Edgar Rice Burroughs

Tarzans Sohn


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kaum ein leichtes Lächeln und eine gewisse Hochachtung vor der mannhaften Art seines Sohnes zu unterdrücken.

      Ich freue mich über deine Aufrichtigkeit, sagte er. Ich werde nun ebenso offen sein. Wenn du ohne unsere Zustimmung fortgehst und dir den Ajax ansiehst, werde ich dich bestrafen. Ich habe dich nie schlagen müssen, aber ich warne dich. Wenn du dich den Wünschen deiner Mutter nicht fügst, werde ich es tun.

      Gut, Vater! Ich werde es dir sagen, wenn ich Ajax gesehen habe.

      Mr. Moores Zimmer lag neben dem seines jungen Zöglings, und der Lehrer war gewöhnt, allabendlich noch einmal einen Blick in das Zimmer des Jungen zu werfen, ehe er sich zurückzog. Heute Abend nahm er es mit dieser seiner Aufgabe besonders genau. Er war gerade von einer Besprechung mit den Eltern Jacks zurück, in der man ihm die größte Achtsamkeit dringend ans Herz gelegt hatte; er sollte auf alle Fälle verhindern, daß Jack die Musikhalle besuchte, in der man Ajax vorführte. Als er so gegen ½9 Uhr abends die Tür zu Jacks Zimmer öffnete, war er zwar nicht gerade völlig überrascht, aber doch sofort aufs höchste aufgebracht. Er fand den künftigen Lord Greystoke fix und fertig zum Ausgehen angekleidet und mußte sehen, wie er gerade dabei war, zum offenen Schlafzimmerfenster hinauszuklettern.

      Mr. Moore sprang rasch hinzu, doch hätte er sich diese unnütze Kraftvergeudung schenken können. Als Jack hörte, daß der Lehrer ins Zimmer trat und ihn ertappt hatte, kehrte er um. Es schien, als ob er das geplante Abenteuer aufgeben wollte. Wohin wolltest du eben? forschte Mr. Moore, außer sich vor Aufregung.

      Ich will mir den Ajax ansehen, erwiderte der Knabe ruhig, als ob nichts vorgefallen wäre.

      Ich finde keine Worte, schrie Mr. Moore. Doch im nächsten Augenblick sollte er sich noch ganz anders wundern: Der Junge trat dicht an ihn heran, packte ihn an den Hüften, hob ihn hoch und schleuderte ihn mit dem Gesicht nach unten auf das Bett nieder. Dann preßte er das Gesicht seines Opfers tief in das weiche Kissen.

      Ruhig! gebot der Sieger mit warnender Stimme. Oder ich werde Sie einfach erwürgen.

      Mr. Moore wehrte sich mit Händen und Füßen, doch vergeblich. Mochte der Sohn des Affen-Tarzan nun nach seinem Vater geraten sein oder nicht, auf jeden Fall hatte er aber von ihm eine geradezu unglaubliche Körperkraft ererbt, wie sie sein Vater im gleichen Alter ebenfalls besessen. Der Lehrer war in der Hand des Jungen gleichsam Teig, den er kneten konnte, wie er wollte. Jack kniete jetzt auf ihm, riß schmale Streifen aus dem Leinentuch des Bettes und band damit seinem Opfer die Hände auf dem Rücken zusammen. Dann wälzte er ihn herum und stopfte ihm einen Leinenknebel zwischen die Zähne, den er auch noch durch einen Streifen um den Mund und Hinterkopf sicherte. Dabei sprach er mit leiser Stimme, wie wenn er eine harmlose Geschichte zu erzählen hätte, vor sich hin.

      Ich bin Waja, der Häuptling der Waji, erklärte er, und du bist Mohammed Dubn, der Araberscheich, der meine Leute morden und mein Elfenbein rauben wollte.

      Er hob behende Mr. Moores gefesselte Füße hoch zurück, um sie mit den gefesselten Handgelenken zu verbinden.

      So Schurke! Jetzt habe ich dich endlich doch in meiner Gewalt. Ich gehe; aber ich werde zurückkommen.

      Und Tarzans Sohn sprang durch das Zimmer, schlüpfte zum Fenster hinaus und glitt an den Dachrinnen in die Freiheit hinab.

