Michael Bardon

Der Hölle so nah


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Aber was will man machen? The Show must go on …«

      »Das ist doch alles Wahnsinn.« Winni senkte die Stimme, flüsterte aufgeregt: »Ich habe mit dieser Sache nichts zu tun. Hörst du Tobias, ich will davon nichts wissen. Das ist dein Mädel, deine Entscheidung, dein Leben. Für eine Frau einen Mord in Auftrag zu geben! Du hast doch echt nicht mehr alle Tassen im Schrank.«

      Ich verzog meinen Mund zu einer freudlosen Grimasse, schnappte mir meine Einkaufstüten und erhob mich vom Stuhl.

      »Zweite Runde, Winni. Ich brauche noch ein paar Schuhe und neue Unterwäsche könnte auch nichts schaden«, sagte ich ohne auf seinen Vorwurf weiter einzugehen.

      Damals dachte ich, dass Winni sich wie ein Waschlappen verhielt, wie ein Kerl ohne Eier. Statt sich für mich zu freuen, nervte er mich doch tatsächlich mit seinem hirnrissigen Geplapper.

       Bist du wahnsinnig, will davon nichts wissen, du kannst doch nicht einen Mord in Auftrag geben …

      Wann braucht man denn einen echten Freund? Richtig, in der Not oder wenn man sein Glück mit jemanden teilen möchte.

      Jaja, ich kann mir schon denken, was Ihnen gerade durch den Kopf spukt. Und soll ich Ihnen etwas sagen? Sie haben Recht! Ja ehrlich, Sie haben Recht. Ich bin ein gemeiner Mörder. Hinterlistig, verschlagen, ein primitives, selbstverliebtes Arschloch.

      Aus heutiger Sicht bedaure ich natürlich den Tod des jungen Mannes. Er ist – im Nachhinein betrachtet – völlig umsonst gestorben. Muskelprotz war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Ist dem Falschen, nämlich mir, in die Quere gekommen. Er war ein Baueropfer, eine Randfigur bei einem Strategiespiel, das Winni und Charly gemeinsam ersonnen hatten.

      Doch leider macht ihn das auch nicht wieder lebendig. Manchmal trifft man eben vorschnelle Entscheidungen, plappert drauf los, stimmt einer Sache zu, ohne vorher richtig darüber nachgedacht zu haben.

      Die Macht mancher Worte ist wirklich unheimlich. Sie entscheiden über Leben und Tod, Glück oder Unglück, Liebe oder Hass. Die Zauberkraft eines einzelnen Wortes vermag Ihr Leben komplett auf den Kopf zu stellen. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal ein wenig in Rage sind und sich mit einem anderen Menschen ein verbales Gefecht liefern.

      Doch was soll’s? Jetzt ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt für sentimentale Anwandlungen. Die Geschichte nimmt ja gerade erst Fahrt auf.

      Sie wird jetzt erst so richtig interessant.

      Unter uns, ich verwette hier und jetzt eine Wochenration meiner leckeren, flüssigen Nahrung. Wenn Sie sich meine Erzählung erst bis zum Ende angehört haben, wenn Sie das ganze Ausmaß dieser Tragödie erfassen, erst dann können Sie verstehen, warum ich meine Frau ermorden musste. Ich bin mir ganz sicher, dass ich, stünde ich noch einmal vor der gleichen Entscheidung, wieder ganz genauso handeln würde.

      Sind Sie jetzt schockiert? Schütteln Sie Ihren Kopf?

      Sie tun es schon wieder. Sie bilden sich eine vorschnelle Meinung, verurteilen mich, obwohl Sie noch gar nicht wissen, was dieses abgebrühte Miststück und ihr – ich bin dein bester Freund, Tobias! – Casanova, mir alles angetan haben.

      Ganz ehrlich, gegen diese beiden bin ich das reinste Unschuldslämmchen.

      Doch alles zur seiner Zeit.

      Winni und ich setzten unseren Einkaufsmarathon fort. Wir stürmten die Geschäfte des Nordwestzentrums und ließen uns im Strom der anderen Kaufwilligen dahintreiben. An diesem Tag spürte ich das allererste Mal so etwas wie eine Kluft zwischen Winni und mir. Doch ich war natürlich viel zu aufgeregt, viel zu abgelenkt, um mir darüber ernsthaft den Kopf zu zerbrechen.

