zu treten. Christian hatte recht. Sie hatte sich wie ein dummer Teenager verhalten.
Benjamin war in der Vinothek, um ein paar Kisten Wein für die Lieferung nach Wiesbaden zu packen. Er hatte nur kurz zu Weihnachten von Christian gehört. Eigentlich müsste er doch wieder hier sein, dachte Benjamin, als er ein Auto hörte. Er zog seine Jacke an, lief zum Parkplatz und sah Christian aus dem Lieferwagen steigen.
„Hallo, Bruder, ich dachte, ihr kommt zu zweit? Wo ist Katja? Ich hoffe doch, sie ist nicht in Südfrankreich!“
Als Benjamin Christians breites Grinsen sah, wusste er, dass der Plan aufgegangen war. Die, die zusammengehörten, waren nun endlich vereint. Benjamin umarmte seinen Freund und atmete tief durch.
Christian sagte: „Katja kommt am Mittag, um mit uns zu essen. Wir sind gestern mit ihrem Auto gekommen. Sie bleibt hier. Im Moment hat sie Schiss vor dem, wie du reagierst. Ich habe ihr ein paar deutliche Worte gesagt, was wir über ihr Verhalten denken. Ich glaube, sie braucht noch ein bisschen Stress, damit sie merkt, was sie für einen Mist gebaut hat.“
„Aha, so ist das also. Spielen wir die harten Männer, die ihr sagen, wo es lang geht. In Ordnung. Wenn es hilft.“
Lachend gingen die Männer an die Arbeit. Benjamin war sehr froh, seinen Freund wieder ausgeglichen und glücklich zu sehen. Und er hatte recht: Sie mussten Katja noch eine Weile leiden lassen, das hatte sie verdient.
Christian berichtete von seinem Aufenthalt bei Marie und vom Weihnachtsfest. Gegen elf Uhr kam Justin in die Vinothek.
„Hallo, Christian. Du bist ja wieder da! Aber wo ist deine Traumfrau?“
Christian erklärte und erzählte alles noch einmal. Justin schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
„Na siehst du. So einfach ist das manchmal mit der Liebe. Und wie geht es dir dabei, Papa?“
Er wandte sich seinem Vater zu, der bisher schweigend zugehört hatte.
„Ich finde es gut so, wie es ist. Katja war von Anfang an in ihn verliebt. Wir haben uns nur gefunden, weil Christian so lange weg war. Lass mal, es geht mir gut. Die beiden gehören zusammen. So soll es sein.“
„Na dann alles Gute euch beiden. So soll es sein“, wiederholte Justin.
„So soll was sein?“, ertönte eine Stimme.
Die Männer sahen zur Tür. Dort stand Katja und grinste verlegen. Christian schob Justin vorwärts.
„Komm, Justin, wir kümmern uns mal um das Mittagessen. Ich glaube, Benni und Katja haben etwas zu bereden.“
Katja nickte dankbar und setzte sich an die Theke. Sie hatte die ganze Zeit überlegt, was sie sagen wollte, aber es war verdammt schwer.
„Ich … ich … ich möchte mich bei dir entschuldigen, dass ich mich so kindisch verhalten habe. Du warst so gut zu mir. Ich mag dich wirklich sehr gerne. Dass ich Christian liebe, wollte ich nicht wahrhaben und dann warst du da und hast mir gut getan nach all dem Unglück. Ich wollte dich nicht so schamlos ausnutzen, aber im Nachhinein sieht es wohl so aus. Es tu mir leid, wenn ich dich verletzt habe.“
Benjamin hatte währenddessen weiter geräumt. Nun stand er vor Katja und sah sie ernst an.
„Was du dir geleistet hast, war wirklich nicht in Ordnung. Wie unreif und kindisch du manchmal bist, das hält kein normaler Mensch aus. Ich hoffe, du hast jetzt wenigstens den Arsch in der Hose und bleibst hier. Wenn du noch einmal vor einem Problem davonrennst, kannst du bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich mag dich, aber verstehen werde ich dich darum nicht. Tu meinem besten Freund nicht weh, sonst bekommst du den Ärger deines Lebens. Das verspreche ich dir. Und jetzt komm in meine Arme, du dumme Nuss.“
Katja waren dicke Tränen der Scham über die Wangen gelaufen. Jetzt ließ sie sich festhalten. Benjamin gab ihr ein Taschentuch. Sie schnäuzte sich geräuschvoll.
„Du hast in allem recht. Ich werde mich ändern. Kannst du mir irgendwann verzeihen? Bleiben wir Freunde?“
Benjamin zuckte mit den Schultern.
