Andreas Milanowski

Sinja und der siebenfache Sonnenkreis


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dass es kaum möglich ist, nichts davon mitzukriegen. Ansonsten bin ich natürlich auch sehr für das Frühstückchen. Es ist bestimmt vom letzten noch was übrig! Ich trommele mal das F aus den Blättern. Emelda ist wahrscheinlich ohnehin schon unterwegs. Vielleicht könnt ihr ja bei Amandra mal vorsichtig... Aber passt auf! Ihr wisst ja, A wie Achtung! Amandra….um diese Zeit? Uiuiui!“

      In Windeseile waren alle geweckt und benachrichtigt. Selbst Amandra hatte, angesichts der Dringlichkeit der Einladung, auf ihr übliches Aufstehritual verzichtet. Sie saß einfach nur ungekämmt und schlecht gelaunt am Tisch. Engil hatte die Terrasse ein wenig vergrößert, damit alle Sieben Platz fanden.

      21 Bei Männern, welche Liebe fühlen

      Zabruda hatte den kürzesten Weg gewählt und war außer Atem. Der Magus wohnte außerhalb der Stadt auf einem Hügel, den alle den Brahmshügel nannten, weil hier Johannes Brahms, der große Komponist, vor längerer Zeit, im Gras in der Sonne sitzend, einige Ideen für seine erste Symphonie notiert haben soll. So jedenfalls erzählte es die Legende. Das Haus, in dem der alte Zauberer lebte, war eine kleine, alte Villa, ganz aus Holz gebaut. Sie hatte eine weite Veranda, die das halbe Haus umspannte. Aus der Mitte des Bauwerkes ragte ein hoher, runder Turm in den Himmel über Fasolanda, von dem aus man einen guten Blick über die gesamte Stadt hatte. Bis weit hinunter in die Ebene jenseits der Stadtmauer reichte die Aussicht, wenn man sich die Mühe machte, sich ein wenig zu strecken, um aus einem der schmalen Fenster sehen zu können. Oben, unter dem Dachstuhl des Turmes, zwischen altem Gerümpel und riesigen Spinnweben, hielt der Magus seine Fledermäuse. Eine Etage tiefer, im obersten Turmzimmer standen jetzt die beiden, so unterschiedlichen Männer und besprachen die Entwicklung der Dinge.

      „Ihr müsst die Weisen zusammenrufen. So schnell wie möglich. Beim heiligen Taktstock! Das ist eine Geschichte…und er will das flammende Herz, sagst du? Unsere Königin!...Entführt!“

      Der Magus war beunruhigt. Er hatte seinen Spitzhut auf dem Arbeitstisch abgelegt, auf dem sich links und rechts alte, dicke Bücher stapelten. Die meisten davon waren völlig zerlesen und rochen moderig. Die losen Seiten wurden nur noch von den Buchdeckeln zusammengehalten. Nachdenklich fuhr sich der Alte abwechselnd durch seine schulterlangen, grauen Haare und seinen Bart, der ihm bis zum Bauch hinunterreichte.

      „Hm, entführt?“

      „So steht es hier auf diesem Papier!“, antwortete Menroy.

      „Dieser, nennen wir es mal Text, strotzt vor Fehlern jeglicher Art. Glaubst du wirklich, Zabruda, dass dieses Machwerk aus der Hand des Unerhörten stammt?“

      „Nein! Aus seiner eigenen Hand sicher nicht, Magus. Du kannst ihm einiges vorwerfen, aber sicher nicht, dass er der korrekten Rechtschreibung nicht fähig sei. So etwas wie das hier hätte er niemals verfasst. Du weißt aber auch nicht, wer mittlerweile alles in seinen Diensten steht. Das sind bestimmt nicht die Besten des Landes – eher im Gegenteil.“

      „Wie sicher können wir denn sein, dass der Unerhörte überhaupt mit der Entführung der Königin zu tun hat? Mehr als diesen Zettel und die Aussage der Zofe habt ihr doch gar nicht, oder? Ist es nicht möglich, dass es jemand anderes war?“

      „Oh, es war ganz sicher jemand anderes, Magus“, antwortete Menroy, „aber genauso sicher bin ich, dass dieser andere Jemand für den Unerhörten arbeitet. Es gibt nämlich etwas, das du noch nicht weißt.“

      „Zabruda, spanne mich nicht unnötig auf die Folter. Was ist passiert? Noch eine Katastrophe?“

      „Schlimmer als das! Die Pergamente wurden gestohlen!“

      „Welche Pergamente?“

      „Die Pergamente!“

      „Die….? Du meinst….der siebenfache Sonnenkreis? Sag´, dass das nicht wahr ist.“ Die Augen des Magus wurden groß wie Wagenräder. „Der siebenfache….So….Sonnen….wie konnte das geschehen?“