      Mein Handeln, meine Denken, mein Tun, waren auf ein einziges Ziel fokussiert: Um acht Uhr würde ich vor meiner Charly stehen und bis dahin wollte ich, zumindest optisch, ein ganz neuer Tobias Schlierenbeck sein …

      Pasta, Wein und Kerzenschein

      Der flackernde Widerschein einer Kerze erleuchtete den gemütlich eingedeckten Tisch, tauchte ihn in sanfte Gelbtöne, verbreitete Wärme und Behaglichkeit. Ich genoss die mediterrane Atmosphäre. Genoss das italienische Flair, das wie ein guter Hausgeist in diesem Lokal schwebte.

      Das Ambiente stimmte, Charly sah in ihrem geblümten Sommerkleidchen einfach hinreißend aus. Überdies hatte mein karmesinroter Porsche 911 Turbo S Cabriolet auf der Fahrt hierher einen mordsmäßigen Eindruck bei ihr hinterlassen.

      Ich ließ meinen Blick durch das Lokal schweifen und registrierte mit Genugtuung die anerkennenden Blicke der anderen Männer. Ihre Begleiterinnen hingegen starrten meine Charly neidvoll, beinahe mordlustig an.

      Daran werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen, dachte ich. Schöne Frauen hast du nie für dich alleine. Es wird immer jemanden geben, der sie begehrlich angafft.

      Doch Charly schien die Blicke der anwesenden Männer überhaupt nicht wahrzunehmen und schenkte mir ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Ich muss ja zugeben, im Nachhinein betrachtet, hat sie ihre Rolle sehr professionell gespielt. Sie war eine Schauspielerin par excellence, eine Meisterin im Vorgaukeln falscher Tatsachen.

       And the Oscar goes to Charly …

      Aus den Lautsprechern dudelte leise Musik, und ein Sänger schmachtete seinen Text Amor … Amor … Amor … hingebungsvoll durch den Raum. Der befrackte, ein klein wenig schwul wirkende Kellner kam auf unseren Tisch zugetrippelt und servierte mit übertriebenem Gehabe unsere Speisen.

      »Prego Signora, Prego Signor. Habe Sie noch eine Wunsche? Oder iste sich alles zu Zufriedenheit?«

      Müssen italienische Kellner eigentlich immer so reden? Habe Sie …, iste sich …, Mamamia, iste sich beste Weine von die Welt. Finden die das sexy, denken die wirklich, dass das Frauen beeindruckt?

      »Danke Roberto. Es ist wie immer alles perfekt«, sagte Charly und schenkte dem italienischen Kellner ein Lächeln, das ein Gefühl der Eifersucht in mir aufblühen ließ.

      »Molto buono … molto buono, Signora Charlotta.«

      Doch nicht schwul, dachte ich und hätte dem Kellner am liebsten sein dümmliches Grinsen aus dem Gesicht gewischt.

      »E ora, buon appetito …«, wünschte der Kellner, drehte sich auf dem Absatz herum und trippelte – der Kerl musste doch schwul sein! – davon: die Arme seltsam erhoben und an den Leib gepresst.

      »Guten Appetit, ich hoffe es schmeckt dir«, sagte Charly leise.

      Essen … Ich hatte überhaupt keinen Hunger. Nein, ich würde wohl nie wieder feste Nahrung zu mir nehmen müssen. Das herrliche, wundervolle Gefühl des Verliebtseins, das sich wohlig in meinem Bauch ausbreitete, sättigte mich voll und ganz.

      »Ja, guten Appetit. Hmm … sieht das lecker aus«, flunkerte ich und versenkte meine Gabel tief in der Pasta. Ich hatte mir Rigatoni con la pajata bestellt, während Charly sich für den Klassiker Tortellini alla panna entschieden hatte.

      Geschmacklich, nun ja, sollte man bei einem kleinen Italiener im Frankfurter Westend natürlich keine Wunder erwarten. Doch das Essen schmeckte deutlich besser als die rot eingefärbte Brühe, die sie hier hochtrabend als ihren Hauswein anpriesen.

      Ich tupfte mir mit der rotkarierten Papierserviette – Stoffservietten gab es nicht – den Mund ab, hob mein Glas Fegro, billig Ware!, in die Höhe und prostete Charly zu.

      »Auf einen wunderschönen Abend …«

      »Ja, auf einen wundervollen Abend und auf hoffentlich viele, die noch folgen werden«, hauchte sie in einem verführerischen Tonfall. Dabei nahm ihr bildhübsches Gesicht eine dezente Rotfärbung an und sie senkte verlegen ihren Blick.

      Mein Herz vollführte einen mehrfachen Salto vor Glück, während ich mit Todesverachtung an meinem Rotwein nippte.

      Damals kam es mir wie der Himmel auf