Celine Ziegler

Violet Socks


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Mach die Tür auf!"

      Ich verschränke die Arme, als die Tür wieder geöffnet wird und erneut Harrys Gestalt vor mir steht. Er sieht genauso unglücklich aus wie ich darüber, dass er hier ist, während ich auch hier bin.

      „War eine Kurzschlussreaktion", sagt er und mustert mich skeptisch. „Was tust du hier?"

      Ich hebe eine Braue. „Die bessere Frage ist doch wohl, was tust du hier?"

      „Ich muss mich um Heaths Kinder kümmern. Also was tust du hier?"

      Mir klappt die Kinnlade herunter. Wie bitte? Das kann er doch nicht ernst meinen. Beziehungsweise das kann Misses Heath doch nicht ernst meinen! Wie oft soll ich diesen Kerl noch in meinem Leben sehen? Erst die Partys, dann die Schule, dann mein Theaterkurs und jetzt auch noch hier? Irgendwas geht hier gewaltig schief, ich spüre das.

      „Ich kümmere mich um Misses Heaths Kinder", erwidere ich sofort. „Und das schon seit Jahren!"

      Auch Harry scheint die Situation gerade erst geblickt zu haben und mit einem Mal wirkt er noch genervter. „Nein. Einfach, verdammt noch mal, nein. Geh wieder."

      Als er wieder die Tür vor meiner Nase zumachen will und ich entsetzt zurückbleibe, hält Misses Heath ihn auf, die neben ihm auftaucht. „Hey, ich sagte zwar, du sollst die Tür aufmachen, aber nicht, dass du Violet wieder wegschicken sollst." Sie lächelt mir zu. „Violet, komm doch rein, endlich bist du da."

      Konsterniert gehe ich durch den Türrahmen und sehe erst Harry und dann Misses Heath an. „Misses Heath, Sie sagten doch, ich solle heute kommen, um auf die Kinder aufzupassen. Wieso …''

      Sie schnappt sich ihre Handtasche auf der Kommode. „Du hast auch alles richtig gemacht. Allerdings konnte ich Harry nicht ganz ohne kleine Strafe davonkommen lassen, als er einfach wieder aus dem Theaterkurs abgehauen ist, deswegen leistet er dir heute Abend Gesellschaft."

      Ich lasse meine kleine Tasche, die ich um die Schulter hängen ließ, einfach zu Boden plumpsen, weil ich nicht glauben kann, wie oft mich diese Frau noch in irgendwelche bescheuerten Situationen mit diesem Kerl stecken will. „Was? Aber ..."

      „Moment mal", sagt Harry und hält sich nachdenklich die Hand an die Stirn. „Sie sagten, ich solle auf Ihre Kinder aufpassen und das bis zehn Uhr. Und weil das nicht schon Strafe genug ist, muss ich es auch noch mit Violet tun?" Er sieht Misses Heath an. „Ich würde gerne die endgültige Suspendierung von der Schule annehmen."

      Misses Heath jedoch winkt nur ab und hakt sich bei ihrem Mann unter, als sie zur Tür laufen. „Ach, stellen Sie sich nicht so an, Mister Perlman. Das ist nur ein Abend, das wird jeder von euch überleben."

      Schnell laufe ich ihr hinterher, als sie sich zur Tür begeben. „Misses Heath, können wir das nicht anders klären?"

      Heath und ihr Mann schreiten aus der Tür hinaus und ich kralle mich verzweifelt an den Türrahmen. Heath lächelt mich nur an. „Violet, ich bin mir sicher, dass ihr euch einen schönen Abend machen könnt. Wir haben alles, was ihr braucht."

      Am liebsten würde ich auf Knien rutschen. „Sie verstehen das nicht. Harry und ich ... Wir ... Also – bitte, Misses Heath!"

      Doch ich habe keine Chance, denn sie und ihr Mann laufen gelassen die Treppen herunter zum Hof. „Viel Spaß, Violet! Ihr packt das!"

      Ich seufze und sehe ihnen verstohlen hinterher. Da geht also meine letzte Chance auf einen wohligen Abend. So langsam bekomme ich das Gefühl, mein Karma muss unglaublich schlecht sein, damit ich so was verdient habe. Ist das vielleicht die Strafe dafür, dass ich Harry in der Schule einfach so habe auflaufen lassen?

      Langsam und trotzig schließe ich die Tür, doch traue mich noch nicht, mich zu Harry umzudrehen, der noch im Wohnzimmer steht. Niedergeschlagen lasse ich meine Schultern hängen.

      „Du kannst wieder gehen", sagt Harry hinter mir und ich höre, wie er meine Tasche vom Boden aufhebt.

