Nicole Beisel

Vergiss nicht, mich zu lieben


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sicher etwas gesagt.

      „Dann lass ich Sie mal alleine. Sie haben sich sicherlich viel zu erzählen. Fühlen Sie sich wie Zuhause und lassen Sie es sich gutgehen.“ Mit diesen Worten verschwindet Mr. Rutherford zu seinen nächsten Gästen. Betreten stehen wir da und schweigen uns an. Ich fühle mich seltsam, steht doch meine Freundin neben mir, obwohl es das Schicksal ausnahmsweise mal gut mit mir meint und ich ausgerechnet hier und jetzt Elizabeth begegne. Meine Gedanken kreisen wild umher und ich bemerke kaum, wie Jane versucht, meine Aufmerksamkeit zu erregen.

      „Oder hast du etwa keinen Hunger?“ Verwirrt schaue ich sie an, nicke dann jedoch eifrig.

      „Doch, doch. Einige Häppchen, natürlich. Wollt ihr auch was?“, wende ich mich an Elizabeth und ihren seltsamen Begleiter.

      „Ja, gerne. Komm, Sam, wir holen uns auch eine Kleinigkeit.“ Sie nimmt ihn an der Hand und zieht ihn mit sich, und ich tue es ihr gleich und nehme Jane bei der Hand. Zu viert steuern wir das riesige Büffet an. Ich habe Mühe, meinen Blick von Elizabeth abzuwenden. Wenn ich sie so betrachte fällt mir auf, dass sie noch genauso aussieht, wie in der Zeit vor ihrer Amnesie, als wir noch glücklich zusammen waren. Schick, edel gekleidet, die Haare in der Reihe und ein freundliches Lächeln im Gesicht. Trotzdem kann ich die Unsicherheit in ihren Augen erkennen. Es muss sie viel Überwindung gekostet haben, hierherzukommen. Ich weiß nicht, wie es derzeit um ihren Zustand steht, aber ich bin mir sicher, dass sie hier an vieles erinnert wird, Positives sowie Negatives. Ich kann nur hoffen, dass meine Person zu den positiven Dingen gehört und dass sie diese Erinnerungen nicht unterdrückt.

      Eigentlich sollte ich nicht so denken. Unsere Zeit war schön, wenn auch turbulent, und sie ist vorbei. Wir haben beide neue Partner und scheinen glücklich zu sein. Auch wenn ich immer gehofft hatte, dass wir wieder zusammenfinden, habe ich mich auf Jane eingelassen, und ich mag sie wirklich sehr. Ich habe sie bei Gericht kennengelernt, sie ist Urkundsbeamtin beim Central Court und ist mir vor einem halben Jahr bei einer Verhandlung positiv aufgefallen. Nach mehreren Sitzungstagen haben wir uns zum Abendessen verabredet und sind seitdem zusammen. Wir verbringen möglichst viel Zeit miteinander, und mit der Zeit habe ich gelernt, diese Zeit mit ihr zu genießen und meine Gefühle für Liz, wie ich sie immer gerne genannt habe, in den Hintergrund zu drängen und mich damit abzufinden, dass ich sie endgültig hinter mir lassen muss.

      Aber nun, da sie hier neben mir steht, weiß ich nicht, was ich denken oder fühlen soll. War es nicht so gewesen, dass sie in ihrem letzten Brief an mich selbst schrieb, dass das Schicksal uns wieder zusammenführen würde? Nun, scheinbar hat es das, aber auf eine andere Art und Weise, wie ich gehofft hatte. Scheinbar haben wir beide unsere Chance verpasst. Also versuche ich, das zu nehmen, das ich kriegen kann.

      „Und, wie geht es dir? Was machst du denn jetzt?“

      „Ich arbeite wieder bei einer Bank im Büro und kümmere mich um die Schreibarbeit. Was du machst, brauche ich dich wohl nicht zu fragen.“ Liz lacht, und sofort schmelze ich dahin. Wenigstens ihr Lachen hat sie bei dem Anschlag nicht verloren, es ist noch immer das Lachen, das ich von ihr kenne und das ich bis heute tief in meinem Herzen trage. Samuel beobachtet uns von der Seite und wirkt nicht sonderlich begeistert über unsere lockere Unterhaltung. Jane hingegen hat sich dem Essen gewidmet, das wir gemeinsam an einem der Stehtische zu uns nehmen.

      „Werdet ihr heute hier übernachten?“, richtet Liz die Frage an Jane und mich als Paar.

      „Nein, wir fahren wieder nach Hause. Aber ihr werdet doch sicher hierbleiben über Nacht, oder?“ Liz schüttelt den Kopf.

      „Nein, wir haben uns ein Zimmer in einem anderen Hotel genommen. War mir so lieber.“ Sie braucht nichts weiter zu sagen, denn ich kann mir denken, warum sie diesen Weg gewählt hat. Sofort denke ich an die Zeit zurück als ich glaubte, Elizabeth für immer verloren zu haben und sie dann als „Lilly Jenkins“ vor mir stand. Als wäre es Gedankenübertragung, spricht auch sie diese Zeit an.