„Das wird sich zeigen. Komm, wir gehen essen.“
Christian und Justin hatten Nudeln mit Tomatensoße gekocht und deckten gerade den Tisch, als Katja und Benjamin die warme Küche betraten. Christian sah Katjas verweinte Augen und grinste insgeheim. Benni war wohl sehr streng gewesen, aber in Christians Augen war das auch nötig. Eigentlich hatte Benni nach dem Alptraum mit Rebecca eine gute und ehrliche Frau verdient. Nun war die Liebe zu der ersten Frau, der er wieder vertraut hatte, vorbei. Es tat Christian leid, aber seine Liebe zu Katja war von Beginn an stärker gewesen.
Er dachte: Mal sehen, wie Benjamin das verkraftet, dass er jetzt sein Leben mit Katja teilen würde.
Nach dem Essen liefen sie zu Fuß zu ihrem Haus. Den Transporter hatte Christian stehen gelassen. Katja hatte seine Hand ergriffen. Sie dachte über Benjamins Worte nach. Er hatte wirklich recht. Im Nachhinein fand sie auch, dass Abhauen Quatsch war. Sie hätte das Reden nicht so lange vor sich herschieben sollen. Katja wollte Christian lieben und zu ihm halten. Bei Problemen würde sie mit jemandem darüber reden. Das nahm sie sich vor.
Vor ihrer Haustür küsste Christian sie und verabschiedete sich.
„Gute Nacht. Ich wecke dich morgen früh. Schlaf gut.“
„Du auch und eins noch: Danke für alles. Für dein Verständnis, für deine Liebe, dafür, dass du mich gerettet hast. Und dafür, dass du mich heimgeholt hast. Hier will ich sein. Mit dir.“
Katja drehte sich um und ging ins Haus.
*
Am nächsten Tag kam ein Lastwagen mit den Sachen, die Marie ihr hinterhergeschickt hatte. Katja hatte nun genug zu tun, um alles wieder einzuräumen und zu ordnen. Christian half Benjamin bei den Vorbereitungen für das Fest. Zum Mittag ging sie für eine Stunde aufs Weingut und Benjamin bestellte Pizza.
Dann küsste sie Christian und machte sich wieder auf den Weg. An der Ecke kam ihr Ursula Heunbach entgegen. Sie freute sich sehr, Katja zu sehen. Ihre überstürzte Abreise hatte sich schon im Ort herumgesprochen.
„Na so eine Überraschung. Ich dachte, Sie sind weg. Also stimmt das gar nicht?“
„Doch, kommen Sie mit ins Haus auf einen Kaffee, dann erzähle ich Ihnen alles.“
Ursula Heunbach ließ sich nicht zweimal bitten. Sie folgte Katja und als diese ihren Bericht beendet hatte, staunte die Vermieterin nicht schlecht. Sie war entsetzt über den versuchten Sprung vom Felsen und voll des Lobes für Christian und seine Rettungsaktion.
„Ich glaube, das war Schicksal, dass Sie ihm da begegnet sind. Sie haben nur die Zeichen falsch gedeutet. Ich hätte Benni eine neue Beziehung sehr gegönnt, aber es hat nicht sollen sein. Christian ist ein guter Mann, Sie haben Glück. Schön, dass Sie wieder mit zurückgekommen sind. Es ist besser so. Nach Ihrem Leid, das Sie erfahren mussten und Christians Geschichte haben Sie beide nur das Beste verdient.“
Ursula Heunbach versorgte Katja noch mit dem wichtigsten Dorftratsch, trank ihren Kaffee aus und ging heim. Katja räumte weiter. Als es dunkel war, klopfte es. Sie öffnete und Christian schob sie in den Flur. Mit dem Fuß schob er die Tür zu, drückte sie gegen die Wand und küsste sie stürmisch.
„Du hast mir gefehlt, mein Engel. Ich muss dich jetzt einfach festhalten.“
Katja zog ihn ins Wohnzimmer auf die Couch. Sie küssten sich lange. Sie wagte nicht zu fragen, ob er über Nacht bleiben würde, aber Christian hatte wohl ihre Gedanken erraten.
„Wir lassen es langsam angehen. Ja?“
Katja seufzte und nickte. Er verabschiedete sich schnell. Vor der Tür atmete Christian tief durch. Er wäre gerne bei ihr geblieben und hatte schon daran gedacht, mit ihr zu schlafen. Aber er wollte es ihr nicht ganz so leicht machen. Diesen letzten Schritt musste sie sich verdienen.
Katja