Barbara Kuhn

Im Schatten des Waldes


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und das hiesige Wasser war so kostbar, als wäre es Gold oder Silber.

       Einige Regentropfen auf meinem Gesicht holten mich wiederum in die Gegenwart zurück. Ich war beinahe an unserem Versteck, unserem zweiten Lagerplatz. Diesen benutzen wir lediglich in den kalten Monaten, da es mehr Schutz bot. Durch die vielen hohen Tannen, dem verworrenen Gebirge sowie den undurchschaubaren Ebenen waren wir so gut wie unsichtbar. Natürlich hatten wir unsere Vorsichtsmaßnahmen, die aus einigen Spähern sowie ihren Pfeilen bestand. Deswegen vermutete ich gleichwohl, dass Harroh sowie die anderen mich bereits erwarteten. Ich blickte auf die Mitte des Berges, der sich in nördlicher Richtung befand. Ebendort, gut verborgen hinter Gräsern sowie Büschen waren mehrere Höhlen und in einer dieser Höhlen war sie.

      „Es ist Samuel!“, rief ein leicht dickbäuchiger Mönch, der mir in einer braunen Kutte entgegenkam. Bruder Matthias! Er musste aus seiner Kirche fliehen, da er einem armen Bauern etwas zu essen gegeben hatte. Damit hatte er die Obrigkeit gegen sich aufgebracht, wie auch immer. Er beschloss sich unserem unbeugsamen Haufen, der wir nun einmal waren, gänzlich anzuschließen.

      „Einer müsste sich ja um euer Seelenheil kümmern“, meinte er eines Tages, alsdann ich ihn danach fragte. Was er auch immerfort damit meinte oder gänzlich bezweckte, war für mich wahrlich ein Rätsel. Da er allerdings ebenfalls die Kunst des Bierbrauens verstand, war er mehr alsdann willkommen. Dies konnte ich keinesfalls gänzlich nachvollziehen. Mein Glauben verbot mir jegliche Art von berauschenden Getränken. Wozu Bier wohl weißlich gehörte. Allerdings solche Nebensächlichkeiten konnte man bei seinen Kampfgefährten ohnehin billigen.

      Der feine Regen hatte ein wenig nachgelassen und ich erreichte endlich unser Tal. Veland und Ludger saßen bei der Feuerstelle auf einem moosbedeckten Baumstamm. Ein Wildbret hing bereits über dem lodernden Feuer und schmorte vor sich hin. Beide sahen mich lediglich an und aßen weiter.

      Veland war ein stämmiger Bursche, mit braunen, kurzen Haaren sowie einem Vollbart. Beinahe sein gesamtes Dorf, darunter sein Weib sowie seine beiden Kinder, wurden von der sogenannten Obrigkeit niedergemetzelt. Dieweil sie die hiesigen Steuern keinesfalls bezahlen konnten.

      Ludger war bereits lange dabei, einer der Ersten. Ein listiger, durchtriebener, kleiner Dieb, der alles nahm was er bekommen konnte. Ein Künstler der schnellen Finger und genau dieses hätte ihm beinahe den Kopf gekostet. Seine braunen, unruhigen Augen passten zu seinem wilden, lockigen, kurzen, dunkelblonden Haaren. Er hatte eine äußerst dünne eher schmächtige Gestalt, jedoch dafür war er ausgesprochen flink sowie stark.

      Er steckte wie annähernd alle, in enganliegenden Beinkleidern, ein Flachshemd und geschnürten aus Leder gebundenen Schuhen. Meistens trug Ludger einen hüftlangen, braunen Umhang, der momentan neben ihm auf dem Baumstamm lag. Ich hingegen bevorzugte lieber Sachen aus Leder. Die zerrissen erstmalig keinesfalls so rasch und beim Kämpfen waren sie um einiges nützlicher, als diverse Sachen aus Tuch.

      Tiw kam mit einem Bündel Feuerholz aus dem Wald. Er war der Jüngste in der Truppe und einer der Wenigen, die das Morden in Velands Dorf überlebt hatte. Veland kümmerte sich infolgedessen um ihn. Tiw hatte genauso wie er, seine gesamten Familienangehörigen bei dem damaligen feigen Überfall verloren. Deshalb nahm Veland ihn als sein Mündel bei sich auf.

      Selbstverständlich war er genauso einfach gekleidet wie alle anderen Bauern, mit grün oder bräunlich roten Farben. Tiw war trotz alledem ein aufrichtiger Kerl, selbst mit seinen jungen Jahren. Mitunter war er allerdings ein wahrer Draufgänger, was wiederum Veland von Zeit zu Zeit gewaltig aus der Haut brachte. Jedoch konnte man Tiw keinesfalls lange böse sein, mit seiner spaßigen Art, wickelte er beinahe jeden um den Finger und dies nutze er bisweilen gänzlich zu seinen Gunsten aus. Wie damalig, alsdann er ein adliges Gewand entwendete. Lediglich zum Spaß, um dieses Minna zukommen zu lassen.