      „Kannst du dich noch an Rachel erinnern? Ich hatte sie damals in der Therapie kennengelernt.“ Ich nicke. „Wir treffen uns morgen zum Brunch.“ Sie wirkt glücklich, und ich freue mich für sie. Wenigstens diese Beziehung hat gehalten, und für einen kurzen Moment beneide ich ihre Freundin Rachel dafür, bis mir einfällt, wie kindisch das ist.

      „Das ist schön. Grüß sie von mir.“ Bei all den Dingen, die ich hier von mir gebe, wundere ich mich, dass Jane noch nicht eifersüchtig reagiert hat. Vielleicht kommt das noch, nachher, wenn wir alleine sind. Gerade mache ich mich innerlich auf eine Standpauke gefasst, als mich Liz völlig aus der Bahn wirft.

      „Komm doch mit?“ Drei Augenpaare richten sich auf Liz, und sie scheint zu merken, dass sie vielleicht zwei Sekunden länger hätte nachdenken sollen, bevor sie diesen Vorschlag laut ausspricht. „War nur eine Idee, sorry.“ Ich schaue zu Jane und beiße mir auf die Lippe. Sam würdige ich keines Blickes, der hat mich scheinbar eh schon gefressen.

      „Hättest du was dagegen?“ Jane schaut mich an und schüttelt gleichgültig den Kopf. „Nein, geh du ruhig. Ich bin sowieso bei meinen Eltern zum Essen. Du hättest mitgehen können, aber die kommen sicher auch mal ohne dich aus.“ Sie lacht, und scheinbar ist dieses Thema für sie erledigt. Ich zucke die Schultern und lächle vorsichtig.

      „Also schön, dann sehen wir uns morgen.“ Liz leiht sich von einem Kellner Zettel und Stift und schreibt mir die Adresse des Hotels und die Uhrzeit auf. Dankend nehme ich den Zettel entgegen und umarme sie kurz zum Abschied. Dann gehen wir wieder einmal getrennte Wege und widmen uns den weiteren Gästen. Auch wenn ich versuche, mich auf die vielen Unterhaltungen des restlichen Abends zu konzentrieren, schaue ich mich immer wieder suchend nach ihr um, bis ich sie vollends aus den Augen verliere.

      Wenigstens bleibt mir noch der morgige Tag.

       Samuel

      Das Spiel

      Oh Mann, ausgerechnet der … Was er hier zu suchen hat, weiß ich ja. Aber musste der wirklich kommen? Noch dazu mit dieser blöden Tusse, die aussieht wie auf der Straße aufgegabelt. Da hab ich mit Elizabeth doch echt Glück, mit der kann ich mich wenigstens sehen lassen. Und jetzt muss ich auch noch morgen mit ihm an einem Tisch sitzen. Mal sehen, vielleicht fällt mir eine Ausrede ein, damit ich mir das nicht antun muss. Ich hab ohnehin nicht sonderlich viel Lust auf Frauentratsch, und auf diesen Anwaltsfutzi noch weniger.

      Ich frage mich, was die beiden wohl miteinander zu schaffen hatten. Hatten die mal was miteinander? Ich weiß im Grunde nicht sehr viel über Elizabeth, aber sie weiß ja auch nicht alles über mich. Das wäre ja noch schöner. Ich weiß nur, dass sie diese Amnesie hatte und dass das eine Folge des Angriffs ihrer beiden Stiefschwestern auf sie war, die dann in einem späteren Gerichtsverfahren verurteilt wurden. Vielleicht war dieser Bold ihr Anwalt gewesen? Vielleicht aber auch nicht.

      Ich kann nur hoffen, dass wir bald hier wegkommen und Liz diesen Typen nie wiedersieht. Ansonsten werde ich dafür sorgen, dass sie ihn ziemlich schnell vergessen wird …

       Elizabeth

      Brunch mit Folgen

      Der gestrige Abend verlief besser als ich befürchtet hatte. Meine anfängliche Nervosität verflog schnell und ich traf auf einige Kollegen, die sich nach meinem Befinden erkundigten und dabei dennoch diskret blieben. Aber eine Sache warf mich trotzdem völlig aus der Bahn: Timothy.

      Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn ausgerechnet auf der Feier der UBI wiedersehen würde. Ich bin mir nicht sicher, was Sam darüber denkt, aber ich habe mich so über dieses Wiedersehen gefreut, dass ich Timothy einfach zum Brunch einladen MUSSTE.

      Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen und bin noch immer völlig durcheinander. Gleich werde ich ihn wiedersehen. Natürlich war es damals meine Entscheidung gewesen, Cookstown zu verlassen, aber ich habe mich hintergangen gefühlt in meiner damals hilflosen Situation. Als ich ging, habe ich gesagt, dass das Schicksal uns schon zusammenführen wird, wenn es denn so vorherbestimmt sein sollte. Es ist alleine einem Wunder zu