Dirk Lützelberger

Hintertüren


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sie leider nicht mehr. Und? Was meinst du?«

      Stefan brauchte nur sehr kurz zu überlegen und stimmte zu: »Na klar, das ist eine prima Idee!«

      So schnell Phil gekommen war, so schnell nickte er und verschwand wieder nach draußen. »Ich ziehe mit Benoit noch etwas in der Nachbarschaft umher.«

      »In Ordnung mein Großer, aber vergiss das Abendbrot nachher nicht.«

      Die Tür fiel schon krachend ins Schloss und Gwen zog den immer noch stehenden Stefan zu sich auf die Couch.

      »Schön, dass du noch vorbeigekommen bist«, lächelte sie ihn sehr verliebt an und streichelte sein Ohr.

      »Ja, ich dachte, wir verbringen noch den Sonntagabend zusammen und schauen uns den ›Tatort‹ an.«

      »Als wenn wir in der Woche nicht schon genug Krimis hätten«, sagte Gwen und stupste ihn in die Seite.

      »Da sagst du was, aber es ist doch auch schön, sich einfach nur mal berieseln zu lassen und diese total weit hergeholten Geschichten anzusehen.«

      »Genau, der Mörder ist meistens der Gärtner und am Ende kommt immer irgendein entfernter Schwager, Cousin oder der verschollene Bruder daher, der zufällig ein Motiv, die Gelegenheit und entsprechende Mittel hatte, um den Mord zu begehen. Während des gesamten Films wird doch immer eine Geschichte erzählt, in welcher der Mörder niemals auftaucht. Fast, wie im richtigen Leben.« Gwen verzog ihre Mundwinkel zu einem hämischen Lächeln und freute sich, als Stefan auf ihren Sarkasmus einging.

      »Du hast recht, fast so, wie in unserem letzten Fall.«

      »Den Betrug?«, wollte Gwen sichergehen.

      »Ja, klar. Wochenlange Analysen der Konten, Befragungen von Freunden und Verwandten, Recherchen im Kollegenkreis und alles, um nachher den Sohn, der zurzeit im Ausland ein ›Work and Travel‹-Semester machte, mit der Tat in Verbindung zu bringen.«

      »Geschichten, wie das Leben sie schreibt. Und nun komm her du Held.« Gwen grinste keck, stieß Stefan auf der Couch um und rollte sich eng neben ihm zusammen.

      Gwen spürte Stefans Wärme an ihrem Rücken und presste sich noch mehr an ihn. Sie ließ ihre Hüften kreisen und spürte, wie Stefan die Situation genoss. Er schlang seinen Arm um Gwen und hielt sie ganz fest, während sie die aufkommende Erregung hinter ihrem Rücken spürte und die Augen schloss, um die Situation zu genießen.

      Sie merkte, wie ihre Augen feucht wurden und sich eine einzelne Träne in ihrem Augenwinkel sammelte. Sie kniff die Augen zusammen, schluckte einmal, konnte aber der Situation keinen Einhalt gebieten. Sie löste sich aus der Umarmung und setzte sich auf.

      »Was ist los?«, fragte Stefan mit sanfter Stimme und strich ihr über den Rücken und durch ihr Haar.

      »Nicht jetzt, bitte!«, erwiderte sie barsch und nahm sanft seine Hand.

      »Du weißt, was los ist, Stefan. Es kommt immer wieder hoch. Ich kann gar nichts dagegen machen.« Sie versuchte die Fassung zu bewahren und die Tränen zu unterdrücken, aber sie merkte, wie ihr Widerstand immer schwächer wurde.

      »Paul fehlt mir so doll, aber ich bin auch mit dir sehr glücklich. Bitte verstehe mich nicht falsch. Ich mag dich so sehr, aber mit Paul war ich die ganzen Jahre verheiratet. Wir haben einen Sohn zusammen. Ich dachte, ich könnte die Situation leicht überwinden, indem ich mich in die Arbeit stürze und Erfolge vorweisen kann. Aber das hat nur am Anfang funktioniert. An meinem Geburtstag dachte ich schon, ich hätte es geschafft und den Verlust überwunden. Du warst da, … ihr alle wart da. Ihr habt mir Halt gegeben und mich die schreckliche Situation vergessen lassen, aber dann hat sie mich doch wieder eingeholt.«

      Sie sackte in sich zusammen und die nächsten Tränen stiegen ihr in die Augen. Gwen merkte, wie die Dämme zu brechen drohten.

      »Was kann ich für dich tun, meine Liebe? Sag es mir bitte!«, versuchte Stefan Gwen zu beruhigen.

      »Du kannst gar nicht viel tun. Ich brauche Zeit. Ich weiß auch nicht.« Ihre Tränen begannen zu fließen.