      Wenn man wahrlich darüber nachdachte, war dies schon ungerecht verteilt. Die Adligen, die sogenannte Obrigkeit schmückte sich mit den buntesten und edelverzierten Gewändern. Unsereins wurde bestraft, wenn man sich keinesfalls an die Kleiderordnung hielt. Sie lebten in Saus und Braus, ihre Untertanen hatten mitunter jedoch nichts zu essen. Was natürlich keineswegs für uns galt, wir hatten es dagegen wahrlich gut. Wir waren mit viel Wild gesegnet. Zwar gestohlenes Wild, da es gänzlich der Obrigkeit gehörte und es ferner verboten war es zu jagen. Allerdings störte uns dies nicht im Geringsten!

      „Veland, wo sind Harroh und Minna?“, fragte ich ihn und durchsuchte mit meinem Blick das Lager. Veland starrte allerdings weiterhin ins Feuer, ohne jedoch aufzublicken meinte er betrübt: „Sie sind zum Dorf Isit. Die Männer des Sheriffs beabsichtigen ebendort heutigen Tages die Steuern einzutreiben. Harroh und Minna wollten in Augenschein nehmen, wie ernst die Lage wahrlich ist. Da auch Weiber sowie Kinder beteiligt sind.“

      In der Tat konnte ich mir lebhaft vorstellen was dies für ihn bedeutete. Veland hatte seine gesamte Familie auf so ähnliche Weise verloren. „Minna beabsichtigt außerdem, sich sodann nach unserem Besuch zu erkundigen. Vielleicht weiß jemand etwas über eine junge Maid, die von Gundsrad verfolgt wurde?“ Veland hob seinen Blick und schaute mich niedergeschlagen sowie grüblerisch an.

      „Wie geht es diesbezüglich der Fremden? - Ist sie wiederum bei Bewusstsein?“, fragte ich die beiden in einem eher gelangweilten Ton. Ich hoffte insgeheim, dass meine Miene mich keineswegs zu sehr verraten würde. Wie viel sie mich in Wirklichkeit beschäftigte, brauchte niemand wahrlich zu erfahren.

      Veland zuckte mit seinen Schultern, worauf er vorwurfsvoll meinte: „Ich kann dir dies keinesfalls beantworten. Matt ist wahrhaftig die gesamte Zeit bei ihr. Ich muss hierselbst gänzlich verhungern, schau mal wie abgemagert ich bereits bin. - Bier braut er ebenfalls keines mehr, seit sie gegenwärtig bei uns im Lager angekommen ist. Das ist äußerst ärgerlich.“ Veland warf ein Stück Holz ins Feuer, missmutig blickte er mich an.

      „Im Gegensatz dazu geht zu ihm und jagt den Mönch endlich aus der Höhle.“ Veland grinste mich hämisch an.

      „Euer Wunsch sei mir Befehl, euer Hochwohlgeboren.“, lachte ich zugleich und machte eine tiefe Verbeugung. „Ich werde Bruder Matthias persönlich mitteilen, dass ihr lediglich noch Haut und Knochen seid. Folglich sollte er sich umgehend um euch bemühen. Da Ihr gegebenenfalls infolgedessen auch noch verdurstet. Dies wäre mit Sicherheit wahrlich äußerst fatal.“ Laut lachend drehte ich mich um, kurz danach betrat ich die riesige Höhle.

      Sie war mit einigen Fackeln hell erleuchtet, wodurch man die jetzige Größe erst sichtlich erkennen konnte. Die Höhle bot genügend Raum für mehrere Schlafplätze und genau in einem dieser lag sie. Der Mönch deckte die unbekannte Schönheit soeben zu. Nachdem mich Bruder Matthias bemerkte hatte, seufzte er besorgt und schaute niedergeschlagen in meine Richtung.

      „Die Kräuterumschläge wirken keinesfalls so wie ich es mir erhofft hatte. Den Pfeil hast du gottlob gänzlich herausgezogen. Jedoch anderseits bekomme ich ihre Fieber trotz alledem keineswegs gesenkt. Wenn gleich ich wahrhaftig alle erdenklichen Möglichkeiten versucht habe. - Wahrscheinlich ist sie deshalb auch noch keineswegs erwacht.“ Mutlos blickte er zu Boden, gleichzeitig atmete der Mönch abermals schwer aus.

      „Eine Möglichkeit gäbe es eventuell. Ein Heilkraut, zudem selten sowie ausgesprochen schwer zu beschaffen. Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt mit Tiw in den alten Wald gehen und nach genau diesem seltenen Kraut suchen. Vielleicht finde ich es ebendort, da dieser Wald so gut wie niemals betreten wird. - Angeblich leben dortselbst die Geister des Waldes. Wie auch immer, entweder die Geister oder sie wird sterben.“

      Er blickte in Richtung Höhlenausgang und sprach weiter: „Ich kann mir keineswegs vorstellen, dass ein Mönch sowie ein Jüngling dortselbst in Gefahr sind. Wir werden allerdings einige Tage unterwegs sein. Könntest du dich ihrer annehmen?“ Bruder Matthias schaut mich fragend an, worauf ich zustimmend nickte.

      „Hervorragend! Alle Sachen befinden sich neben ihrem Lager.“ Der Mönch zeigte auf eine flache Schüssel mit irgendeiner dunklen Flüssigkeit. Die, wenn ich ehrlich zu mir war, keinesfalls sehr genussvoll roch. - Nein! Sie stank abscheulich, einfach widerlich.

      „Du musst ihr damit oftmals einen frischen Umschlag anfertigen. Ihre Lippen benässen, sowie ihr Gesicht.“ Entgeistert