Dietrich Novak

Es war einmal ...


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      Dietrich Novak

      Es war einmal ...

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Prolog

       1. Kapitel

       2. Kapitel

       3. Kapitel

       4. Kapitel

       5. Kapitel

       6. Kapitel

       7. Kapitel

       8. Kapitel

       9. Kapitel

       Epilog

       Impressum neobooks

      Prolog

      Märchen: das uns unmögliche Begebenheiten unter möglichen oder unmöglichen Bedingungen als möglich darstellt.

      Roman: der uns mögliche Begebenheiten unter unmöglichen oder beinahe unmöglichen Bedingungen als wirklich darstellt.

      Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)

      Die Obdachlosen Kalle und Otto waren in dieser Nacht auf der Suche nach einem Schlafplatz, von dem man sie nicht gleich wieder vertreiben würde und wo es relativ ungefährlich war, denn auch sie hatten von Übergriffen auf ihre Leidensgenossen gelesen. Das Brachgelände war nicht einfach zu betreten, weil es inzwischen gänzlich eingezäunt und die Eingänge mit Ketten gesichert waren. Doch Kalle wusste von einem Schlupfloch. Über das Buschallee Stadion kam man noch hinein. Ein Stück Zaun war durch einen umgestürzten Baum heruntergedrückt worden. Teile des Stacheldrahts, der ungebetene Gäste abhalten sollte, war bereits wieder entfernt worden, sodass man über den Baumstamm relativ bequem auf das Gelände gelangen konnte.

      »Dit sind ja nur noch ausjebrannte Ruinen«, beschwerte sich Otto. »Und dit soll mal `ne schlossähnliche Vorzeigeklinik jewesen sein? Da feift ja überall der Wind durch. Da können wa ooch gleich im Freien übernachten.«

      »Quatsch nich’«, sagte Kalle. »Ick hab det allet jenau ausjekundschaftet. Zwar sind die meisten Jebäude total entkernt, aber et jibt ooch windjeschützte Ecken wie kleene Kammern. Außerdem haste doch dein Schlafsack. Hier lässt sich selten eener blicken. Seitdem nen paar Decken einjestürzt sind, kommen die Kampierer nich’ mehr. Die vielen leeren Pullen zeujen noch von ihre Anwesenheit. Ooch die Urban Explorer, wie et neudeutsch heißt, ham’s wohl uffjejeben, nachdem die Anlage in diversen Berichten über „Lost Places“ schon ufftaucht. Früher kamen se jerne mit ihre Kameras in de Nacht. Ebenso unerjiebig is et für die Graffiti-Sprüher, weil schon fast alle Wände volljekleistert sind. Da jibt et Räume, da sind die Decke und de Wände komplett mit Bananen, Mohrüben Tannenbäume oder Wolken besprüht.«

      »Wat? Ham die sonst nischt zu tun? So ville Uffwand für nen Kunstwerk, wat kaum eener zu sehen kricht?«

      »Frach mich ma wat Leichteret. Mensch komm von det Fenster da wech. Nich dass de ooch in de untere Etage fällst …«

      »Lass ma. Ick hab da grade wat Interessantet jesehen. Nen Typ mit nem Parka mit Tarnmuster is mit nem schwarzen Müllsack über de Schulter übert Jelände jeschlichen. Soviel dazu, dat hier keener mehr herkommt.«

      »Vielleicht entsorgter nen bisken Müll.«

      »Nee, dit sah mir wie’n Körper aus. Wir warten jetzt, bis er zurückkommt, und denn jeh’n wa ma nachkieken.«

      »Neujierich biste jar nich’, oder?«, fragte Kalle. »Mensch, wenn dit wirklich `ne Leiche is, wat soll’n wa denn machen? De Polizei rufen? Die fragen doch als Erstet, wat wa hier zu suchen ha’m.«

      »Man kann ooch anonym anrufen. Wenn det hier `ne Ablage für Leichen is’, denn will ick ooch nich’ hierbleib’n.«

      »Jetzt wart erst ma ab. Vielleicht is et doch bloß Müll.«

      Otto starrte gebannt auf das Gelände. Durch die Dunkelheit waren nur Schemen zu erkennen, doch die weißen Sneakers des Fremden leuchteten wie Signale.

      »Da isser wieder«, sagte Otto. »Die Müllsäcke scheinter zusammenjefaltet unter’m Arm zu haben. Seltsam, oder? Müll schüttet man doch nich’ aus. Komm, wir seh’n uns dit aus der Nähe an.«

      Kalle und Otto liefen über das stark überwucherte Gelände und kämpften sich durch Sträucher und Dornengestrüpp. Bis Otto plötzlich anhielt und auf eine Stelle deutete.

      »Mensch, dit is ja nen Meechen«, rief Kalle erstaunt aus. »Erinnert nen bisken an Dornröschen, wie se da so mang de Dornen liecht.«

      »Ja, nur dass se sich nich’ an `ne Spindel jestochen hat, sondern `ne Spritze im Arm hat. Dit is nen Junkie.«

      »Mag ja sein, aber die Spritze wär doch beim Transport abjefallen. Für mich sieht det so aus, als hätt der Kerl se ihr jesetzt. Aber darüber soll’n die Bullen sich den Kopp zerbrechen. Los, lass uns abhauen und de nächste Telefonzelle suchen. Falls et sowat hier überhaupt noch jibt.«

      1. Kapitel

      Eine Telefonzelle hatten Kalle und Otto auf der Hansastraße nicht gefunden, aber eine Tankstelle. Die Dame an der Kasse rümpfte die Nase, als Kalle nach einem Telefon fragte.

      »Wir sind hier keine Telefonzelle«, sagte sie spitz. »Besitzen Sie kein Handy?«

      »Nee, seh’ ick so aus? Dit is’n Notfall. Wir müssen wat den Bullen melden.«

      »Ach so, das ist etwas anderes. Bitte schön!«

      Kalle nahm das Telefon entgegen und wählte 110. Damit landete er in der Direktion 1, Abschnitt 14, in der Berliner Allee. Als er seine Beobachtung schilderte, hieß es, er solle zurück zum Fundort gehen und dort auf die Polizei warten.

      »Ja, machen wa. Ick leg jetzt uff«, sagte Kalle und zog Otto am Ärmel mit sich nach draußen. »Komm bloß. Wir soll’n da warten. Mensch, da kommt jrade die M4. Nimm de Beene in de Hand und denn nischt wie wech hier.«

      Als am späten Abend im Ortteil Tiergarten das Telefon klingelte, meldete sich Hauptkommissar Hinnerk Lange. Er hörte eine Weile zu und sagte dann: »Verstanden, wir sind gleich da.«

      Seine Kollegin und Ehefrau, Hauptkommissarin Valerie Voss, die er bereits zum zweiten Mal geheiratet hatte, sah ihn fragend an.

      »In Weißensee, auf dem Brachgelände der ehemaligen Kinderklinik, ist eine weibliche Leiche gefunden worden. Der Anruf kam von einer Tankstelle in der Hansastraße. Wahrscheinlich ein Obdachloser, der einen Schlafplatz gesucht hat.«

      »Und warum kümmern sich die Kollegen von der Direktion 1 nicht darum?«, fragte Valerie.