Klaus Muller

Cuba Libre!


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Rita!“ rief er. „Was willst du immer mit Rita, verdammte Scheiße!?“

      Ich packte ihn wieder am Handgelenk und zog ihn dichter heran.

      „Das will ich dir sagen du Scheißkerl. - Ich will, dass du dich daran erinnerst, wie du sie letzte Nacht totgemacht hast!“

      Harry zuckte zurück und saß jetzt aufrecht, mit weit aufgerissenen Augen auf dem Bett. Er drückte sich das Taschentuch vor den Mund.

      „Rita ist tot?“ brachte er nach einer Weile heraus.

      „Allerdings! Und so wie es aussieht hast du ihr das Licht ausgeknipst.“

      Ich ging wieder ans Fenster und beobachtete die Straße.

      Harry saß grübelnd auf dem Bett. Plötzlich sprang er auf und kam auf mich zu. Mit einer kurzen Bewegung griff ich zur Waffe, ließ sie aber noch stecken. Das Gefühl des Stahls in meiner Hand gab mir Ruhe.

      Kurz vor mir blieb er hechelnd stehen. Seine gehetzten Augen wanderten haltlos hin und her.

      „Aber Floyd, ich habe sie bestimmt nicht umgebracht! - Ich kann mich an nichts erinnern!“

      Ich schaute ihn durchdringend an.

      „Eben Harry, dass ist das Problem.“

      „Was ist das Problem?“

      „Das du dich nicht erinnern kannst.“

      „Aber wieso ist das ein Problem?“

      „Nun, du kannst dich zwar nicht erinnern, sie umgebracht zu haben“, erklärte ich, „aber du kannst dich genauso gut nicht daran erinnern, es nicht getan zu haben. - Und so wie die Dinge liegen, spricht alles gegen dich.“

      Sein Blick wanderte auf den Boden. Eine tiefe Resignation ging von ihm aus.

      „Sie ist wirklich tot?“ vergewisserte er sich noch einmal.

      Ich nickte und hatte das Gefühl, dass seine Schultern noch etwas tiefer sanken.

      „Aber warum sollte ich sie umbringen?“ gab er zu bedenken. „Ich mochte sie doch!“

      „Vielleicht zu sehr Harry, vielleicht zu sehr.“

      Ich hatte zunehmend das Gefühl, das wir hier mit unserem Gespräch wertvolle Zeit vertrödelten. Aber ich selbst war mir auch unsicher, was jetzt zu tun war.

      „Du bist der Einzige, der in Frage kommt!“

      Harry ging zu seiner kleinen Kochnische und kramte zwischen dreckigem Geschirr. Plötzlich hatte er eine Whiskyflasche in der Hand, setzte sie an und soff.

      „Hey hör auf!“ rief ich und ging auf ihn zu.

      „Ich sage dir, ich habe sie nicht getötet, glaub mir doch!“ keifte er.

      Ich riss ihm die Flasche aus der Hand und schüttete den Inhalt unter seinem entsetzten Blicken in den Ausguss.

      Harry sackte auf die Knie und schlug die Hände vor das Gesicht. Gedämpftes, leises Wimmern war zu hören.

      Ich holte meine Zigaretten aus der Tasche und zündete zwei an. Eine davon reichte ich Harry.

      „Hier nimm, und hör auf zu jammern!“

      Er griff danach und sog den Rauch gierig ein. Mit zitternden Händen hielt er die Zigarette zwischen seinen Fingern.

      Ich ging wieder zum Fenster zurück.

      Harry schlug sich mit der flachen Hand mehrmals gegen die Stirn.

      „Wenn ich mich bloß erinnern könnte! Aber ich habe doch...“

      Mitten im Satz hörte er auf zu sprechen und starrte in meine Richtung.

      „Warum schaust du immer aus dem Fenster?“ fragte er mit leiser, ahnungsvoller Stimme. „Auf wen wartest du?“

      Im nächsten Augenblick war er aufgesprungen und lief, so gut er eben konnte, zur Tür. Ich war schneller und stand schon vor ihm, als er dort ankam.

