdem die Spanier unter Hernán Cortéz (1485-1547) darangingen, das Reich der Azteken im heutigen Mexiko zu zerstören, begannen jene Indianer, die später als Comanchen bekannt werden sollten, zu Fuß in das Gebiet des heutigen Bundesstaates Wyoming, mit seinen fruchtbaren, grünen Tälern, den zerklüfteten Canyons und den schneebedeckten Gipfeln östlich der Rocky Mountains hin einzuwandern. Als Jäger und Sammler durchstreiften sie das Land nach Kleinwild, welches mit Speeren sowie Pfeil und Bogen erlegt wurde. Aus Tierknochen und behauenen Steinen wurden Pfeil- und Speerspitzen, Beile, Keulen sowie Messer, aus den gegerbten Häuten Kleidung und Behausungen hergestellt. Aus anderen tierischen Materialien wurden all die anderen Dinge des täglichen Lebens, wie Felltrommeln, Flöten, Wasserbehälter, Ahlen, Bohrer Nähgarn, Taschen, Schaber, Farben, Riemen, Rasseln und viele andere Dinge mehr hergestellt, wobei sich die Techniken zur Anfertigung dieser Gegenstände über die Jahrtausende hinweg, seit ihrem Auszug aus Asien, kaum noch verändern sollten.

      Diese frühen Comanchen nannten sich schlicht Ne´me´ne, was übersetzt „Volk” bedeutet. Das Wort ne´m bedeutet „Mensch” und entstammt dem alten uto-aztekischen Dialekt. Es war ein Name, der von den meisten indianischen Stämmen für sich alleine in Anspruch genommen wurde, da jede Gruppierung sich nach der Ankunft in der neuen Welt für einzigartig hielt. Nicht so sehr im menschlichen, sondern eher im kulturellen und sprachlichen Sinne innerhalb einer Gemeinschaft, die den gleichen Lebensstil pflegte, die dieselbe Weltanschauung teilte und die ihre eigenen Rituale und Tabus befolgte, wobei die Ne´me´ne glaubten, alle anderen Menschen wären „nicht so ganz Mensch” wie sie selbst gewesen. Das galt aus der Sichtweise anderer Stämme zu den Comanchen sowie untereinander jedoch genauso, ohne dass sie dabei rassistisches Gedankengut verbreitet oder gepflegt hatten, wie es z. B. die Nationalsozialisten im Dritten Reich zum Schaden der Menschheit getan hatten:

      „Wir sind das „Volk” und ihr, die anderen, werdet von uns zwar auch als Menschen angesehen und respektiert, aber wir sind das einzige, wahre „Volk” und da ihr anders und nicht so seid, wie wir, bleiben wir lieber unter uns”,

      könnte man diese (nationale) Lebenseinstellung, bedingt durch die Jahrtausende alte Isolation der Indianergruppen zueinander in etwa übersetzen. Eine Verschmelzung der unterschiedlichen indianischen Stämme fand demzufolge nicht statt und wurde auch, anders als bei den Völkern in der alten Welt, in Europa, nicht angestrebt. Diesbezüglich wurden die Comanchen von den anderen Indianerstämmen auch nicht Ne´me´ne oder „Volk” genannt, denn das waren ja bereits sie selber gewesen, sondern z. B. von den Cheyenne: Shishin-ohto-kit-ahn-ay-oh, was übersetzt soviel wie „Schlangenvolk” bedeutete. Von den Sioux wurden sie als Pa-doo-kah betitelt, während die athabaskisch sprechenden Indianer, wie z. B. die Apachen, ihnen den Namen Idahi = „Schlangen” gaben. Die in Wyoming lebenden Shoshonie werden auch heute noch als „Schlangen-Indianer” betitelt und die Comanchen waren kulturell und sprachlich mit ihnen verwandt gewesen, bevor sie sich von ihnen abgespalten hatten. Das Bergvolk der Ute gab ihnen den Namen Koh-mats = „Feinde, die uns immer bekämpfen wollen.” Aus diesem Koh-mats oder Kimantsi machten die Spanier schließlich das Wort Comanchen daraus, jener Name, unter dem diese Stammesgruppen am Ende schließlich bekannt und gefürchtet werden sollten.

      Anders als andere Indianerstämme, besaßen die Comanchen nur sehr wenige Legenden, Folklore oder Liedgut und sie glaubten, dass ihre Abstammung einer „magischen Paarung” aller Tiere entspränge, wobei sie den Wolf und dessen Verwandten, den Kojoten verehrten, und da letzterer mit dem Hund verwandt gewesen war, aßen sie demzufolge auch kein Hundefleisch. Als ehemalige Bergbewohner waren sie kleiner, gedungener und dunkelhäutiger als die Indianer des Ostens oder die der Plains gewesen. Durch ihren muskulösen Körper mit den kurzen Beinen, waren sie für ein Leben in den Bergen wie geschaffen gewesen, lange bevor sie begannen in die Plainsgebiete zu ziehen. Während die Männer selten größer als 1,65 Meter wurden, lag die Durchschnittsgröße ihrer Frauen um die 1,50 Meter herum. Sie besaßen schwarze oder tiefbraune Augen, glattes schwarzes Haar, eine runde Kopfform, ein breites, grobes und massives Gesicht und einen für die Indianer typischen großen Brustumfang.