      Ich drehe mich um und direkt wird mir die Tasche vor die Brust gedrückt. „Ich soll gehen?"

      „Natürlich sollst du gehen. Ich kann nicht gehen, sonst werde ich von der Schule geschmissen, deswegen wirst du diejenige sein, die geht."

      Ich runzle die Stirn und nehme ihm die Tasche ab. „Du hast das nicht zu bestimmen. Das hier ist zufällig schon seit Jahren mein Nebenverdienst und Misses Heath verlässt sich auf mich."

      Er schnaubt und geht in die Küche. „Was erwartest du von ihr? Einen Gute-Nudel-Stern? Es wird schon nicht so schlimm sein, wenn du verschwindest. Außerdem ist es besser für jeden von uns."

      „Äh." Ich folge ihm in die Küche, wo er gerade eine Schublade öffnet, um einen Topf hervorzukramen. „Also erstens lasse ich mir von dir ganz bestimmt nichts sagen und zweitens bin ich nicht so wie du und tue einfach das, was ich will. Misses Heath will, dass ich mich um ihre Kinder kümmere, also tue ich das auch."

      „Wie vorbildlich von dir." Er holt noch einen Topf hervor und ich sehe ihm skeptisch dabei zu. „Aber heute zählt dieser Mist nicht. Ich werde keinen Abend mit dir hier verbringen und von der Schule werde ich auch nicht fliegen, deswegen wirst du wohl gehen müssen."

      Für ein paar Sekunden schweige ich und sehe zu, wie er ein paar Zutaten aus dem Kühlschrank holt. „Sag mal, was hast du vor? Ist es schon so weit gekommen, dass du die Küche unserer Rektorin verwüsten willst?"

      „Sei nicht dumm. Heath meinte, ich solle kochen, weil du es nicht kannst."

      Ich hebe die Brauen und lache ungläubig auf. „Wie bitte? Das hat sie nie im Leben gesagt."

      Auf Harrys Lippen schleicht sich ein genugtuendes Grinsen, als er gerade Wasser in den Topf füllt. „Sie hat es genau so gesagt. Der Kleine hätte eine Lebensmittelvergiftung gehabt, nachdem sie dein Essen gegessen haben oder so."

      Ich reiße die Augen auf. „Nein, du lügst! So war das nicht!"

      „Okay, vielleicht hat sie es nicht genau so gesagt, aber es ging in diese Richtung." Harry dreht sich zu mir, als er beginnt, Wasser zu kochen. „Also wirst du jetzt gehen?"

      Als ich gerade sagen will, dass er sich selbst mal vom Acker machen kann, damit ich meine Arbeit in Ruhe vollbringen kann, kommen jedoch zwei kleine Kinder die Treppe runtergestürzt.

      „Vio!", freut sich die kleine Coco mit den beneidenswert langen, braunen Haaren und krallt sich an mein Bein. „Du trägst heute die Katzensocken!"

      Ich grinse schlagartig, weil ich wusste, wie sich Coco über diese Strümpfe freuen wird. Ich trug sie einmal und sofort hat sie sich in sie verliebt. „Klaro, du sagtest doch, dass du sie magst, also blieb mir gar nichts anderes übrig."

      „Ich find sie scheußlich", brummt jedoch Mikey, der sechsjährige Stinkstiefel und Cocos Zwilling, und zupft verächtlich an dem Stoff meiner rechten Socke. „Das sieht echt dumm aus mit den ganzen Katzen."

      Harry lacht gehässig in sich hinein, während er eine Tomatensoße anrührt.

      Ich funkle ihn an. „Lach nicht so doof, sondern konzentrier dich lieber auf dein doofes Essen."

      „Genau!", stimmt mir Coco sofort zu und ich weiß jetzt schon, dass ich einen Kameraden auf meiner Seite stehen habe. Alles, was ich nämlich doof finde, findet sie auch doof und da ich Harry ganz schön doof finde, bin ich mir sicher, dass sie mir helfen wird, mit Harry diesen Abend zu überstehen.

      „Ich wette, der kocht besser als du", meckert Mikey und stellt sich auf Harrys Seite. Er verschränkt die Arme.

      Harry tut es ihm gleich und auch seine Arme sind verschränkt. „Tja, Kumpel, das denke ich auch."

      Genervt von den beiden verziehen Coco und ich die Gesichter und steuern das Wohnzimmer an, in der wir es uns auf der Couch bequem machen. Das Doofe an der ganzen Sache ist, dass ich ganz genau weiß, dass Harry besser kochen kann als ich. Bedeutend besser. Ich erinnere mich, wie er früher immer für mich gekocht hat, weil er es liebte. Sogar gebacken hat er gerne. Ja, das würde man ihm heute