Hartmut Witt

Geschichten vom Bau


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mit nicht allzu dicken Brettern als Geländer, die Auflager mit ein paar Ösen am Mauerwerk befestigt, und darunter nichts, nur der Abgrund und die Baugrube. Heidenei und Joe machten etwas ganz Unökologisches für den Katzor, eine Aufdachdämmung mit aluminiumkaschierten Schaumplatten. Das Problem ist, dass man nicht auf ihnen laufen kann, man rutscht sofort. Also baute Heidenei mittels lose ausgelegter Latten eine einfache Stellage auf das Dach, auf denen so ein Leichtfuß wie Heidenei mit bewusster Gewichtsverteilung durchaus laufen konnte. Doch Joe kannte noch kein solch labiles Heidenei-Gerüst. Kaum war er darüber hochgeklettert, rutschte die Stellage, klappte zusammen, Joe rutschte vom First herunter und nahm Fahrt auf. Von der Traufe an flog er, durchschlug das Brettergeländer und dann im freien Fall 6 Meter in die Tiefe. Wie eine Katze drehte sich Joe im Flug, um auf den Füssen zu landen. Doch er schlug am Rand der Baugrube auf, machte einen Salto und stürzte nochmals 3 Meter tiefer in die Baugrube. Es wäre ihm gar nichts passiert, hätte er sich nicht am Kellerschacht in der Baugrube das Knie aufgeschlagen. Ok, er bekam noch eine Ladung der durchbrochenen Bretter des Geländers ins Kreuz.

      Ein anderer hätte sich bei einem solchen Absturz weiß Gott was gebrochen oder wäre gar ums Leben gekommen!

      Ein andermal wollte Joe uns eine Demonstration seiner Karatekünste geben. Er durchschlug bei seinen Demonstrationen mühelos zahllose Dachplatten mit der bloßen Handkante und diesmal wollte er uns zeigen wie er mit seinem Kopf ein Brett spaltet. Dumm nur, dass das Brett feucht war und Äste hatte, also gar nicht so leicht zu spalten, selbst wenn man es mit einer Axt versuchte.

      Joe donnerte sich das Brett an den Schädel, es brach nicht. Noch mal Knall, und noch mal, und noch mal, es brach einfach nicht! Wir konnten uns das Lachen nicht mehr verkneifen, Joe hat ein Brett vor dem Kopf! Schließlich gab er wutschnaubend auf und feuerte das Brett in eine Ecke. Als er sich wieder beruhigt hatte, klärten wir ihn auf, warum das mit diesem Brett keine ganz so günstige Ausgangsposition war.

      Ansonsten war Joe ja ein liebenswürdiger Kerl, man sollte ihn nur nie als Feind haben!

      Heute hat Joe eine Fallschirmspringschule in den USA!

      Französische Helfer

      Eine Zeit lang hatten wir französische Helfer. Einer war Schreiner und hatte den schönen Namen LaMarche. Mit der richtigen Betonung wurde „Lahmarsch“ daraus. Na, das war er ganz sicher nicht, er war wieselflink, aber den Spitznamen wurde er nimmer los.

      Ein Anderer half uns für kurze Zeit auf einem Dach. Nach jedem Ziegel, der ihm gegeben wurde, und es waren gewiss mehr als 100, sagte er: „Merci.“ Es ging nicht lange, da hielten wir uns den Bauch vor Lachen.

      Ein Dritter war Spengler und er hieß mit Nachnamen Couturier. Weil ich den Namen öfters falsch aussprach, klärte er mich auf, wie der Name auszusprechen wäre, nämlich wie die Kuh, die Tür und dann noch je.

      Damit ich mir das merken konnte, malte ich eine Skizze an eine Wand. Eine dicke Kuh, die in einer Türe klemmt. Der Spengler kam am nächsten Tag und da sagte ich zu ihm: „Schau, ich habe mir eine Eselsbrücke gezeichnet, um deinen Namen richtig auszusprechen. Die Kuh passt nicht durch die Tür, oh je!“ Irgendwie fand das der Spengler gar nicht so lustig wie ich!

      Iwan der Schreckliche

      Den Spitznamen bekam ich von meiner Frau, nicht etwa, weil ich besonders auffällig tobsüchtig gewesen wäre, aber der sanfte Hartmut hatte sich mit zunehmender Bauerfahrung schon auch als zornesfähig und zum Mann mit Durchsetzungswillen entwickelt. Anders kam man halt in der Materie auch nicht durch. Natürlich war sie die Spezialistin dafür auszutesten, wie lange es ging, bis es bei mir den Deckel lupft! Mein Gott, was hat sie manchmal getriezt. Sie hatte es als Mutter von zuletzt 4 Kindern mit mir auch nicht so leicht, als Selbstständiger war meine Priorität dazu ausgerichtet, die Kunden zufrieden zu stellen. Dazu hatte ich einige außerhäusliche Aktivitäten: Spielekreis, Theatergruppe, anthroposophischer Gesprächskreis, Grüne und BUND. Dazu hatten wir noch ein Haus gekauft, das ich nebenher renovierte, und dann noch diese große Familie. Was habe ich mir gewünscht, ich könnte mich vierteilen. Aber ich gab nach, beschränkte meine freizeitlichen Aktivitäten und ließ ein paar Sachen sausen.

