Dirk Lützelberger

Hintertüren


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Untersuchungen werden wir uns hier aber nicht festlegen können. Ich wollte Sie aber so schnell wie möglich informieren, damit Sie erste Anhaltspunkte für Ihren Bericht haben. Sobald wir unsere Untersuchungen abgeschlossen haben, werde ich mich wieder melden. Vielleicht bekommen wir durch die Obduktion weitere Anhaltspunkte, wie er gestorben ist.«

      Wedelmaier merkte, dass das Gespräch beendet war und antwortete: »Tun Sie das, Fräulein!« Er legte auf.

      Jetzt kam der Teil, den er am meisten hasste. Er musste seinen Bericht verfassen. Warum hatte er nur immer Dienst, wenn es solche außergewöhnlichen Vorfälle gab? Sein Chef würde ihm so lange keine Ruhe geben, bis der Bericht geschrieben und der Fall abgeschlossen war. Er war immer so penibel und hing an seinen Fersen, da er es nicht leiden konnte, wenn die Dinge lange offen waren oder vor sich hergeschoben wurden.

      Wedelmaier tippte auf seiner alten Schreibmaschine. Seine beiden Zeigefinger suchten Buchstabe für Buchstabe und schlugen die jeweiligen Tasten an. Seine Vorgesetzten waren der Meinung, dass sich hier so wenig Fälle ereigneten, dass sich weder eine Anbindung an das Datennetz der Polizei und Gendarmerie noch die Anschaffung eines Computers lohnte. Für die drei bis vier Berichte im Jahr war es zumutbar die gute alte Schreibmaschine zu bemühen.

      Nachdem er das Unfallformular, welches seiner Meinung nach am besten passte, mit den vorhandenen Informationen ausgefüllt hatte, zog er den Zettel zwischen den Walzen heraus und begutachtete das Papier sowie seine zwei Durchschläge. Wedelmaier legte es zur Seite und nahm sein Handy zur Hand, um sich weiter seinem Spiel zu widmen. Er würde warten müssen, bis sich die Gerichtsmedizin aus Salzburg wieder melden würde, um über die Umstände des Todes zu berichten. Bis dahin bräuchte er sich keine Gedanken um irgendwelche Untersuchungen zu machen und auch bei einem natürlichen Tod, würde der Fall sehr schnell zu den Akten gelegt werden können.

      Der Tag neigte sich dem Ende und der Bezirksinspektor wollte zusammenräumen, als es erneut klingelte. Hastig nahm Wedelmaier das Telefon ab und blaffte in den Hörer.

      »Was können Sie mir berichten?«

      »Wie bitte? Wedelmaier, was erlauben Sie sich? Können Sie sich nicht vernünftig melden?«

      Der Chefinspektor! DER hatte ihm gerade noch gefehlt. Karl Oberstohner erkundigte sich gerne nach dem Stand der Untersuchungen, insofern er davon wusste. Ansonsten ließ er diese Zweigstelle der Polizei, in der sehr selten etwas Aufregendes passierte, links liegen. Wedelmaier grübelte, wie sein Vorgesetzter nur so schnell davon Wind bekommen haben konnte. Er hatte geplant, ihn am nächsten Tag von dem neuen und sogleich abgeschlossenen Vorfall zu unterrichten, aber irgendwie wusste er bereits Bescheid. Wedelmaier entschied sich für die Flucht nach vorne, denn ein Versteckspiel mochte Oberstohner gar nicht. Hoffentlich würde sein Feierabend nicht darunter leiden. Der Chefinspektor war ein kleiner, stämmiger Mann, Anfang fünfzig mit dunklem Haar. Ihm machte niemand so schnell etwas vor und er war sehr fordernd.

      »Herr Chefinspektor Oberstohner, schön, von Ihnen zu hören. Ich hätte mich morgen auch gleich bei Ihnen gemeldet.«

      »Hören Sie mit den Höflichkeitsbekundungen auf und berichten Sie mir von dem toten Jogger! Warum wollten Sie mir erst morgen davon berichten?«

      »Nun ja, die Sache ist die. Ich warte noch auf weitere Untersuchungsergebnisse und ich hatte gedacht, dass diese mir nun durchgegeben werden würden. Mit Ihnen hatte ich da gar nicht gerechnet.«

      »Das meiste weiß ich bereits. Eine junge Dame aus der Gerichtsmedizin in Salzburg hat mich bereits auf den neuesten Stand gebracht. Ein flottes Mädchen. Weiß, was sich gehört!«

      Diese Anmerkung ließ Wedelmaier unkommentiert. Es brachte nichts, seinem Vorgesetzten zu widersprechen. Er hatte sowieso immer recht und saß am längeren Hebel. Bis zu seiner Pensionierung wollte Wedelmaier nichts anbrennen lassen.