      Mr. Moore bewegte sich unter großen Anstrengungen auf dem Bett hin und her, um seine Lage zu verbessern; denn er befürchtete, daß er ersticken müßte, wenn nicht rasche Hilfe käme. In seiner Verzweiflung wälzte er sich vom Bett herunter, und Erschütterung und Schmerzen dieses Sturzes brachten ihn wenigstens dahin, daß er seine Lage nüchterner betrachtete. War er vorher ganz im Banne einer geradezu wahnsinnigen Furcht und absolut unfähig, klar nachzudenken, so blieb er jetzt erst einmal ganz ruhig liegen und überlegte, wie er am leichtesten aus dieser Klemme herauskäme. Schließlich fiel ihm ein, daß sich das Zimmer, in dem er vorhin mit Lord und Lady Greystoke zusammengesessen hatte, gerade unter Jacks Schlafzimmer befand, auf dessen Diele er jetzt lag. Er wußte, daß immerhin einige Zeit verstrichen war, seit er sich nach oben zurückgezogen. Die beiden würden inzwischen auch gegangen sein; denn es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, seit er auf dem Bette gelegen und sich dort wie ein Verzweifelter zu befreien gesucht hatte. Das Allerbeste, was sich tun ließ, war, daß er zusah, ob er irgend jemanden aus dem unteren Stock auf sich aufmerksam machen konnte. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen hatte er sich endlich soweit gebracht und gewendet, daß es ihm gelang, mit der Fußspitze auf die Diele zu pochen. Er wiederholte das Pochen in kurzen Abständen mit großer Ausdauer. Endlos lang kam ihm die Zeit vor, aber schließlich schien die Belohnung nahe. Tritte nahten von unten, es stieg jemand die Treppe nach oben und klopfte an die Türe. Mr. Moore pochte nur wieder kräftig mit dem Fuß auf den Boden, denn er konnte ja nicht anders antworten. Einen Augenblick war es draußen still, dann wurde wieder geklopft – und Mr. Moore stieß wieder mit dem Fuß auf den Boden. Warum man nur nicht einfach die Tür öffnete! Mühsam wälzte er sich in der Richtung weiter, aus der die Hilfe winkte. Wenn er sich jetzt mit dem Rücken gegen die Türe lehnte, würde er an die Türfläche pochen können und dann müßte er doch sicher gehört werden. Man klopfte draußen etwas stärker, und schließlich rief jemand: Mr. Jack! Es war einer der Hausangestellten, Mr. Moore erkannte ihn an der Stimme. Die Adern drohten dem Lehrer zu zerspringen, als er jetzt durch den fest in den Mund gepreßten Knebel hindurch »Herein« zu schreien versuchte. Wieder vergingen ein paar Minuten, dann klopfte der Mann draußen ganz laut und rief den Jungen beim Namen. Als er erneut keine Antwort bekam, drückte er die Türklinke nieder ... Schlagartig durchschoß Mr. Moore der entsetzliche Gedanke, daß er ja selbst die Tür hinter sich verriegelt hatte, als er in Jacks Zimmer eingetreten war.

      Er hörte noch, wie der Diener mehrmals klinkte und schließlich fortging, dann fiel Mr. Moore in tiefe Ohnmacht.

      Inzwischen genoß Jack in vollen Zügen das erschlichene Glück, nun doch in der Musikhalle sein zu können. Er war noch rechtzeitig in das Vergnügungslokal gekommen; die Vorführung mit Ajax begann erst.

      Jack nahm einen Logenplatz und lehnte sich in atemloser Spannung über das Geländer. Seine Augen waren weit geöffnet und verfolgten staunend jede Bewegung des großen Affen. Der Dompteur bemerkte bald den Jungen mit dem hübschen Gesicht, der so ganz Feuer und Flamme für den Affen zu sein schien. Nun gehörte es zu den Glanzleistungen des Affen, daß er gewöhnlich während der Vorstellung eine oder mehrere Logen betrat und dort offenbar nach einem lange vermißten Bekannten suchte, wie der Dompteur jedesmal erklärend vorausschickte. Der Mann nahm sich diesmal fest vor, den Affen in die Loge mit dem hübschen Jungen zu schicken, der zweifellos zu Tode erschrecken würde, wenn der zottige, wuchtige Affenkoloß so nahe an ihn heranrückte.

      Als dann schließlich der Affe die Schwingschaukel verließ, und Beifallsstürme eine Wiederholung oder Zugabe heischten, lenkte der Dompteur die Aufmerksamkeit des Affen auf den Jungen, der zufällig als einziger in seiner Loge saß. Mit einem Satz sprang der große Menschenaffe von der Bühne zu dem Jungen. Doch wenn der Dompteur sich auf eine komische Szene gespitzt hatte, die durch die Todesangst des Knaben besonders gewürzt werden sollte, hatte er sich gewaltig geirrt. Ein Lächeln hellte die Züge des Jungen auf, als er seine Hand auf den zottigen Arm seines Besuchers legen konnte; der Affe faßte sein Gegenüber bei beiden Schultern und forschte mit ernstem, fast durchbohrendem Blick lange in dessen Gesicht, während ihm der Junge den Kopf streichelte und mit leiser Stimme auf ihn einredete.

      Niemals hatte Ajax jemanden so lange gemustert wie jetzt. Er schien zwar ein wenig unruhig, aber nicht im geringsten gereizt, murmelte dem Jungen irgend etwas Unverständliches zu und liebkoste ihn dann, wie der Dompteur es nie bei Ajax mit einem anderen Wesen erlebt hatte. Schließlich kletterte der Affe in die Loge hinein und schmiegte sich dort dicht an den Jungen. Das Publikum war begeistert, und der Jubel wuchs erst recht, als der Dompteur, da die für die Vorführung des Ajax bestimmte Zeit verstrichen war, den Affen aus der Loge herauslocken wollte, und das Tier darauf einfach nicht reagierte.

      Der Direktor, wütend ob dieser Störung seines Programms, ließ dem Dompteur sagen, er solle sich mehr beeilen. Doch als dieser nun die Loge betrat, um den widerspenstigen Ajax herauszuzerren, wurde er mit weitgeöffnetem Rachen und drohendem Geknurr empfangen.

      Das Publikum raste vor Entzücken.