Giacomo Casanova

Das Leben des Giacomo Casanova und seine frivolen erotischen Abenteuer - Teil 1


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ihr eine große Summe, eine Versorgung für Lebenszeit.“

      „Sie sagt, sie würde nicht um eine Krone eine Todsünde begehen.“

      „Sie müssen sie mit Sturm nehmen oder sie aus dem Hause jagen, aus ihrer Gegenwart verbannen.“

      „Ich kann es nicht; zum einen fehlt mir die körperliche Kraft, zum andern der moralische Mut.“

      „Töten Sie sie!“

      „Dazu wird es auch noch kommen, falls ich nicht vorher sterbe.“

      „Eure Exzellenz sind wirklich zu beklagen!“

      „Besuchst du sie zuweilen?“

      „Nein; denn ich könnte mich in sie verlieben, und das würde mich unglücklich machen.“

      „Du hast recht.“

      Nachdem ich solche Szenen miterlebt hatte und mit solchen Gesprächen beehrt worden war, wurde ich ein Günstling des vornehmen Herrn. Er gestattete mir Zutritt zu seinen Abendgesellschaften, die, wie ich schon erwähnte, aus älteren Damen und geistreichen Herren Bestand. Er sagte mir, in diesem Kreise würde ich viel größere Weisheit lernen, als aus Gassendis Philosophie, die ich damals auf seinen Rat studierte, statt der aristotelischen, die er lächerlich fand. Er gab mir Lehren, die ich, wie er sagte, unbedingt beobachten müsste, um in dieser Gesellschaft verkehren zu können, die sich sehr wundern würden, dass er einen Jüngling von meinem Alter zuließe. Er wies mich an, nur dann zu sprechen, wenn ich auf direkte Fragen antworten müsste, und vor allen Dingen niemals meine Meinung über irgendetwas auszusprechen; denn in meinem Alter dürfe man noch keine eigene Meinung haben.

      Seinen Lehren getreu und seinen Befehlen gehorsam brauchte ich nur wenige Tage, um mir seine Achtung zu erwerben und von allen Damen, die bei ihm verkehrten, als Kind vom Hause behandelt zu werden. Als unbedeutender junger Abbate musste ich sie begleiten, wenn sie in den Sprechzimmern der Klöster ihre dort als Pensionärinnen untergebrachten Töchter oder Nichten besuchten. Unangemeldet kam ich zu jeder Stunde des Tages; man schalt mich aus, wenn ich mich mal eine Woche lang nicht hatte sehen lassen; wenn ich in die Zimmer der jungen Mädchen trat, liefen diese davon; sobald sie aber sahen, dass nur ich es war, kamen sie wieder; dieses Zutrauen fand ich reizend.

      Vor dem Essen machte Herr von Malipiero sich oft das Vergnügen, mich zu fragen, was für Angenehmes oder Interessantes ich bei den Damen unserer Bekanntschaft gefunden hätte; bevor ich jedoch antworten konnte, sagte er mir, sie seien alle die Tugend selbst, und man würde einen sehr schlechten Begriff von mir bekommen, wenn ich jemals etwas erzählte, was nicht mit dem guten Ruf übereinstimmte, in dem sie ständen. Durch solche Andeutungen gab er mir die weise Lehre der Verschwiegenheit.

      Bei diesem Senator machte ich die Bekanntschaft der Signora Manzoni, Frau eines öffentlichen Notars, von der ich noch werde zu sprechen haben. Diese würdige Dame flößte mir die größte Zuneigung ein und gab mir sehr vernünftige Lehren und Ratschläge; hätte ich darauf gehört und sie befolgt, so wäre mein Leben nicht so stürmisch gewesen; aber dann würde ich andererseits es heute nicht der Mühe wert finden, es zu beschreiben.

      So viele schöne Bekanntschaften mit Damen der sogenannten großen Welt erweckten in mir eine Neigung durch meine Erscheinung und ein elegantes Äußeres gefallen zu wollen. Dies passte aber meinem Pfarrer nicht, und bei dieser Gelegenheit war meine gute Großmama mit ihm einig. Eines Tages nahm er mich beiseite und sagte mir mit honigsüßen Worten, in dem Stande, den ich mir erwählt habe, müsse ich daran denken, dem lieben Gott durch mein Herz und nicht der Welt durch mein Gesicht zu gefallen. Er tadelte meine allzu sorgfältig gepflegte Frisur und den zu feinen Duft meiner Pomade. Er sagte mir, der Teufel habe mich an den Haaren gepackt, ich werde exkommuniziert, wenn ich fortfahre, sie so zu pflegen, und schließlich führte er die Worte eines Ökumenischen Konzils an: Clericus, qui nutrit comam, anathema sit. – Der Geistliche, der sein Haar pflegt, sei verdammt. Zur Antwort zitierte ich ihm das Beispiel von hundert nach Moschus duftenden Abbaten, die man keineswegs als exkommuniziert betrachte, sondern vollkommen in Ruhe lasse, obwohl sie viermal so viel Puder brauchten als ich, der ich mich nur ganz leicht einstäubte; die eine Ambrapomade verwendeten, von der die Damen ohnmächtig würden, während meine Jasminpomade mir in allen Gesellschaften, die ich besuchte, Komplimente eintrüge. Ich schloss mit den Worten, es tue mir leid, ihm nicht gehorchen zu können; wenn ich in Schmutz und Unsauberkeit hätte leben wollen, so wäre ich Kapuziner geworden und nicht Abbate.

