Helmut H. Schulz

Das Ende der Clara


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Rumpf des Bootes war weiß, die Decks naturfarben, wie wir vermuteten, ein Stabdeck aus Edelholz, Teak, denn wir konnten dünne schwarze Linien darauf ausmachen. Der Großbaum reichte nach achtern über den Kopf des Skippers hinweg. Im Cockpit standen Rad und Kompasssäule in bescheiden spiegelndem Messing. An der Baumnock hingen Blöcke und Schot, überhaupt war alles laufende Gut sparsam verteilt. So also sah die »CANBERRA« aus, die uns an diesem Nachmittag in den Hafen gekommen war. Wir hatten sie noch nirgendwo gesehen, und die anderen Hafenratten, die wir fragten, kannten sie auch nicht. Als Heimathafen war Klintholm aufgemalt, und es gehörte was dazu, dieses Schifflein von MØN bis hierher zu segeln. Die »CANBERRA« begeisterte uns, und es war wohl doch nicht so, wie wir zuerst angenommen hatten, dass ihr Skipper nicht viel von ihr verstand, ein bisschen hatte er schon dazugetan, sie zu uns zu bringen. Dass ihm unser Hafen fremd war, mit seiner elend engen Durchfahrt und der aus Granitblöcken aufgeschütteten Mole, sonst hätte es hier gar keinen Hafen gegeben, sondern höchstens einen Liegeplatz für flachbödige Boote, das konnten wir ihm ja nicht vorwerfen. Jedenfalls aber nahm sich die »CANBERRA« in unserer Flotte aus wie ein Schwan in einer Herde Sauen. Und Prinz Heinrich sagte auch, es handele sich bei dem Eigner um einen Mann von Reputation.

      2

      Am Abend gingen wir dann doch ins Strand-Café und sahen den Tänzern und den Trinkern zu. Dichte Rauchschwaden hingen unter der Decke des großen, aber niedrigen Raumes. Der Qualm zog nur langsam durch die geöffneten Fenster ab nach draußen. Im Übrigen herrschte die Langeweile vor, obschon das Lokal voller Urlauber und Urlauberinnen war. Ohne Unterbrechung lärmten die Tonsäulen, und irgendein Heini klabusterte sich an seinen Platten ab und beschwor die Leute, nach dem Gedröhn zu tanzen, er sabbelte dermaßen viel und war so ungeheuer einfallsreich, dass Langeweile zwangsläufig aufkommen musste. Wir hatten eben beschlossen, zu gehen, als der Skipper von der »CANBERRA« hereinkam, ein großer dicker Kerl mit einem Bullenbeißergesicht, feist, aber dafür auch ungemütlich. Eigenartigerweise hatten wir ja beim Hereinkommen der »CANBERRA« die Vorstellung eines Seehelden gehabt, schlank und rank, mit weißer Hose und dunkelblauem Blazer und goldenen Knöpfen daran. Hier sehen Sie mal, wie Sie durch den Film versaut werden. Der Skipper sah also ziemlich gewöhnlich aus, energisch schon, anders hätte er das Boot auch nicht segeln können, aber alles doch noch im menschlichen Bereich. Seine Begleiterin, die zugleich sein Maker zu sein schien, gefiel uns hingegen viel besser. Sie wog ungefähr die Hälfte ihres Gemahls, und sie war um anderthalb Köpfe niedriger als er. Außerdem war sie erheblich jünger, höchstens vierundzwanzig, also gewissermaßen vom Skipper auf Zuwachs geheiratet. Während wir den Fall gesprächsweise untersuchten, sahen wir, wie der Dicke in die Tasche seiner verschossenen Jacke griff und ein Papier herausholte. Mit einem Klebestreifen befestigte er den Wisch an der Tür. Danach verließ das Paar den Ort, ohne sich umzudrehen und ohne zu grüßen. Offensichtlich hatte der Skipper nur den Zettel anmachen wollen. Wir machten ihn wieder ab und lasen einen sensationellen Text.

      Ich beabsichtige, meine Yacht »CANBERRA« aus bestimmten Gründen aufzugeben, und habe Herrn Kap. Joh. Johannsen als Unparteiischen beauftragt, das Geschäft in die Hand zu nehmen. Herr Johannsen schlägt vor, demjenigen den Zuschlag zu geben, dessen Boot in drei Rennen hintereinander auf dem zwoten Platz einläuft. Teilnehmen können alle Segler offener Jollen. Bedingung ist, dass jedes teilnehmende Boot nur ein Segel führt. Meldung an Herrn Heinrich Prinz, hierselbst, oder an Herrn Kap. Johannsen.

