Dietrich Novak

Es war einmal ...


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Heller, und Ihnen beiden eine möglichst ruhige Nacht! Bevor wir den Heimweg antreten, liefern wir noch den Kollegen bei Ihnen ab. Bis dann!«

      2. Kapitel

      Der gemeinsame Sohn von Valerie und Hinnerk, Ben, lebte seit geraumer Zeit mit der Transsexuellen Lena zusammen. Lena war zwar als Junge geboren worden, hatte sich aber schon immer als Mädchen gefühlt. Nach mehreren geschlechtsangleichenden Operationen war sie kaum noch von einer biologischen Frau zu unterscheiden.

      Ben hatte Lena im „Lebensstern“, der Bar über dem „Café Einstein“ in der Kurfürstenstraße kennengelernt, als mit Hinnerk dort eingekehrt war, weil dieser in mehreren Mordfällen im Transsexuellenmilieu ermittelte.* Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hatten sich die beiden zusammengerauft und teilten nun sogar die

      *siehe „Morphodit“, Band 10

      Wohnung. Doch Bens Befürchtungen waren eingetreten. Nach wie vor gab es Animositäten bei Lena, besonders wenn es um andere Frauen ging.

      »Wer ist das blonde Gift, mit dem du so vertraut umgehst?«, fragte Lena.

      »Wen meinst du?«

      »Stell dich bitte nicht dümmer als du bist. Ich wollte dich nämlich gestern von der Uni abholen. Und da kamt ihr beide Arm in Arm heraus.«

      »Ach, du meinst Kathrin. Die studiert auch Film- und Theaterwissenschaften. Wir sind nur Kumpel, weil wir uns gut verstehen.«

      »Das sah aber ganz anders aus.«

      »Sag mal, spionierst du mir etwa nach?« Ben wurde langsam sauer. »Statt dich zu verstecken hättest du zu uns herüberkommen können. Dann hättest du bemerkt, dass da nichts ist mit Kathrin und mir. Du bist und bleibst meine Traumfrau.«

      »Erhoffst du dir, von ihr das zu bekommen, was ich dir nicht bieten kann? Ein leibliches Kind?«

      »Quatsch, wir sind uns doch einig, dass wir ein Kind adoptieren, wenn wir geheiratet haben.«

      »Ich weiß nicht, ob ich einen Schürzenjäger heiraten möchte.«

      »Jetzt reicht’s mir aber. Dann lässt du es eben bleiben. Ich habe keine Lust, mich zu Unrecht verdächtigen zu lassen. Ein bisschen mehr Vertrauen solltest du mir schon entgegenbringen.«

      »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.«

      »So denkst du über unsere Beziehung? Interessant. Muss ich künftig befürchten, dass du mein Handy kontrollierst?«

      »Dann gib mir keinen Anlass dazu.«

      »Ich höre mir das nicht länger an. Du spinnst doch. Kathrin ist nicht einmal mein Typ. Ich muss jetzt auch los in die Bar. Wenn ich nach Hause komme, hast du dich hoffentlich beruhigt.«

      Ben griff seine Sachen und verließ türenknallend die Wohnung. Wenn er eins nicht leiden konnte, dann waren das unberechtigte Anschuldigungen. Er hatte eigentlich vorgehabt, den Job in der Gaybar aufzugeben, um mehr Freizeit zusammen mit Lena zu haben, aber jetzt war er direkt froh, dem Streit zu entkommen und in eine gänzlich andere Atmosphäre eintauchen zu können. Seine Laune war jedenfalls auf dem Nullpunkt. Wenn ihm jetzt noch einer der Schwulen dumm kommen würde … dann …

      Im Hause Schindler gab es ebenfalls große Aufregung. Freilich aus einem ganz anderen Grund. Herbert, der zweite Mann von Karen, war ganz plötzlich zusammengebrochen. Wie schon in ihrer ersten Ehe mit Christoph, rief Karen zuerst Valerie an, wenn sie nicht weiterwusste. Und bei Christoph hatte sie reichlich Grund gehabt, weil er an Demenz erkrankt und schließlich nach langem Leidensweg in einem Pflegeheim verstorben war. Dort, wo Herbert seine erste Frau unter ähnlichen Umständen verloren hatte. So hatten sich Karen und Herbert kennengelernt.*

      * siehe „Gottlos – Der Todesengel“, Band 5

      »Val? Ich bin’s, Mama«, meldete sich Karen bei ihrer Tochter.