      »Ich fühle mich so hilflos. Ich möchte für dich da sein, dir helfen.« Stefan überließ Gwen ihren Gefühlen. Er war machtlos, hatte selbst noch nie einen nahestehenden Menschen verloren und konnte von daher gar nicht mitfühlen, was dies bedeutete. Gwen schluchzte und weinte. Sie ließ ihrem Empfinden freien Lauf. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Gwen wieder zu Atem und konnte zwischen ihren Schluchzern einige Worte fassen.

      »Gib … mir … einfach … Zeit!« Stefan nickte wortlos und strich ihr erneut über den Rücken.

      Diesmal konnte Gwen die Zärtlichkeiten ertragen. Sie hatte sich wieder etwas beruhigt und fing an, wieder klarer zu denken.

      »Ich könnte … eine Auszeit … vertragen!«, brachte Gwen ihre Wünsche zum Ausdruck.

      »Das klingt doch großartig«, antwortete Stefan, ohne euphorisch zu klingen. Ihm war in der Situation nicht sonderlich wohl zumute und er wollte sie nicht durch falsches Verhalten unnötig strapazieren.

      »Was schlägst du vor?«, fragte er vorsichtig. »Was täte dir gut?«

      Gwen überlegte. Weg! Weit weg! Aber was ist mit Phil … und wenn es ihrer Mutter schlechter gehen würde? Sie ist auch nicht mehr die Jüngste! Sie müssten schnell wieder zu Hause sein können und somit nicht ganz so weit wegfahren … aber mit dem Flieger ist man doch schnell von überall wieder zu Hause. Nur nicht aus Neuseeland du dumme Kuh! Stimmt, aber mit dem Auto wäre doch okay … oder wir fahren nur zu zweit, das wäre doch auch schön, aber Phil ist dann bestimmt traurig. Warum finde ich hier keine gute Lösung? Paul hätte bestimmt gewusst, was zu tun ist. Aber er ist ja nicht da und … ich … vermisse … ihn … soooo sehr!

      Gwen atmete tief ein und aus und versuchte die Gedanken, die in ihrem Kopf wie Fliegen umherschwirrten etwas in geordnete Bahnen zu bekommen. Weg! Nicht so weit! Zu dritt! Das klang vernünftig!

      »Ich möchte raus hier. Mit dir und Phil zusammen, aber nicht so weit weg. Ein Tapetenwechsel würde mir bestimmt guttun.«

      »Das ist eine großartige Idee. Wir haben gerade Sommerferien und wir könnten uns über meinen vierzigsten Geburtstag eine Auszeit nehmen. Da hatte ich auch schon dran gedacht, aber jetzt, wo du es aussprichst, macht es für mich total Sinn. Für dich auch?«

      Gwen sah Stefan an und nahm zärtlich seine Wangen in ihre Hände. Dann zog sie sein Gesicht an ihres heran. Sie nickte und küsste ihn liebevoll. Sie schloss ihre geröteten Augen und genoss den Augenblick. Nach einer Weile gab sie sein Gesicht wieder frei. Stefan hätte die Situation gerne noch länger genossen und fühlte die Nachwärme ihres Kusses.

      Gwen ließ sich an die Rückenlehne der Couch fallen und stellte sich vor, wie sie gerne ihren Urlaub verbringen würde.

      Sie träumte von weißen Stränden, Palmen und warmem Wasser. Aber alle schönen Orte, die so etwas bieten würden, waren entweder zu weit weg oder zu teuer, um mal eben einen Urlaub dort zu verbringen. Die Alternativen um die Ecke an der Nord- und Ostsee schloss sie kategorisch aus. Schließlich könnte sie das so gut wie jeden Tag haben. In nördlicher Richtung lag nur noch Dänemark oder vielleicht Schweden. Hier gab es aber keine Sonnengarantie. Es schien auf einen Kompromiss hinauszulaufen. Statt ans Meer zu fahren und faul am Strand zu liegen, wäre es natürlich auch eine gute Idee etwas für seine Fitness zu tun und in den Bergen wandern zu gehen. Vielleicht in den österreichischen Alpen. Es gab zwar auch dort keine Sonnengarantie, aber immerhin war die Regenwahrscheinlichkeit wesentlich geringer als hier im Norden. Gwen freundete sich mit dem Gedanken an und versuchte ihre Vorstellungen in Worte zu fassen.

      »Wir könnten die Berge unsicher machen. Ich denke, etwas Sport täte unserer Fitness gut und wir könnten zum Wandern nach Österreich fahren. Was meinst du?«

      »Okay«, antwortete Stefan zögerlich. »Wirst du da aber auch genügend Entspannung und Abwechslung bekommen?«, fragte er zurück.

      »Wenn wir uns einen schönen Ort aussuchen und dort auch einige Tage nur faulenzen, geht sich das schon aus!«, antwortete