Ute Christoph

Achteinhalb Wochen


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Explosionen in meiner Gefühlswelt … liebe Lisa, die Barrieren des Widerstands sind gebrochen … das Erlebte übertrifft spirituell alles, was ich bisher kannte … unser stiller Kontakt schenkt mir Kraft … ich durchlebe einzigartige Momente … wünsche dir einen angenehmen Abend!

      19:54 Uhr

      Ich: Lieber Koray, es freut mich sehr, dass dir unser Kontakt Kraft gibt. Und noch mehr, dass deine Barrieren gefallen und deine Widerstände gebrochen sind. … Ich war eben mal neugierig und habe deinen Namen gegoogelt. Flammender Mond – wie schön ist das denn? – Dir auch einen zauberhaften Abend und um Mitternacht eine weitere schöne Erfahrung. Ich glaube, das würde ich auch gern mal erleben. Liebe Grüße, Lisa

       20. Juli 2016

      11:42 Uhr

      Koray: Meine Mutter erzählte mir, an meinem Geburtstag sei der Mond glutrot gewesen … und ich weiß, dass du eine „reiche Göttin“ bist! Erschöpft und kraftlos wage ich mich ins blaue Wasser … wenn du am späten Abend eine seltsame Wärme in dir spürst … dann lese ich gerade etwas aus meinem Mokkasatz über dich … liebe Grüße, Koray

      Ein Mann, der aus dem Mokkasatz las? Ich war mir nicht sicher, ob ich das strange oder interessant finden sollte.

      15:23 Uhr

      Ich: Bin neugierig, was du über mich lesen wirst. Genieß den Tag!!!

       21. Juli 2016

      10:58 Uhr

      Koray: Kein Psychologe in Deutschland war in der Lage, mir zu helfen … Melodien erschallen, Lieder erklingen im Saal meiner Sinne … ich sah im Mokkasatz, dass du eine höchst geheimnisvolle Frau bist … in meinem Traum bist du mit nackten Füßen sinnlich auf weißem Marmor getanzt … du hattest ein bodenlanges, schneeweißes Kleid aus purer Seide an! … Ich neige mich vor dir in Achtung und Demut … liebe Grüße, Koray

      Ich und geheimnisvoll? Ich, die ich meine Gefühle im Gesicht und mein Herz auf der Zunge trug? Da war beim Mokkasatzlesen gründlich etwas schiefgelaufen. Und ich sah mich vor meinem inneren Auge ohne Schuhe auf kalten Steinen herumhopsen! In einem bodenlangen Kleid! Wie skurril war das denn?

      Aber er hatte es sicherlich nur nett gemeint. Und ihm ging es ja zudem nicht wirklich gut. Also musste ich auch etwas Nettes antworten.

      11:38 Uhr

      Ich: Danke für deine schöne SMS.

      17:46 Uhr

      Koray: Liebe Lisa, du warst in den letzten Tagen ein Teil meines Lebens. Ich behaupte, stets ein Gentleman zu sein … für einen niveauvollen, höflichen, im Sinn anständigen Austausch würde ich auf mein letztes … na ja, vorletztes Hemd verzichten. Morgen bin ich wieder im Spessart. 1.001 liebe Grüße, Koray

      Okay – meine Mutter hatte mir beigebracht, dass ein wirklicher Herr nie über sich sagen würde, dass er ein Herr sei. Doch dieser Mann stammte ja aus einem ganz anderen Kulturkreis als dem, in dem ich großgeworden war. Vielleicht war es in der türkischen Kultur völlig in Ordnung, von sich selbst zu behaupten, ein Gentleman zu sein. Also las ich großzügig über diese Aussage hinweg, und lachte über den Verzicht auf sein vorletztes Hemd.

      Aber was bedeutete diese SMS? War das ein Abschied? Irgendwie wäre das schade. Selbst wenn seine SMS manchmal etwas übertrieben schnulzig waren, gefiel mir der Kontakt mit diesem Mann. Außerdem wollte ich mehr über das Ritual am Strand und seinen schamanischen Großvater erfahren.

      18:51 Uhr

      Ich: Lieber Koray, komm gut heim. Ich würde mich freuen, dich wieder zu lesen – wenn ich ein Teil deines Lebens bleiben kann. Und keine Sorge – dein vorletztes Hemd darfst du behalten. ;o)

       22. Juli 2016

      Dass eine Antwort auf meine letzte SMS ausblieb, verunsicherte mich ein wenig. Ich hatte wirklich genügend Freunde und Bekannte. Er sollte bloß nicht annehmen, ich sei einsam und auf ein paar SMS von einem Fremden angewiesen, weil ich ansonsten nichts hatte. Das musste ich richtigstellen.

