zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht, wie es für ihn weitergehen sollte. Schwerfällig erhob er sich, verabschiedete sich von Benjamin und Benni und verschwand mit hängenden Schultern in der Dunkelheit.
Daheim saß er in seinem leeren Haus. Er hätte alles gegeben, um hier ein fröhliches Kinderlachen zu hören, jetzt war er allein.
Er schlief in dieser Nacht schlecht.
*
Auch Katja ging es schlecht. Nelly hatte den ganzen Abend geweint und sich nicht beruhigen lassen. Es war, als würde sie die Veränderungen spüren. Vollkommen erschöpft war sie vor wenigen Minuten eingeschlafen und nun sank Katja kraftlos auf die Couch.
„Warum musste ich so dumm sein und alles kaputtmachen? Ach Daniel, wenn Nelly doch deine Tochter wäre und du hier mit mir leben würdest!“
Sie schlang die Arme um die Knie und weinte. Die Erleichterung war einer großen Traurigkeit gewichen. Katja war allein, kein Mann war da, um sie jetzt in den Arm zu nehmen.
Sie stieg die Treppe hinauf und schaute noch einmal nach Nelly, die nun endlich ruhig atmete. Sie setzt sich noch für einen Moment an ihr Bettchen und schaute ihr süßes, kleines Mädchen an. Dann legte sie die Decke richtig hin und ging ins Bett. Nach einer unruhigen Nacht weckte Nelly sie am nächsten Morgen fröhlich krähend.
Beim Frühstück erklärte Katja ihrer Tochter, dass sie jetzt einen Papa und einen Onkel Christian hatte.
„Und der Benjamin, der Papa mit dem Hund, kommt dich zu Weihnachten besuchen. Aber vorher fahren wir in den Herbstferien zu ihm und dann kannst du mit Benni spielen.“
„Wauwau“, sagte Nelly ernst. „Wauwau bei Papa.“
„Ja, genau, der Wauwau ist beim Papa, da hast du recht. Ein kluges Mädchen bist du.“
Nelly nahm ihre Plastiktasse mit dem Kakao und führte sie mit geschickten Händen zum Mund, trank sie in einem Zug leer und hielt Katja die Tasse zum Nachfüllen hin.
„Lade fein“, erklärte sie, wobei sie mit „Lade“ alles zusammenfasste, was Schokolade oder Kakao war. Nach dem Frühstück zogen sie sich an und gingen in den Garten. Katja hatte ein kleines Planschbecken aufgestellt und Nelly nahm ihre grüne Gießkanne, um Wasser zu holen. Dann goss sie Grasbüschel, Gänseblümchen und den Nussbaum. Katja saß im Liegestuhl und las in einem Buch.
Nach dem Mittagessen und einem kleinen Schläfchen, das sich die beiden gönnten, fuhren sie nach Rathenow zum Einkaufen. Danach machten sie sich auf den Weg nach Steckelsdorf, wo Kirsten vom besten Eis der Welt geschwärmt hatte. Sie fanden die Eisdiele und draußen war sogar eine Bank frei. Katja hatte Nelly eine Kugel Schokoladeneis geholt und der Eisverkäufer hatte dem kleinen Mädchen einen kleinen roten Löffel dazu geschenkt. Nun saß Nelly mit ihrer Mama auf der Bank. Bei zu viel kaltem Eis auf dem Löffel kniff sie die Augen zusammen und schüttelte sich.
„So eine süße, kleine Maus“, sagte ein junger Mann mit stahlgrauen Augen und einem gepflegten Bart, der wie sein kurzes, dunkles Haar von einzelnen grauen Strähnen durchzogen war. Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem charmanten Lächeln. Dabei entblößte er makellos weiße Zähne. Für drei Sekunden trafen sich ihre Blicke.
„Danke.“
Der Mann zwinkerte ihr zu und ging davon. Katja schaute ihm nach und schüttelte sich wie ihre Tochter. Nein, Männer hatten in ihrem Leben keinen Platz mehr. Nie wieder Chaos!
„Wie war euer Tag?“, fragte Benjamin, der fast jeden Abend anrief.
Katja erzählte vom Eis essen. Danach waren sie noch an den See gefahren, wo Nelly auf dem neuen Spielplatz spielte. Sie hatte sich einfach zu einem kleinen Mädchen gesetzt und sie angelächelt. Die Kleine gab ihr sofort eine Schippe und die beiden buddelten. Dann rief die Mutter nach ihrer Tochter und auch Katja und Nelly, die weinend die Schippe zurückgegeben hatte, hatten sich auf den Heimweg gemacht.
