Peter Urban

Der Herr des Krieges


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erst richtig weckte. Er wölbte stolz seinen Hals und trabte mit aufgeblähten Nüstern zu einer der jungen Damen hin, um aufgeregt vor ihr herumzutänzeln und seinen ganzen Charme spielen zu lassen. Das Stütchen schien leidlich beeindruckt und wich nur wenig vor dem irischen Flegel zurück. Ihre Ohren spitzte sie aufmerksam. Wellington schüttelte belustigt den Kopf und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. Zumindest würde sich sein Hengst auf dem Rückweg friedlicher benehmen als auf dem Hinweg. Auf der großen Koppel standen mehr als 50 Stuten zur Auswahl. Eine würde sein Ungeheuer sicher überreden können ...

      Don Fernando legte seinem Gast zufrieden die Hand auf die Schulter und führte ihn ins Haus: „Puro sangre bien puesto! Se ve, que tiene excelente linea! Ein prächtiges Tier. Wer hat ihn gezüchtet?“

      „Eigene Zucht! Sein Vater ist ‚Eochaid‘ ein goldfarbener turkmenischer Hengst, den ich aus Indien mitgebracht habe, seine Mutter ‚Lady Catherine‘, die von Godolphin Arabian abstammt! Damit ist der Fuchs auch ein Urenkel von ‚Eclipse’, dem berühmtesten Rennpferd meines Landes. Obwohl ich nicht Buch führe über meine Tiere! Ich züchte sie eigentlich nur für mich selbst! Hauptsache sie sind zäh, ausdauernd, furchtlos und aggressiv! Sie müssen für den Krieg taugen!”

      Die beiden Männer ließen sich in zwei bequemen Sesseln am Rande einer Reitbahn nieder. Eine Frau in spanischer Landestracht bot ihnen Kaffee an. Don Fernando wies seinen Capataz an, die zum Verkauf stehenden Pferde zu bringen. Der Ire hob bewundernd die Augenbrauen. Eines war schöner als das andere, mit langen, lockigen Mähnen, feinen Köpfen, die an ihre arabischen Vorfahren erinnerten, leicht und trotzdem stabil gebaut. Er stellte seine Tasse auf den Tisch und ging von Pferd zu Pferd, betastete die Beine, hob die Hufe, sah ihr Gebiß prüfend an.

      „Sie sind alle gesund, Mylord! Sie werden keinen Unterschied feststellen! Es ist eigentlich nur Geschmackssache, ob Sie einen Schimmel, einen Grauen oder einen Rappen möchten!”

      Wellington ging vor den Tieren auf und ab. Sie waren erstaunlich ruhig und ihm als Fremdem gegenüber zutraulich und freundlich. Er entschied sich für einen großen, dunkelgrauen Wallach und zwei etwas hellere Stuten. Don Fernando bat seinen Capataz, die Tiere zu satteln. Dann führte der spanische Stallmeister jedes der Tiere unter dem Sattel vor. Sie beherrschten alle drei die Hohe Schule und verfügten über beeindruckende Gänge. Die Tiere bewegten sich mit einer tänzerischen Leichtigkeit.

      „Kann ich die Pferde ausprobieren?“

      Don Fernando wies mit der Hand zur Reitbahn: „Bitte, Mylord!”

      Im ersten Augenblick war der spanische Sattel für den Iren ungewohnt, die Steigbügel kürzer als bei britischen Kavalleriesätteln, klemmten ihn vorne ein dickes Schaffell und hinten eine hohe Rückenlehne auf dem großen Grauen fest. Es dauerte zehn Minuten, bis Arthur herausgefunden hatte, wie spanische Pferde geritten werden mußten, doch der Lusitano machte seinem Reiter das Leben nicht schwer. Er war brav und fügsam. Alle Hilfen waren feiner und leichter, als die in England üblichen, den französischen nicht unähnlich. Es war einfach, die Lusitanos zu versammeln, sie waren wendig und gehorchten auch leisen Gewichts- und Schenkelhilfen. Der Doppelzaum, den die Tiere trugen war noch schärfer als Kopenhagens Kandare. Auch eine Frau würde in der Lage sein, ein solches Pferd ohne Probleme zu beherrschen. Der Ire probierte ebenfalls noch die beiden Stuten aus, doch mehr aus Freude an der Leichtigkeit der Tiere als aus wirklichem Interesse. Der große graue Wallach würde ein perfektes Pferd für seine Sarah sein. Und er war bildschön!

      „Nun, Mylord?“

      „Der Graue ist ganz ordentlich!” Arthur setzte seinen skeptischen Gesichtsausdruck auf. Er strich eine Weile mit mißtrauisch prüfendem Blick um den Wallach, sah ihm tief in die Augen und etwas zweifelnd auf die Beine. Don Fernando wußte, daß nun der traditionelle Ringkampf zwischen Käufer und Verkäufer stattfinden mußte, bei dem der Preis des Pferdes ausgehandelt wurde. Die britischen Verbündeten schienen hier seinen üblichen, spanischen Kunden nicht unähnlich zu sein. Der Züchter schmunzelte vor sich hin und wartete gespannt auf die Argumente seines Gastes.