      „Nun, er hat sich Zugang zum Verlies der Weisen verschafft. Möglicherweise hatte er Unterstützung von einem Mitglied unseres Ordens.“

      „Das….das darf nicht sein….und es ist sicher, dass der Unerhörte der Auftraggeber war?“

      „Nun, Interesse an den Plänen haben einige. Aber nur er hat die Mittel, sie in die Tat umzusetzen. Es ist also schon sehr wahrscheinlich, dass er dahinter steckt und damit ist auch der Zusammenhang zu der Entführung hergestellt.“

      „Ja, natürlich“, stammelte der Magus, immer noch sichtlich verstört, „wahrscheinlich braucht er die Zaubergeige, um den Mechanismus in Gang zu setzen. Die Prophezeiung spricht von einem feurigen Herz, das die Sphären besingt und, dass die Töne, Saite um Sait´ erklimmen die himmlische Weit´ und so weiter. Du kennst sie ja.“

      „Natürlich kenne ich die Prophezeiung!“

      „Bei dem feurigen Herz kann es sich eigentlich nur um Sinjas Zaubergeige handeln. Das ist klar wie dicke Tinte. Ach, eine Katastrophe ist das!“ Der Magus schlug sich mit beiden Händen gegen die Stirn. „Aber, sag´ mal, wissen wir eigentlich, wo das flammende Herz sich derzeit befindet?“

      „Nach meinen Informationen ist es immer noch im Besitz von Sinja. Ich denke, wir wüssten es, wenn sich daran etwas geändert hätte.“

      „Ich hoffe, dass es so ist, Zabruda! Gibt es mittlerweile etwas Neues von den Elfen aus Engil?“

      „Ich habe bislang keine Nachricht von ihnen. Hinandua hat mir eine Botschaft aus Ildindor geschickt. Sie hatten eine Ratssitzung, an der Cichianon und Doriando auf Einladung des Rates teilgenommen haben. Er schrieb, dass es während der Sitzung zu einem Tumult und einem Streit zwischen Cichianon und Gisandela gekommen sei. Die beiden waren sich wohl nicht einig, mit welchen Mitteln der Unerhörte zu bekämpfen sei. Es scheint in Ildindor starke Kräfte zu geben, die einen offenen Kampf wollen. Gisandela hat Ferendil, das heilige Schwert aus der Halle der Ahnen ins Spiel gebracht, um Cichianon dazu zu überreden, direkt in den Kampf zu ziehen. Ich denke, die sind sich nicht im Klaren darüber, wie es in Fasolanda wirklich aussieht. Wen wollen sie denn hier mit dem Schwert bekämpfen?“

      „Sie müssen große Furcht haben, wenn sie Ferendil wieder hervorholen. Das Schwert ist seit den Zeiten der alten Könige nicht mehr benutzt worden…und was tun sie jetzt?“

      „Ja, in Ildindor herrscht offenbar mindestens so viel Unruhe wie bei uns in Fasolanda. Hinandua schrieb, dass Cichianon und Doriando zunächst nach Engil zurückkehren, um sich mit den anderen Elfen zu beraten. Sie gehen davon aus, dass Sinja mittlerweile dort eingetroffen ist.“

      „…und wenn nicht?“

      „Dann weiß ich auch nicht weiter. Wir müssen hoffen, dass unsere Nachricht angekommen ist und sie die Elfen gerufen hat. Jetzt lass´ uns aber fürs erste tun, was wir von hier aus tun können. Ich muss die Bruderschaft zusammentrommeln, um sie über die neuesten Entwicklungen zu unterrichten, damit wir unser weiteres Vorgehen abstimmen können.“

      „Gut, tu das!“ Der Magus ging zu seinem Mantel, griff in die Innentasche, zauberte sein schwarzes Pulver hervor und warf es in die Luft. Es bildete sich eine rotierende Wolke, aus der eine Fledermaus wuchs. Der Meister streckte seinen Arm aus und drehte die Handfläche nach oben. Das Tier landete darin wie ein Vogel in seinem Nest. Der alte Zauberer zischte ihm einige, kaum wahrnehmbare Töne zu und entließ es dann durch eines der offenen Fenster ins Freie. Innerhalb weniger Augenblicke war die Fledermaus verschwunden und außer Sichtweite.

      „Erledigt! Wir müssen auf Antwort warten. Sie werden sich bei dir melden.“

      „Danke, ich gehe zurück ins Schloss. Es gibt viel zu tun!“

      Zabruda stieg die Wendeltreppe des Turmes hinunter, warf die Holztür der Villa ins Schloss und lief eiligen Schrittes den Brahmshügel hinab, so, wie er gekommen war. Das Gespräch mit dem Magus hallte in seinem Kopf nach. Er war in Gedanken, überlegte die nächsten Schritte. Vielleicht übersah er deswegen die äußerst merkwürdig gekleidete Gestalt, die sich von der anderen Seite des Brahmshügels her der