      12:38 Uhr

      Ich: Upps, nicht, dass du mich missverstehst. Ich habe ein buntes Leben und viele Menschen darin. Ich habe unseren Kontakt aber als besonders empfunden. Daher würde ich es schön finden, dich wieder zu lesen. Liebe Grüße, Lisa

      13:58 Uhr

      Koray: Es bedarf definitiv keiner Sorge … auch mein Leben ist turbulent und voller Menschen … ich suche keine amourösen Abenteuer … ich bin ein Romantiker … daher ist mir nach den innigen Momenten, nach denen unsere Herzen dürsten … nach einem Tropfen Glück … nach einem Schluck Zärtlichkeit!

       23. Juli 2016

      Mhmm? Unsere Herzen dürsteten? Mein Herz dürstete – ehrlich gesagt – nach gar nix. Ich war nun seit viereinhalb Jahren Single. Und das war gut so. Nach meiner letzten Beziehung war mir die Lust vergangen, noch einmal hinzufallen – vor allem aber hatte ich keine Lust mehr, noch einmal wieder aufzustehen.

      Wie kam Koray bloß auf den Gedanken mit dem amourösen Abenteuer? Oder auf innige Momente? Auch wenn ich zugegebenermaßen die Formulierungen „Tropfen Glück“ und „Schluck Zärtlichkeit“ sehr hübsch fand. Vielleicht war seine blumige Art zu schreiben ja wirklich Ausdruck einer romantischen Haltung. Und vielleicht tat ich ihm unrecht und er war anders als andere Männer.

      01:14 Uhr

      Ich: Das war eine sehr romantische SMS.

      09:24 Uhr

      Koray: … für mich ist die Frau wie eine schöne Rosenknospe … sie verdient Achtung, Wertschätzung, sanfte, romantische Berührungen … so wie die Sonnenstrahlen eine Knospe öffnen, so öffnet sich das Herz einer Frau durch Romantik … sie ist der magische Schlüssel, der das liebevolle Herz einer Frau öffnet, streichelt, küsst und erobert … zart in zart! Guten Morgen :-)

      Okay … In meinen Ohren klang das alles sehr übertrieben, gleichzeitig aber auch irgendwie nett. Ich erinnerte mich an eine SMS, in der er geschrieben hatte, er neige sich in Achtung und Demut vor mir.

      Außerdem musste ich diesem Mann doch zugutehalten, dass er sich in den spirituellen Ritualen wohl sehr schlimmen Dingen gestellt hatte, die ihm widerfahren waren.

      10:17 Uhr

      Ich: Guten Morgen, lieber Koray. Du schreibst außergewöhnlich …

      10:48 Uhr

      Koray: … manche nennen es Süßholzraspeln, andere wiederum schnulzig, doch mich verstehen nur Frauen, die mit dem Herzen sehen und mit den Augen sprechen können!!!

      Nun: So ganz Unrecht hatten die anderen – wer auch immer das sein mochte – da nicht. Er raspelte Süßholz und schrieb schnulzig. Aber mit „dem Herzen sehen und mit den Augen sprechen können“, das wiederum hatte was. Immerhin war „Der kleine Prinz“ eins meiner Lieblingsbücher.

      16:25 Uhr

      Ich: Es kommt drauf an, wer so etwas schreibt. Sicherlich gibt es Männer, die schnulzig sind oder Süßholzraspeln, um eine Frau, wie man so schön sagt, besoffen zu quatschen. Aber wenn ich mir deine ersten SMS anschaue, scheinst du anders zu sein. – Wie fühlst du dich, wieder zurück in Deutschland??? Viele Grüße!

      17:02 Uhr

      Koray: Wie schön von dir, liebe Lisa. Ich war voller Zweifel, ob die schamanischen Rituale Balsam für meine Seele sein könnten … nun bin ich voller Hoffnung … es wird ein Prozess, ein Weg, den ich gehen muss … Omnia tempus habent! Bin gestern Abend zurückgekommen … Ich entwende demnächst bestimmt wieder eine Rose … pssst, bleibt unter uns!!! Grüße voller Poesie, Koray

      Meine bayerischen Freunde waren am Wochenende als Aussteller auf einer Trachtenmesse in Düsseldorf zu Gast. Sie hatten strahlenden Sonnenschein mitgebracht. Wir verbrachten einen