      Die Nemene ernährten sich, wie bereits erwähnt, von Kleinwild, wie Kaninchen, Vögel, Nage- und Kriechtieren, die mit Fell oder Federkleid über dem Feuer geröstet wurden. Wenn der Hunger in ihren Mägen wütete, aßen die Nemene jedoch auch Fische, Geflügel, Eidechsen, Schildkröten und Raupen. Größeres Wild, wie die flinken Hirsche, mächtigen Elche oder gefährlichen Bären wurden hingegen nur selten erlegt, und wie bei anderen Indianerstämmen auch, erfolgte die Jagd auf den Bison anfänglich noch zu Fuß. Anders als die „modernen Indianer”, die den Bison zu Pferd jagten, mussten die Indianer früherer Tage, so auch die Comanchen, die noch nicht in den Besitz von Pferden gelangt waren, andere Jagdmethoden entwickeln, um die gehörnten Vierbeiner zu erlegen. Eine der ältesten Jagdmethoden war es dabei gewesen, die Bisons einzukreisen. Dazu bildeten die Jäger eine Menschenkette, die um eine kleine, von der Hauptherde abgetrennte, Gruppe Bisons immer enger geschlossen wurde, bevor die Tiere erlegt wurden. Dabei bestand die stetige Gefahr, dass die Bisons aus diesem Menschenring ausbrachen und ihre Häscher dabei unter ihren donnernden Hufen zu Tode trampelten. Zwar hat der Bison ein schlechtes Sehvermögen, doch dafür waren sein Geruchs- und Gehörsinn um so besser ausgeprägt gewesen, sodass sich die indianischen Jäger gegen den Wind anschleichen mussten, um bei der Jagd erfolgreich zu sein. Eine weitere Methode der Jagd war es, die Bisons in einen Canyon mit einem Eingang aber ohne Ausgang, in Sümpfe oder auf Landzungen, die in einem Fluss oder See hineinragten, abzudrängen, wo es für die Tiere keine Fluchtmöglichkeit mehr gab. Im Winter wurde(n) zu diesem Zweck Tiefschnee oder Eisflächen genutzt, um die Bewegungsfreiheit der Bisons einzuschränken. Waren die Tiere erst einmal auf das Eis getrieben, brachen sie dort aufgrund ihres hohen Gewichtes ein und konnten dann ohne große Mühe von den Jägern mit Speeren getötet werden. Bei einer weiteren Jagdmethode wurde eine Bisonherde in eine Panik versetzt, wobei die Jäger die Tiere in eine keilförmige V-Form zwangen. Die Bisons wurden solange gejagt, bis sie schließlich über eine, zu diesem Zweck vorher ausgesuchte, Steilklippe in den Tod stürzten. In den USA und Kanada gibt es über 100 solcher Plätze, wo die Indianer den Bison auf diese Art und Weise gejagt und erlegt hatten. Dass dieses System der Jagd äußerst effizient gewesen war, beweist die Tatsache, dass es noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein praktiziert wurde. Als Ergänzung dieser Ernährung sammelten die Comanchen wilde Pflaumen, Trauben, Beeren, Eicheln, Nüsse, wilde Zwiebeln, Mesquitebohnen, Felsenbirnen und wildwachsende Kräuter, die das Überleben in der rauen Wildnis garantierten. Zu dieser Zeit zählten die Nemene nicht mehr als 5.000 Köpfe, die in der Hauptsache damit beschäftigt gewesen waren, Nahrungsmittel herbeizuschaffen, wobei jede Familie ihren eigenen Bedarf selber decken musste. Nomadisierend zogen die Nemene dabei durch die fruchtbaren Gebiete ihrer neuen Heimat.

      Da die einzelnen Gruppierungen oftmals über Hunderte von Meilen getrennt lebten, waren Eheschließungen zwischen den Angehörigen der verschiedenen Gruppen zumeist schwierig gewesen, sodass Heiraten innerhalb des Clans, wie z. B. unter Vettern nicht unüblich gewesen waren. Gegen den echten Inzest bestand hingegen ein striktes Tabu. Um diese Gefahr zu umgehen, wurden Jungen und Mädchen schon sehr früh rigoros voneinander getrennt, wobei Bruder und Schwester nicht gemeinsam in einem Tipi leben durften. Wurde ein Mann von seiner heiratsfähigen Schwester berührt oder machte sie ihm gar schöne Augen, so forderte der Brauch der Comanchen, dass der Bruder das Mädchen sofort töten sollte. Ansonsten war in puncto Sexualität fast alles erlaubt gewesen. Fand ein Pärchen zusammen, so galt der Beischlaf als Akt der Eheschließung und der Mann wurde das neue Familienoberhaupt. Homosexuelle Praktiken waren zwar nicht unüblich gewesen, liefen den auf dem Selbsterhaltungstrieb ausgerichteten Comanchen jedoch zuwider, denn nur die Männer konnten durch die Jagd und den Kampf das unmittelbare Überleben der Stammesgruppe sichern. Alle anderen Aufgaben, außer dem Anfertigen der Waffen, wurden hingegen von den Frauen übernommen. Eine Gleichberechtigung zwischen den beiden Geschlechtern gab es bei den Nemene, anders als z. B. bei den Pueblos nicht. Die Frauen nahmen, ganz im Gegenteil, eine zutiefst unterwürfige Rolle innerhalb des Stammes ein. Ein