      Meine Antwort hatte ihn ohne Zweifel sehr wütend gemacht, denn drei oder vier Tage darauf überredete er meine Großmutter, ihn am Morgen, als ich noch schlief, in mein Schlafzimmer eintreten zu lassen. Der rachsüchtige oder fanatische Priester schlich sich leise an mein Bett und schnitt mit einer scharfen Schere mir unbarmherzig alle Haare des Vorderkopfes von einem Ohr zum andern ab. Mein Bruder Francesco, der im Nebenzimmer war, sah es, sagte aber nichts, freute sich vielmehr, da er selber eine Perücke trug und auf meine schönen Haare eifersüchtig war. Er ist sein ganzes Leben lang ein Neidhammel gewesen, obwohl – für mich unbegreiflich – der Neid bei ihm die Freundschaft nicht ausschloss. Sein Laster muss, wie alle die meinen, heutigestags an Altersschwäche gestorben sein.

      Nach dieser Heldentat entfernte sich der Pfarrer mit ganz unschuldiger Miene. Als ich aber kurz nachher erwachte und mit meinen Händen mich von der ganzen Grässlichkeit der unerhörten Gewalttat überzeugte, da war ich außer mir vor Zorn und Entrüstung.

      Welche Rachepläne wälzte ich in meinem Herzen, als ich in einem Handspiegel sah, in was für einen Zustand der freche Priester mich versetzt hatte! Auf den Lärm, den ich schlug, lief meine Großmutter herzu, und während mein Bruder lachte, versicherte mir die gute Alte, wenn sie von den Absichten des Pfarrers nur eine Ahnung gehabt, so hätte sie sich wohl gehütet, ihn hereinzulassen. Endlich gelang es ihr, mich ein wenig zu beruhigen, indem sie mir zugab, dass der Priester die Grenzen einer erlaubten Züchtigung überschritten habe.

      Entschlossen, mich zu rächen, brütete ich beim Ankleiden über hundert schwarzen Plänen. Mir dünkte, ich hätte das Recht, mich blutig zu rächen, und kein Gesetz könnte mir dafür etwas anhaben. Da die Theater geöffnet waren, ging ich in Maske aus und begab mich zum Advokaten Carrara, den ich im Hause des Senators kennengelernt hatte. Ich fragte ihn, ob ich den Pfarrer gerichtlich belangen könnte, und er sagte mir, vor kurzer Zeit sei eine ganze Familie zugrunde gerichtet, weil einem Slavonier der Schnurrbart abgeschnitten worden, und ein Bart sei doch viel weniger als eine ganze Kopffrisur. Wenn ich dem Pfarrer einen Prozess anhängen wollte, bei dem ihm nicht wohl sein würde, so brauchte ich nur zu befehlen. Ich erklärte mich einverstanden und bat ihn, am Abend Herrn von Malipiero zu sagen, warum ich nicht kommen könnte; denn natürlich konnte ich mich nicht eher sehen lassen, als bis meine Haare wieder gewachsen waren.

      Ich ging nach Hause, um mit meinem Bruder eine Mahlzeit einzunehmen, die im Vergleich mit der Tafel des alten Senators sehr dürftig war. Die Entbehrung der feinen Kost, an die Seine Exzellenz mich gewöhnt hatte, war auch eine von den empfindlichsten Folgen, die der Racheakt des Pfarrers – der noch dazu mein Taufpate war – für mich zu bedeuten hatte. Ich weinte vor Verdruss bittere Tränen, und ich war umso verdrießlicher, da ich wohl fühlte, dass der mir angetane Schimpf etwas Komisches an sich hatte, das mich lächerlich machte; und dies entehrte mich in meinen Augen mehr als ein Verbrechen.

      Ich ging früh zu Bett und ein guter zehnstündiger Schlaf erfrischte mich; ich war nicht mehr so leidenschaftlich, aber doch nicht weniger fest entschlossen, den Pfarrer gerichtlich zu verfolgen.

      Ich war gerade dabei mich anzuziehen, um zu meinem Advokaten zu gehen und mir die Klageschrift zeigen lassen, da sah ich einen geschickten Friseur eintreten, den ich bei Frau Contarini kennengelernt hatte. Er sagte mir, Herr von Malipiero schicke ihn, um mich so zu frisieren, dass ich ausgehen könne, denn er wünsche mich noch am selben Tage bei sich zu Tische zu sehen. Nachdem er sich den Schaden angesehen hatte, fing er an zu lachen und sagte zu mir, ich solle ihn nur machen lassen, er werde mich so herrichten, dass ich noch eleganter wäre als zuvor und daher ausgehen könnte. Und nachdem er mein Haar en vergette geordnet hatte, fand ich mich wirklich so gut aussehend, dass ich mich für gerächt hielt.

      Da ich nun nicht mehr an die Beleidigung dachte, so ging ich beim Advokaten vor und