Til Erwig

"I"- Achtung Spyware!


Скачать книгу

diesmal ist sie des Lobes voll über seine Zettel Tätigkeit, Gedächtnisstützen, die in diesem Fall mit Sicherheit noch nützlich sein werden. Soviel ungewohntes Lob aus dem Munde der Kollegin, weckt bei Klaus wieder alte Hoffnungen, denn er mag Erika nicht nur als seine Chefin im Streifenwagen. Er würde ihr mit kollegialem Einsatz auch anderweitig Tag und Nacht zur Seite stehen, sozusagen auch privat manche Dienstleistung erbringen, die nicht in seinem polizeilichen Normalo Arbeitsvertrag steht. Und Erika weiß das natürlich. Nicht umsonst hat sie die auf dem langen und dornigen Weg zur Polizeibeamtin erforderlichen Psycho Kurse mit Bestnote bestanden und ist deshalb Willens und in der Lage die erworbenen Kenntnisse nicht nur beim Räuber und Gendarmspiel mit Dealern, Dieben, Dumpfbacken und Ruhestörern einzusetzen. Sie kann, wenn sie gut drauf ist, auch Kollegen für oder gegen sich in Stellung bringen, je nachdem wie gesagt, je nachdem wie sie gerade drauf ist.

      Heute gut, weshalb sie wie zufällig die linke Hand auf das mit dem Gas spielenden rechten Bein von Klaus legt und dazu beiläufig bemerkt. „Respekt, Kollege. Respekt für Deine Geduld und Ausdauer in diesem äußerst schwierigen Fall!“ „Und ich sage dir …“ antwortet Klaus, aber da ist Erika schon beim nächsten Gedanken „Irgendwas stimmt nicht bei denen. I-Pad! So heißt doch keine. Nicht mal in Asien. Die verarschen uns.“ „Frei erfunden“, gibt ihr Klaus eifrig recht, „Ai Pätt, hahaha! Okay, Pol-Pott, das war, glaub´ ich, so´ n Massenmörder in Korea, oder Thailand, nee Vietnam, glaub´ ich.“ „Kambodscha“, hilft Erika aus. „Ehrlich?“, staunt Klaus immer wieder über seine anscheinend umfassend gebildet Kollegin. „Hättest ja nachfragen können“.

      „Was zum Beispiel?“ Erika merkt die Verunsicherung beim Kollegen und witzelt, während sie ihn schelmisch anblinzelt. „Wo waren Sie heute Abend zwischen 20 und 22 Uhr?“ „Wie im Fernsehen“, grinst Klaus und freut sich, dass er seine Partnerin damit zum Lachen gebracht hat. Endlich mal eine Reaktion in seinem Sinne. Das stärkt, das baut auf, lässt Gefühle erwachen, weckt Kräfte…Klaus will nicht länger darüber nachdenken, was das für Kräfte sein könnten, er gibt einfach Gas und unter dem Gelächter der beiden biegt der Streifenwagen mit quietschenden Reifen um die Ecke – ohne Blaulicht verkehrswidrig, denn die Ampel zeigt immer noch tiefes ROT.

      *

      Im Gegensatz zu den beiden Polizeibeamten ist Bernhard gar nicht zum Lachen zu Mute an diesem Morgen. Obwohl bereits angenehmer Kaffeeduft durch die Küche zieht und Monika den Frühstückstisch ganz deutsch mit Butter, Brötchen, Marmelade und Honig bestückt hat und auch der Orangensaft diesmal nicht fehlt, fühlt er sich knatschig, ist immer noch müde. Er hat einfach schlecht geschlafen, ungereimtes Zeug geträumt und was noch schlimmer ist: er kann sich an so gut wie nichts richtig erinnern. Selbst wenn Monika ihn ausfragen würde, was sie gelegentlich tut, wenn er mit offenen Augen vor sich hinstarrt und mit Problemen kämpft, die ihn gerade umtreiben. Selbst dann wüsste er nicht zu sagen, was ihn in der vergangenen Nacht so beschäftigt hat. Er konnte fliegen, richtig, daran erinnert er sich und an den Eisenbahnzug, der davon fuhr mit ihm auf der hinteren Plattform, vielmehr, dem er hinterherrannte um auf die hintere Plattform aufzuspringen. Es war ein alter Waggon, den die Dampf- lokomotive zog, so ein romantisches Teil aus dem Wilden Westen, ´Der letzte Zug von Gun Hill` vielleicht, mit Kirk Douglas und Anthony Quinn von denen mindestens einer schon tot ist. Tot? Der Tod? Was hatte der verdammte Traum und die Eisenbahn mit dem hier und heute zu tun? Eine Vorahnung vielleicht, dass der verschwundene Onkel Henry möglicherweise tot ist? Wie so viele, die nur mal schnell zum Automaten gehen um Zigaretten zu holen und niemals wiederkommen. Blödsinn, Schwager Henry war Nichtraucher, jedenfalls hatte er keine Zigaretten bei ihm gesehen oder gerochen. Und riechen konnte Bernhard jeden Raucher schon auf allergrößte Entfernung. Das hängt damit zusammen, dass er selbst mal Nikotin süchtig war bis kurz vor Amelies Geburt, denn …

      „Dann ist Schluss mit lustig!“ sagt Monika im selben Ton, mit dem sie ihm damals das Rauchen verboten hatte. „Wo du Recht hast - hast du Recht, Schatz. Ein ganz ungutes Gefühl hab´ ich. Hundert pro kriegen wir Ärger… glaub´ mir.“