      „Er hat eine etwas schwache Hinterhand, Don Fernando!” Wellington befühlte lange die Karpalgelenke des Wallachs. Sie strotzten vor Kraft. Dieses Pferd würde problemlos auch hohe Hindernisse bewältigen können. „Und seine Hufe sind ein bißchen weich! Das wird problematisch, wenn man dieses Tier auf schlechten Wegen reitet!” Er hatte mit dem Griff seines Dolches das Horn abgeklopft. Der Ton war tief und klar. Selbst unbeschlagen würde dieser Graue auch in schwerem Gelände laufen, ohne zu lahmen. Der Spanier ließ sich auf das kleine Spiel ein. Er trat zu seinem Pferd, packte dessen Hinterhand und zog sie kraftvoll, weit nach außen: „Welche Gelenkprobleme soll dieser Wallach haben? Mylord, Sie müssen mit Blindheit geschlagen sein und seine Hufe sind hart, wie Stein! Für 500 Dollares ist der Graue ein Geschenk, ich ruiniere mich, wenn ich Ihnen so ein Tier zu diesem Preis überlasse und mache mich zum Gespött meiner Kollegen!” Arthur griff sich ans Herz: „Sie wollen 500 Dollares für dieses Tier? Don Fernando, sehen Sie sich seine Hinterhand an. Sie ist schwach, die Fesselgelenke sind kurz und stehen in einem zu steilen Winkel. Ein Damenpferd für den sonntäglichen Ausritt bestenfalls! Ich biete Ihnen 350 Dollares!”

      „Caramba! Me estan aruinando!“ Der Spanier riß die Arme in einer theatralischen Geste nach oben gen Himmel. Sein Gesichtsausdruck war verzweifelt, seine schwarzen Augen schienen tiefste Trauer auszudrücken: „Todos los Irlandeses son ladrones sin vergüenza! Geben Sie mir 450 Dollares und der Wallach gehört Ihnen!”

      Wellington hatte es schon immer Spaß gemacht, um Pferde zu handeln wie der schlimmste Roßtäuscher des County Meath. Nachdem Don Fernando alle Iren als Halunken ohne Scham bezeichnet hatte, kam er jetzt erst richtig in Fahrt: „Amigo, seien Sie vernünftig! Niemand wird Ihnen für dieses Pferd 450 Dollares bezahlen! Ein Damenpferd, ein Spielzeug! Kastriert! Der taugt weder für die Zucht noch für die Corrida! Sie müssen froh sein, wenn Ihnen ein blauäugiger Idiot 400 Dollares für diesen Gaul anbietet!” Er hielt dem Spanier die Hand entgegen: „Schlagen Sie ein und danken Sie dem Himmel dafür, daß ich Sie von diesem Fehler der Natur in einem Augenblick der Schwäche befreie!” Seine Augen blitzten Don Fernando belustigt an. „Ein Fehler der Natur! Generalissimo, ich Don Fernando Cabrrera de Ortiz züchte keine Fehler der Natur! Sie sind der schlimmste Pferdehändler, der mir je über den Weg gelaufen ist! Sie haben mich zu einem armen Mann gemacht! Oh, Madre de Dios! Erzählen Sie bloß nicht herum, daß Sie mich so hereingelegt haben! Nur 400 Dollares für meinen Augapfel!” Der Spanier schlug in die ihm gebotene Hand ein, seufzte dramatisch und übergab dem Iren die Zügel des Pferdes. Der Kaufvertrag war rechtsgültig, beide Männer strahlten zufrieden übers ganze Gesicht. „So mein Freund! Ahora vamos a abrir una botella! Libertad gehört nun Ihnen und Ihre schönen spanischen Goldstücke sind mein!” Lord Wellington und Don Fernando betraten gemeinsam den Salon des prächtigen Wohnhauses um ihren Vertrag und die Übergabe des Pferdes ordentlich zu begießen. Während eine Hausangestellte den schweren, spanischen Rotwein in große Kristallglässer füllte, zählte der Ire 400 goldene Dollares vor dem Spanier auf einen kleinen Tisch. Don Fernando suchte aus einer Schreibtischschublade die Papiere des Pferdes und übergab sie Arthur. „Libertad! Ein hübscher Name und irgendwie passend! Was werden Sie mit meinem schönen Grauen nun tun?“

      „Ein Weihnachtsgeschenk für jemanden, der mir sehr am Herzen liegt, mein Freund!” Der General zwinkerte dem Spanier, wie ein Verschwörer zu.

      „Tiene que ser muy linda por merecer este caballo!“

      „Oh si, Amigo!“ Arthur lächelte den Spanier an. Er konnte es kaum noch erwarten, Sarah den großen Grauen zu schenken.

      Einige Stunden und einige Flaschen Wein später verließ er leicht erschlagen Jerez. Kopenhagen schien genausoglücklich und zufrieden wie sein Reiter. Lammfromm hatte er sich einfangen und aufzäumen lassen. Bißspuren an seinem Hals zeugten von einem erfolgreichen Nachmittag auf der großen Koppel. Der Ire nahm sich vor, in elf Monaten nach Jerez zu schreiben, um zu erfahren, ob sein Hengst Vater geworden war. Der Graue trottete ruhig hinter dem Fuchs her. Am späten Abend traf der General gutgelaunt in Badajoz ein und brachte beide Pferde in den Stall. Dann suchte er nach einem Hufeisen, das er in die Tasche seines Mantels steckte. Sarah und Dunn hatten sich schon ein wenig Sorgen gemacht, daß er den Weihnachtsabend