      Wir besaßen alle Voraussetzungen, um an diesem Rennen teilzunehmen, und zweifelten nicht daran, dass einer von uns gewinnen würde. Uns irritierte es, dass in der Anzeige kein Kaufpreis genannt war. Irgendwie reizte uns der originelle Einfall, auf diese Weise nach einem Mann zu suchen, der dieses elegante, kapriziöse Schifflein verdiente. Ohne Zweifel hatte sie einen erheblichen Preis. Wie viel kostete sie? Das war die Frage, aber der Fall lag andererseits so, dass wir uns über die Finanzierung erst einmal wenig Sorgen machten. Von Geld stand ja nichts in der Anzeige. Insgeheim trauten wir es diesem Abenteurer zu, das Schifflein einfach zu verschenken. Wir befanden uns in Hochstimmung und gingen, obwohl es ziemlich spät geworden war, zum Prinzen Heinrich, um unsere Meldung abzugeben und um ihn nach diesem Johannsen zu fragen, der musste wohl hier herumhängen. Der Prinz Heinrich fertigte uns kurz ab, er meckerte herum, dass wir ihn wegen dieser Sache geweckt hatten, aber wir bekamen wenigstens einen Tipp, wo wir diesen Johannsen finden konnten. Wir wanderten zum Hafen zurück. Johannsen saß in der Plicht seines Bootes, und wir standen auf der Mole etwa in Augenhöhe mit ihm. Er sagte, alles habe seine Richtigkeit, er nähme unsere Meldung gern auf, wir drängten ihn, uns zu erzählen, was mit dem Skipper los war. Johannsen sagte Folgendes.

      "Habt ihr euch die Anzeige auch genau durchgelesen, Jungens?" Uns kam diese Frage ein bisschen sonderbar vor, und er fuhr fort, uns den Fall zu verklickern.

      "Es heißt doch, wessen Boot als zweites einläuft, der hat diese kleine Regatta gewonnen, ist euch das ganz klar? Sagt mir noch Bescheid, ob es dabei bleibt, und ... denkt mal über die Geschichte nach, denn einen Haken hat die Sache schon."

      Wir brasselten noch viel herum in dieser Nacht, aber es blieb alles Theorie, und wir beschlossen, anderntags die Probe aufs Exempel zu machen. Es sollte also siegen, der sein Boot hinter dem ersten Boot hereinbrachte? Ohne Regel, aber wie bei einer richtigen Regatta. Bloß raus, einem Ziele zu, das sie wohl noch bezeichnen würden. Da stand dann sicherlich eine Yacht, gab dem Angekommenen einen Wisch, der ihm bestätigte, dass nicht gemogelt worden war, und wieder zurück. Ganz einfache Sache. Andere Konkurrenten hatten wir kaum zu fürchten, es sei denn, die Sache sprach sich weiter herum. Viele Einhandsegler gab es bei uns nicht mehr, seit die Schiffer an Bord fernsehen müssen und tagsüber beschäftigt sind, mit Maschinenfahrt, um ihre Batterien aufzuladen.

      In aller Frühe, als die Trinker und Tänzer aus dem Strand-Café bei einer guten Dröhnung noch schliefen, machten wir uns also auf. Erst mal liefen wir in einer Linie raus, schossen weiter draußen auf, und das Wetter war auch günstig, es wehte nicht so stark wie am Vortag. Viel Wind hatten wir auch nicht nötig, wollten doch bloß sehen, wie das lief, was geschieht, wenn man hinter dem Vordermann bleiben will. Da ging es uns ziemlich rasch auf, wie hinterhältig diese Anzeige war. Immer wenn sich einer lustvoll vorschieben wollte, fiel ihm natürlich ein, dass er ja hinten bleiben musste, wollte er dieses Rennen gewinnen. Aus allen Lagen ergab sich alsbald immer eine Wuhling von Jollen, die aufschossen, sich ineinander verwickelten, neu an den Wind schlichen, und schließlich hatten wir genug von der Geschichte. Wir waren hereingelegt worden. Ohne Zweifel lachten die im Hafen sich schief über unsere Albernheit, dafür würde Prinz Heinrich schon gesorgt haben. Wir brachen die Versuche ab, liefen wieder ein und machten an der »CANBERRA« fest.

      Der dicke Skipper war schon auf, er saß draußen im Cockpit, trank Tee aus einem mächtigen Pott und las in der Zeitung. Auf seinem dicken Kopf hatte er eine Mütze mit Klunker daran, denn es wehte auf einmal wieder scharf über das Haff. Wir fragten ihn, ob wir zu ihm an Bord kommen dürften, und er faltete die Zeitung zusammen, ehe er nickte. So jumpten wir das erste Mal an Bord der »CANBERRA«.

      Seither bin ich viele Male auf der Yacht gewesen, und meine Leidenschaft für sie ist eher noch gestiegen. Da haben Sie den Fall, von dem ich sprach,