      „Mit wem?“ „Mit beiden. Aber wir könnten sie wieder loswerden“, sieht Bernhard einen kleinen Hoffnungsschimmer in der Weite des fernen Horizonts, hinter dem nahen Küchenfenster. Doch Monika fasst nach. „Davon träumst du? Der Henry bleibt doch nur ein paar Tage.“ „Den mein´ ich nicht. Die andere – wann geht die eigentlich mal auf ´s Klo?“ „Das kannst du deinen Kindern nicht antun!“ sagt Monika und die Tatsache, dass sie von seinen Kindern spricht macht Bernhard klar, dass es ihr ernst ist damit. Aber ihm ebenso. Er sei ein gelernter Bedenkenträger, im Gegensatz zu seinem Opa, dem Staatsschauspieler mit der positiven Einstellung zum Leben, hatte Monika ihm an den Kopf geworfen. Das ist noch gar nicht so lange her und war auf einen schrecklichen Grundsatz Streit zurückzuführen, den sie vor längerer Zeit einmal hatten. Im Zusammenhang mit moderner Kindererziehung und dass es seiner Meinung nach wichtig ist, und dazu steht er bis heute, wenn den Kleinen auch mal die Grenzen aufgezeigt werden. ´Antiautoritäre Erziehung ist doch von gestern`, hatte er sich aufgeregt und ´Sieh bloß mal mich an, eine Ohrfeige gelegentlich hat noch keinem geschadet`! Und dann hatte er schnell noch hinzugefügt, was das alles denn mit einem ´Bedenkenträger` zu tun haben soll, der er bestimmt nicht ist und niemals gewesen war. Beweis dafür? Bitte, seine Motorrad Zeit zum Beispiel, wo er sich über (fast) alles hinweggesetzt hatte, was man Gesetz und Ordnung nannte. Aber damals kannte er Monika noch nicht, Got tseidank, damals war er frei, wild und ungebunden, ein ´Easy Rider` wie aus dem Kultfilm mit Peter Fonda und dem anderen Typen, dem, der später mit James Dean im Film ´Giganten` zu sehen war, wie hieß er doch gleich? Das ´Gottseidank` - das hatte sie ihm übel genommen und eine Woche lang nicht mehr mit ihm gesprochen. Naja, der Klügere gibt nach, erinnerte er sich an ein Sprichwort seiner Mutter und entschuldigte sich dafür. Das ´Gottseidank` hätte echt nicht sein müssen. Immer wenn Religion im Spiel ist, wird es gefährlich, hatte sein Vater, der olle Till Höpfel, ihm schon in jüngeren Jahren mit auf den Weg gegeben um aber gleichzeitig zu betonen, dass es ohne Religion die wunderbaren Kirchenbauten nicht gäbe, die Münster, den Kölner Dom und auch nicht diese riesigen Bibliotheken, tausende Bücher von fleißigen Mönchen geschrieben, so schön und mit Bildchen verziert, dass man auch ´gemalt` zu diesen Kunstwerken sagen könnte. „Antun, antun! Meinen Kinder nicht antun!“

      Bernhard wollte sich eigentlich abregen, cool bleiben, aber dass im Streitfall immer die Kinder herhalten müssen will ihm nicht einleuchten. „Das Mädchen ist irgend so ein neumodischer Cyber-Typ und sonst nix. Ein Anti-Virus Programm in die Kiste - und puffff, schon ist sie weg!“ „Kommt nicht in Frage. So was musst du mit Amelie und Mick ausmachen. Das ist M o r d!“ Einer zu viel für Bernhard. Drama in allen Ehren aber ein gelöschtes Computerprogramm als Mord zu bezeichnen, das geht über jeden Verstand. Sein Vater hätte gesagt ´über die Hutschnur`! Deshalb macht er gute Miene zum bösen Spiel, steht auf, umarmt seine Moni, (Na bitte, sein Entspannungsvorhaben funktioniert doch) und flüstert ihr ins Ohr. „Jetzt spinnst du aber, Moni Bär! Das Mädchen besteht aus … aus … aus Silikon und Energie und aus was weiß ich noch. Risiko! Hoch riskant, die Kleine, das sag i c h dir!“ Und irgendwie ist Monika froh, dass ihr Mann nicht noch mal ausrastet und deshalb stimmt sie seinem Genuschel, Gegrummel und beginnenden Gefummel zu und sagt halbherzig „Sie ist doch noch ein Kind. Du wolltest doch immer noch so was Süßes wie Amelie, oder?“

      „Hummmh, hummmmh, grrrrruuuh!“ macht Bernhard das wilde Raubtier und schleppt sein nur leicht widerstrebendes Opfer zur Küche hinaus ins obere Stockwerk des Hauses.

      *

      Mick hockt mit gegrätschten Beinen in seinem Zimmer und starrt auf den Bildschirm. Er betrachtet Eigenartiges, das gerade in Schnurres Modelädchen passiert. Wenn man ganz genau hinsieht, kann man erkennen, sozusagen durch die Augen von „I“, wie Amelies Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger den ausgestreckten Zeigefinger des Mädchens berührt. Wenn Leonardo da Vinci noch lebte, würde er sich über den dreisten Versuch seine 1508 geschaffenen ´Schöpfung des Menschen` in der Sixtinischen Kapelle in Rom zu kopieren sicher beschweren, vielleicht sogar eine Klage einreichen, wenn er noch leben würde. Tut er aber nicht und wo kein Kläger – da kein Richter, sagt Papa manchmal und der hat den Spruch von seinem Vater und der wiederum …

      Aber so berühren sich die Finger der beiden Mädchen und – es passiert nichts. Mick lehnt sich erstaunt zurück,