      »Mama, du weißt doch, dass ich während der Dienstzeit …«

      »Bevor du weitersprichst: Es ist etwas passiert. Herbert ist zusammengebrochen.«

      »Du hast hoffentlich gleich die Feuerwehr alarmiert?«

      »Natürlich. Ich bin ja nicht völlig blöd.« Karens Stimme brach. »Es war so schrecklich, wie er da lag. Und der Hund ist nicht von seiner Seite gewichen und hat furchtbar gejault. Ich dachte, Herbert ist tot. Er hat sich vorher ans Herz gegriffen und war schneeweiß im Gesicht.«

      »Das tut mir alles sehr leid. Wo bist du jetzt, Mama?«

      »Draußen vor dem Deutschen Herzzentrum, dem ehemaligen Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Drinnen darf man ja nicht telefonieren. Sie sagen, es sei vermutlich ein Herzinfarkt. Wenn er stirbt, will ich auch nicht weiterleben.«

      »Mama, du hast Christophs Tod auch überwunden. Es ist nun mal der Frauen Los, dass sie ihre Männer begraben, weil wir meist um einiges älter werden. Und der Jüngste ist Herbert nun mal nicht mehr. Früher oder später wird …«

      »Ich will das nicht hören. Mit fünfundsiebzig ist er noch in einem guten Alter. Heesters ist sogar über hundert geworden.«

      »Das dürfte eher die Ausnahme sein. Was willst du jetzt machen? In der Klinik bleiben?«

      »Was denn sonst? Zu Hause hätte ich keine ruhige Minute.«

      »Möchtest du heute Abend zu uns kommen?«

      »Damit ich euch die Ohren vollheule? Nein. Ich bleibe bei Herbert. Vielleicht stellen sie mir ein Zimmer zur Verfügung.«

      »Gut, Mama. Dann melde dich bitte, sobald es etwas Neues gibt. Was ist eigentlich mit Cleo? Hunde dürfen doch nicht mit ins Krankenhaus.«

      »Die ist völlig verstört. Tiere merken, wenn es etwas Ernstes ist. Zum Glück hat mir die Nachbarin sie abgenommen. Also, bis später! Wir telefonieren.«

      Ehe Valerie sich versah, hatte Karen schon aufgelegt. Hinnerk sah Valerie grinsend an, sodass sie schon ahnte, dass jetzt wieder ein dummer Spruch kommen würde.

      »Mich willst du aber noch nicht so schnell begraben, oder?«, fragte er.

      »Doch in einem Blechsarg. Damit du hörst, wenn’s regnet. Oller Quatschkopf. Mama ist halb verrückt vor Sorge um Herbert. Und du machst Witze.«

      »Entschuldigung. Was hat denn Herbert?«

      »Einen Herzinfarkt. Dabei hatte er nie Herzprobleme, so viel ich weiß. So schnell kann’s gehen.«

      »Mein Vater hatte auch schon einen«, sagte Heiko, der Kommissar aus Hessen. »Beinahe gefährlicher ist der zweite. Den überleben die Wenigsten.«

      »Mama hat schon angekündigt, dass sie dann auch nicht mehr leben will«, sagte Valerie.

      »Jetzt wissen wir, woher unser Sohn den Hang zum Dramatischen hat«, meinte Hinnerk. »Ach nee, Ben ist ja Tyras Enkel. Der geht das Theatralische weitgehend ab, wenn ich mich nicht täusche.«

      »Weiß ich nicht. So gut kenne ich sie noch nicht. Vor allem nicht so lange. Wie sie reagiert hat, als ihr Mann starb, kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall neigen wir wohl alle zum Drama, wenn ein lieber Angehöriger in Lebensgefahr ist«, meinte Valerie. »Wer weiß, wie es den Eltern geht, die ihre Tochter vermissen? Dabei wissen sie noch nicht einmal, dass sie im Koma liegt.«

      »Als Junkie hat sie wahrscheinlich längst den Kontakt zum Elternhaus abgebrochen. Wenn wir doch nur wüssten, wer sie ist.«

      »Vielleicht sollten wir einen Presseaufruf starten, bevor es ein zweites Opfer gibt, von dem die Identität nicht feststeht«, sagte Hinnerk.

      »Im Prinzip keine schlechte Idee«, meinte Valerie. »Nur machen wir dann den Täter erst recht rebellisch. Andererseits fordert er uns ja geradezu auf, ihn zu jagen. Wie soll man die platzierten Hinweise sonst deuten?«

      »Entweder er will gefunden werden, oder ihm macht das Katz-und-Maus-Spiel Spaß«,