Gino Aliji

Anno 2100 - Moderne Kurzgeschichten und Gedichte über das 21. Jahrhundert


Скачать книгу

zuhause fühlen würdet. Falls einmal Meerestiere in die Einlässe gesaugt werden, können sie durch spezielle Fluchtöffnungen wieder nach draußen gelangen, also keine Angst. Hier im nordatlantischen Wirbel – dem Eisatzort der Donau – scheint dieses Prinzip gut zu funktionieren. Natürlich verfängt sich immer mal wieder größerer Müll wie alte Fischernetze in den Einlässen und dann müssen sie per Hand wieder freigemacht werden. So werden wir mit dem aufschwimmenden Plastikmüll fertig.

      Leider haben sich über die vielen Jahrzehnte auch große Mengen an kleinen Plastikteilchen im Wasser gebildet, die entweder unterhalb der Wasseroberfläche schweben oder gar bis auf den Meeresgrund abgesunken sind. Gegen die abgesunkenen Teilchen können wir leider noch nicht viel tun, aber zum Glück verfügt die Donau an ihrer Unterseite über große Rohrfiltersysteme, die bis zu dreihundert Meter in die Tiefe reichen und so die kleinen Plastikteilchen aus dem Wasser filtern. Wie das ganz genau funktioniert, davon habe ich keine Ahnung, aber mein Vater sagt mir, dass dort auch organische Hochleistungsfilter zum Einsatz kommen.

      Und zum Schluss möchte ich noch von meinem Lieblingsort auf der Donau erzählen – dem Poseidonpark. In der Mitte der Arche befindet sich ein riesiger Park, der so groß ist, dass er sogar kleinere Wälder beheimatet! Er ist mit einer gigantischen Glaskuppel überzogen, denn wir benutzen den Park auch für die natürliche Filterung unseres Abwassers und können damit sogar wieder neues Trinkwasser gewinnen. Da die Pflanzen im Winter ihre Funktion weitgehend einstellen, wird der Park immer auf einer gleichbleibenden Temperatur gehalten, damit das nicht passiert. Am meisten liebe ich dort die kleine Ecke mit dem Teich und den vielen bunten Blumen! Es riecht dort nicht nur herrlich, sondern sieht auch immer super aus!

      Ich fühle mich auf der Donau wohl. Sie ist mein Zuhause und ich habe hier alles, was ich brauche. Freunde, meinen Vater und natürlich unseren lieben KAI, die künstlichen Archenintelligenz, der über uns alle wacht und die verschiedenen Vorgänge auf der Arche steuert. Obwohl ich KAI mittlerweile in mein Herz geschlossen habe, finde ich, dass er für eine künstliche Intelligenz manchmal etwas schwer von Begriff ist. Außerdem hätte man sich schon einen besseren Namen für ihn überlegen können … Aber das ist ein anderes Thema.

      Liluana Meye

      ***

      Als mein Vater den Aufsatz las, konnte ich eine Mischung aus Skepsis und Überraschung in seinem Gesicht sehen.

      „Sag mal, hast du deinen Aufsatz hier wirklich alleine geschrieben?“

      Ich versuchte, der Frage auszuweichen. „Na ja, du hast mir ja streng genommen dabei geholfen.“

      „Ich habe dir nur deine Fragen beantwortet, aber du verwendest hier teilweise Satzstellungen und Wörter, die ich … sagen wir mal, nicht von dir erwartet hätte …“

      „Nun, es könnte natürlich sein, dass mir KAI ein kleines Bisschen beim Schreiben geholfen hat“, sagte ich und schaute ihn mit unschuldigen Augen an.

      Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit. „Ein kleines Bisschen, eh?“, sagte er und fing dann an, laut zu lachen.

      Zuerst war ich über diese Reaktion überrascht, denn ich hatte eigentlich erwartet, dass ich von ihm Ärger bekommen würde. Aber sein Lachen war so offen und ehrlich, dass es mich wenige Momente später ansteckte und wir uns am Ende beide über die witzige Situation amüsierten.

      Stellt euch vor,

      die Erde brennt

      und keiner schaut hin ...

      Die Wälder, sie brennen,

      Die Bäume, sie fallen,

      Werden die Geräusche

      in den Ohren verhallen?

      Stellt euch vor,

      die Erde stirbt

      und keiner schaut hin ...

      Die Tiere, sie sterben,

      verrotten, verwesen,

      Erinnert sich denn keiner,

      was einst war gewesen?

      Stellt euch vor,

      die Erde ertrinkt

      und keiner schaut hin ...

      Das Eis, es schmilzt,

      die Bären ertrinken,

      Ja, sieht den niemand,

      dass die Küsten versinken?

      Stellt euch vor,

      die Erde schwitzt

      und keiner schaut hin ...

      Die Gase, die Gase,

      auf steigen sie fein

      und fangen gekonnt

      das Sonnenlicht ein.

      Stellt euch vor,

      die Meere verderben

      und keiner schaut hin ...

      Die Wärme, das Plastik,

      der Sauerstoff flieht,

      Ja, sieht denn niemand,

      was hier geschieht?

      Stellt euch vor,

      die Menschen sterben

      und keiner schaut hin ...

      Erst ein Schuss, dann zwei

      und dann drei,

      Wann ist das Leid

      denn endlich vorbei?

      Stellt euch vor,

      das Geld regiert

      und keiner schaut hin ...

      Das Geld, das Geld

      regiert stinkend die Welt,

      Und niemand merkt,

      wie es uns unter Kontrolle hält.

      Stellt euch vor,

      die Vernunft ist tot

      und keiner schaut hin ...

      Oh Kant, Oh Kant,

      was würdest du sagen?

      Würdest du heut'

      an uns Menschen verzagen?

      Stellt euch vor,

      es ist Krieg

      und keiner schaut hin ...

      Oh Brecht, Oh Brecht,

      die Geschicht' ist vergessen,

      Ist unsere Arroganz

      nicht absolut vermessen?

      Doch halt, doch halt,

      es geht auch anders.

      Es muss nicht so laufen,

      wir können es ändern.

      Wir müssen's nur wollen,

      nur planen, nur machen,

      und am Ende, gewiss,

      werden unsere Kinder lachen.

      Stellt euch vor,

      es ist Frieden

      und jeder macht mit …

      Seht, wie die Kinder spielen und lachen

      Seht, wie sie furchtlos in die Zukunft blicken,

      Seht, wie wir uns an die Arbeit machen

      und beginnen, die Löcher der Erde zu flicken.

      Seht, wie die Natur sich erholt

      Seht, wie sie wieder zum Leben erwacht,

      Seht den Boden, der einst verkohlt,

      Wir haben ihn zum Garten Eden gemacht.

      Doch weh, doch weh,

      noch ist es nicht so weit,

      Wir müssen ‘was tun gegen

      Zerstörung, Krieg und Leid.