      »Das ist gut, Herr Chefinspektor, dann wissen Sie ja bereits Bescheid. Die Untersuchungen laufen noch, um die Todesursache genauer zu bestimmen.«

      »Richtig. Was haben Sie bisher zu der Schwester herausgefunden?«

      Oh weh, die Schwester! Die hatte er über seinem Spiel am Handy ganz vergessen.

      »Ja, die Schwester. Na ja, wenn wir die Todesumstände kennen, werde ich Sie informieren.«

      »Haben Sie denn bereits mit den deutschen Behörden Kontakt aufgenommen, um die Schwester ausfindig zu machen?«

      Wedelmaier merkte, dass das kein gutes Ende nehmen würde. Ein Gebilde aus noch mehreren kleineren Flunkereien würde sicherlich sehr bald zusammenbrechen. Er entschied sich nahe an der Wahrheit zu bleiben.

      »Noch nicht. Haha. Hier war noch so viel Papierkram zu erledigen. Der Bericht und so. Sie wissen schon. Nicht wahr? Hehe.« Der Bezirksinspektor versuchte die Situation durch etwas gekünsteltes Lachen zu entschärfen, was aber nicht den gewünschten Effekt hatte.

      »Wedelmaier! Sie fauler Hund! Erzählen Sie mir nicht, dass es zu viel verlangt gewesen wäre, heute schon mit den deutschen Behörden Kontakt aufzunehmen und eine Wohnortbestimmung der Schwester durchführen zu lassen. Das kann doch nicht wahr sein. Ich werde morgen Vormittag um 10:00 Uhr bei Ihnen sein! Dann erwarte ich Ergebnisse!«

      Wedelmaier hielt den Hörer am ausgestreckten Arm von seinem Ohr entfernt, da die Lautstärke des Chefinspektors mit jedem Wort zunahm. Dann war die Leitung tot.

      ♦♦♦

      Der Abend neigte sich dem Ende und sie hatten die aufregenden Ereignisse des Tages zusammen besprochen. Gwen, Stefan und Phil saßen bei einer Flasche Wein und einer Cola in ihrem Appartement und amüsierten sich.

      »Du hättest seine Augen sehen sollen, als ich ihm sagte, ich sei aus Deutschland und eine Kollegin. Er merkte dann endlich, dass man mit mir nicht so umspringen kann.«

      »Der Dorfpolizist bewegte sich dann überhaupt erst einmal«, warf Phil ein. »Sonst saß er ja nur an seinem Schreibtisch. Ich glaube nicht, dass er viel an die frische Luft kommt.«

      »Viel scheint hier wirklich nicht zu passieren«, stimmte Stefan Phil zu. »Ihr glaubt es kaum, aber nachdem ihr losgegangen wart, um Hilfe zu holen, ist hier oben keine Menschenseele vorbeigekommen. Die Leiche hätten sie bestimmt wochenlang oder sogar monatelang nicht gefunden, wenn sich hier niemand die Mühe macht auf den Berg zu wandern.«

      »Sicherlich ist noch nicht die richtige Saison angebrochen«, gab Gwen zu bedenken.

      »Na ja«, entgegnete ihr Stefan, »das Reisebüro meinte schon, dass es eigentlich ein schöner Wintersportort war, der aber auch in den Sommermonaten gut besucht sei. Vielleicht will nicht jeder der Besucher den ›Loser‹ erwandern, dass kann schon sein, aber, dass so gar niemand in den ganzen Stunden vorbeikam ist schon komisch.«

      »Seltsam war ja auch, dass sie keinerlei Spuren gesichert hatten, als die Polizei endlich angekommen war«, wechselte Gwen das Thema.

      »Das ist aber verständlich, Gwen. Überleg mal, es ist doch kein Verbrechen passiert. Ein toter Jogger im Wald. Keine offensichtliche Gewalteinwirkung. Nur ein paar Schrammen durch seinen Sturz. Da hätten wir in Deutschland auch nicht gleich das komplette Programm mit der Spurensicherung aufgefahren.«

      »Vermutlich hast du recht. Aber vielleicht wurde er gejagt und ist an Erschöpfung gestorben.«

      »Du hast wirklich eine blühende Fantasie, Mama«, mischte sich Phil ein, »Und wer sollte ihn gejagt haben?«

      »Vielleicht ein wildes Tier, ein Kampfhund oder etwas Ähnliches.«

      Stefan versuchte die Schauergeschichten im Keim zu ersticken. »Nun hört aber beide mal auf. Wir sollten uns an die Fakten halten und die sprechen eine eindeutige Sprache. Ein toter Jogger starb wahrscheinlich an Überlastung, da es keine äußeren Anzeichen eines gewaltsamen Todes gab. Punkt! Die hiesige Polizei wird das bestimmt bestätigen.«

      »Das klingt vernünftig und wir sollten morgen gleich noch einmal auf der Wache nachfragen, ob sie noch weitere Informationen von uns brauchen oder wir anderweitig helfen können.«

      Stefan sah