      Wirklich gefürchtet wurde ich, sollte ich morgens keinen Kaffee bekommen haben, denn dann passieren ganz schlimme Dinge. Ich hatte einen niedrigen Blutdruck, und ohne Kaffee klang ich, als wäre ich betrunken, ich lallte. Es braucht allerdings schon noch ein bisschen, bis man mich dann tatsächlich zur Weißglut getrieben hatte.

      Auf der Auswärtsbaustelle in Konstanz hatten wir übernachtet. Dooferweise hatten alle vergessen, Kaffee mitzunehmen und die Utensilien, einen zu machen.

      Tja, es half nicht, also ohne Kaffee an den Start: Ich montierte mit einer angestellten Leiter in 5 Metern Höhe Fermacellplatten in der Größe von 1 mal 1,50 Metern.

      Die Leiter herauf mussten mit mir der Schussapparat mit Druckluft und die Platte. Den Kompressor angeschlossen, den Schlauch hereingesteckt, die Platte geschultert, in der anderen Hand den Schussapparat, mühsam die Leiter hochgeklettert, jetzt ausbalancieren, Schussapparat zwischen die Leiter stecken, die Fermacellplatte an den Montagepunkt hieven, mit einer Hand fest anpressen, mit der anderen Hand den Schussapparat aus der Leiter fischen, ansetzen und „pfff“, da war der Druck plötzlich weg.

      Kapierte ich nicht, hatte ich den Schlauch zu locker reingesteckt, dass er wieder rausgesprungen war?

      Also vorsichtig die Fermacellplatte auf die Leiter gestellt, den Schussapparat wieder zwischen die Leiter gesteckt, die Leiter runter, zum Kompressor in den Nachbarraum rüber, tatsächlich, da lag der Schlauch und steckte nicht im Anschluss am Kompressor. Ich zweifelte an mir selbst. Also Schlauch einstecken, wieder vorsichtig die Leiter herauf, damit die Fermacellplatte nicht herunterfällt oder der Schussapparat runterknallt. Oben angekommen die Fermacellplatte auf den Montagepunkt gehievt, mit einer Hand angepresst, mit der anderen Hand den Schussapparat gefischt, auf der Platte ansetzen und „pfff“, die Druckluft ist weg, verdammt, da hat doch jemand meinen Schlauch ausgesteckt?

      Fermacellplatte abstellen, Schussapparat in die Leiter klemmen, wieder runter und nachsehen.

      Keiner war da, aber der Schlauch war tatsächlich ausgesteckt. Was sollte denn das?

      Schlauch wieder einstecken, die Leiter wieder rauf, die Fermacellplatte auf den Montagepunkt hieven, mit einer Hand anpressen, zum Schussapparat fischen reichte es nicht mehr, da hörte ich es: „pfff.“ Verdammt! Wild fluchend ließ ich die Fermacellplatte fallen und sprang von der Leiter, rannte zum Kompressor und erwischte den Übeltäter, einen Kollegen von einer anderen Truppe. Ruck zuck war ich bei ihm, schrie ihn an und war drauf und dran, ihn zu verkloppen, als die Kollegen aus meiner Truppe erschienen und mich gerade noch davon abhalten konnten. Ein blöder Scherz fand ich, und das an einem Morgen ohne Kaffee!

      Beunruhigt von dem Vorfall wurden wir dann von dem Auftraggeber abends zu einem Essen eingeladen, um die Gemüter zu beruhigen. Aber der Scherzbold versuchte kein zweites Mal, mich zu ärgern!

      Und die Kollegen sorgten sich liebevoll darum, dass immer Kaffee am Morgen gewährleistet war.

      Es gab allerdings noch andere Dinge, die mich ziemlich schnell aus der Fassung bringen konnten. Eines davon ist, mich mit deutschen Schlagern zu quälen.

      An einer Baustelle arbeitete mit uns eine Malertruppe. Einer der Maler hatte ein Radio dabei, ließ deutsche Schlager laufen und trällerte lauthals dazu.

      Ich meine, ich verstehe ja, dass Maler durch das ständige Einatmen von Farbdämpfen ein bisschen Balla sind, doch ich kann Schlagermusik keine 5 Minuten ertragen, und wenn dann noch jemand in schrägen Tönen dazu trällert, wird es kriminell.

      Ich hielt diese explosive Mischung ganze 30 Minuten aus, dann brach es aus mir heraus und ich schrie ihn an: „Maler, du musst dich jetzt entscheiden! Entweder du machst sofort das Radio aus und hörst mit deinem Gejammer auf, oder du und dein Radio hängen am Baum!“

      Ui, das Radio war in Blitzgeschwindigkeit aus und ich hörte keinen Ton mehr. Ich wusste gar nicht, dass