„Wo wollt ihr denn wohnen, wenn ihr Ende September kommt? Ich habe mit Christian ein Kinderzimmer für Nelly eingerichtet. Daneben wird es ein Gästezimmer mit eigenem Bad geben. Bis ihr kommt, ist alles fertig.“
„Hältst du das für eine gute Idee, wenn wir bei dir wohnen? Was machen wir, wenn Luise da auftaucht? Ich will diese Frau auf gar keinen Fall sehen.“
„Ach was, mit einem kleinen Kind im Hotel ist doch Mist und keine Angst, ich werde dir nicht mehr zu nahe kommen.“
Katja lachte laut los.
„Nein, das wirst du ganz sicher nicht. Ich habe mit dem Thema Liebe und sowas abgeschlossen. Es bringt nur Unglück.“
Benjamin dachte: So siehst du aus, du und damit abgeschlossen.
Daher sagte er nur: „Überlege es dir einfach und gib Bescheid, es ist alles bereit. Wir haben auch einen Sandkasten und eine Schaukel aufgebaut. Jetzt ist das Weingut gleich familienfreundlich.“
*
„Ich kann doch nicht mit ihm unter einem Dach wohnen!“
Katja hatte Cora angerufen, die war immer sehr streng und Katja legte auf ihren Rat großen Wert.
„Tja, es sieht schon ein wenig komisch aus, aber schau mal, er tut so viel für Nelly. Also sieh es dir doch einmal an und dann kannst du immer noch in ein Hotel gehen.“
„Gut“, entgegnete Katja, „ich gucke es mir an. Er wird sicher sowieso den ganzen Tag im Weinberg sein, es ist schließlich Lese. Wir spielen mit Benni, gehen viel spazieren und halten in der Vinothek die Stellung.“
„Christian wird auch dort sein …“
„Das ist mir egal“, unterbrach Katja Cora.
„Ja, klar. Du redest mit mir, deiner Freundin, die dich in- und auswendig kennt. Also erzähle nicht so einen Mist.“
Katja wusste, dass sie Cora nicht belügen konnte. Also gab sie zu, dass sie jeden Tag an Christian dachte.
„Er wäre so gern Nellys Vater gewesen. Ich glaube, nachdem ich ihn betrogen habe, war das noch viel schlimmer für ihn. Er hat Nellys Herz gewonnen und sie nun wieder verloren. Benjamin hat mir erzählt, wie mies es ihm geht. Er tut mir so leid.“
„Du liebst ihn noch sehr, oder?“
Katja schniefte und sagte: „Ja, aber es ist zu spät. Es ist alles kaputt.“
Cora seufzte und dachte: Wie schade, es hätte doch wieder gut werden können.
Sie legten auf und Cora versprach, am Samstag zu kommen. Da könnten sie sich wieder einmal ein schönes Wochenende machen. Katja nahm Nelly und setzte sie in den Wagen, um mit ihr zum kleinen Lebensmittelladen in den Ort zu fahren. Gerade wollte sie dort nach der Klinke greifen, da wurde die schwere Tür mit Schwung geöffnet. Um ein Haar hätte sie den Buggy getroffen.
„He, können Sie nicht ein bisschen aufpassen! Sie hätten uns beinahe umgeworfen.“
„Oh, Entschuldigung!“, rief eine Stimme, die ihr bekannt vorkam.
Sie schaute in die Augen des Mannes vom Eiscafé in Steckelsdorf.
„Ach, meine kleine Freundin. Hören Sie, es tut mir leid und es ist ja nichts passiert. Frieden?“
Er streckte Katja seine Hand hin. Sie starrte sie an, ließ ihn einfach stehen und verschwand eilig im Laden. So eine Zicke, dachte der großgewachsene, schlanke Mann und stieg in sein Auto.
Katja hatte drinnen den Vorfall schon wieder vergessen. Nelly war der Liebling der Verkäuferin an der Bäcker-Theke. Sie grinste und winkte der netten Frau fröhlich zu. Die Verkäuferin nahm einen Schokoladenkeks und kam hinter der Theke hervor.
„Da ist ja meine kleine Prinzessin Nelly. Hallo, meine Süße. Guten Tag, Frau Hardeg.