      Er ruderte wild mit seinen Armen.

      „Du hast mich verpfiffen und wartest jetzt das sie mich abholen, du Bastard!“ keuchte er und versuchte an mir vorbeizukommen.

      „Rede keinen Blödsinn!“ schnauzte ich ihn an. „Aber selbst die Polizei kann eins und eins zusammenzählen. Und um in dieser Sache auf dich zu kommen, braucht es noch viel weniger.“

      Es schien mir, als mache sich eine gewisse Ernüchterung in ihm breit.

      „Verdammte Scheiße! Wie komm ich da bloß wieder raus?“ Und leise, fast flüsternd fügte er hinzu „Ich glaube ich habe großen Mist gebaut, Floyd.“

      Ich griff unter seine Achsel.

      „Pass auf Harry“, sagte ich und zog ihn etwas heran, „was wir jetzt brauchen ist etwas Zeit. Aber hier kannst du nicht bleiben, dann hätten sie dich in einer halben Stunde.“

      „Ja Floyd, du hast recht,“ erwiderte er hilflos.

      „Ich kenne da jemanden, der hat ein kleines Hotel. Da werden wir dich erst einmal für ein paar Tage unterbringen. Da suchen dich die Cops nicht.“

      „Wer weiß, wer sonst noch hinter mir her ist,“ klagte er.

      Ich schaute ihn hart an.

      „Wenn das so ist, dann solltest du es mir jetzt mal langsam erzählen, du blöder Hund!“

      Er zuckte nur mit den Schultern, und seine Augen begannen wieder etwas zu glänzen.

      „Du bist ein echter Freund Floyd,“ stammelte er. „Komm lass uns los!“

      Er wollte sich an mir vorbeidrücken.

      „Ich sag dir eins Harry, wenn sich herausstellt, dass du es doch warst, schleppe ich dich höchst persönlich zur Polizei!“

      „Ist schon klar Floyd, ist schon klar.“

      Kapitel 3

      Ich brachte Harry in Giovannis „Hotel Palermo“, Grandstreet, Ecke 150. Straße, unter.

      Jo, wie alle den Besitzer nur nannten, war ein alter Bekannter von mir. Er schmiss den Laden schon seit zwanzig Jahren und kroch seitdem immer zwischen halb sterben und halb leben herum.

      Wie alle hier, besserte er sein Einkommen mit Wettgeschäften auf und damit, dass er seine Räume an Nutten und was weiß ich nicht noch alles, vermietete. Aber eins war für mich entscheidend, Jo stellte keine unnötigen Fragen, tratschte nicht und hatte ver­nünftige Preise.

      Ich würde Harry hier ein paar Tage unterbringen können. Bis sich die ersten Wogen geglättet hätten, und ich etwas mehr wusste. Vorausge­setzt, er spielte mit und verhielt sich ruhig.

      Aber was blieb ihm übrig. Wenn er den Kopf zu weit, oder überhaupt aus dem Fenster streckte, würde er ihm abgeschlagen werden. Ich hoffte, das klargemacht zu haben.

      Ich saß in einem Taxi und war auf dem Weg in mein Apartment, dass gleichzeitig auch mein Büro war, in Greenwich. Dort wollte ich meinen Wagen abholen, um vielleicht später noch einmal in der Blue Moon Bar vorbeizuschauen. Möglich, dass es etwas Neues gab.

      Außerdem hatte ich das untrügliche Gefühl, dass mir eine Dusche und ein neues Hemd guttun würden.

      Das Gute an den New Yorker Taxis war, dass sie die Größe einer Einfamilienwohnung hatten und man sich auf der Rückbank, wie auf dem Sofa zuhause fühlen konnte.

      Als wir in die South Varick Street einbogen und nach Norden schaukelten, ging schräg hinter mir, im dumpfen Licht des Morgens, die Sonne auf.

      Ich lehnte mich in die weichen Polster und schaute durch das Rückfen­ster.

      Die Straßen waren noch leer und aus den Gullys schien das Schnar­chen der Stadt zu kommen. Um diese Uhrzeit schlief eigentlich